Veröffentlichung BayMBl. 2020 Nr. 207 vom 17.04.2020

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Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention

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Sonstige Bekanntmachung

Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)

Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege

vom 16. April 2020, Az. 51b-G8000-2020/122-216

Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlässt im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales und dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Verbindung mit § 65 Satz 2 Nr. 2 der Zuständigkeitsverordnung (ZustV) folgende

Allgemeinverfügung

1.
Bis einschließlich 26. April 2020 gilt:
1.1
An allen Schulen Bayerns entfallen der Unterricht und die sonstigen Schulveranstaltungen.
1.2
An allen schulvorbereitenden Einrichtungen, Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflegestellen und Heilpädagogischen Tagesstätten entfallen die regulären Betreuungsangebote.
1.3
Am Staatsinstitut für die Ausbildung von Fachlehrern und am Staatsinstitut für die Ausbildung von Förderlehrern ist der Lehr- und Studienbetrieb eingestellt.
1.4
Schülerinnen und Schüler, Kinder und Studierende dürfen die betreffenden Einrichtungen für die oben genannte Zwecke einschließlich der Mittagsbetreuung nicht betreten.
2.
Ausgenommen vom Verbot nach Nrn. 1.1 und 1.4 sind Schülerinnen und Schüler,
2.1
die an Förderschulen in Heimeinrichtungen der Eingliederungshilfe oder die an Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung im Rahmen der Jugendhilfe ganzjährig stationär versorgt werden, soweit nicht das Gesundheitsamt auf Antrag der Schulleitung in Abstimmung mit dem Schulträger und gegebenenfalls der Heimaufsicht die ganze oder teilweise Einstellung des Schulbetriebs angeordnet hat,
2.2
für welche auf Antrag des Schulträgers das Gesundheitsamt in Abstimmung mit der zuständigen Regierung und gegebenenfalls der Heimaufsicht an Förderschulen mit überwiegend schwer- und mehrfachbehinderten Schülerinnen und Schülern, die mit Einrichtungen der Eingliederungshilfe verzahnt sind, die Aufrechterhaltung des Schulbetriebs für schwer- und mehrfachbehinderte Schülerinnen und Schüler zugelassen hat,
2.3
an Schulen für Kranke nach Art. 6 Abs. 2 Nr. 4 BayEUG, soweit nicht das Gesundheitsamt auf Antrag der Schulleitung in Abstimmung mit dem Schulträger und der Klinikleitung die ganze oder teilweise Einstellung des Schulbetriebs angeordnet hat.
3.
Ausgenommen vom Verbot nach den Nrn. 1.1, 1.2 und 1.4 sind Kinder, deren Betreuung in einer Schule (einschl. Schulvorbereitende Einrichtung), Heilpädagogischen Tagesstätte, Kindertageseinrichtung oder Kindertagespflegestelle zur Sicherstellung des Kindeswohls vom zuständigen Jugendamt nach den Regelungen des SGB VIII angeordnet wurde, sofern sie die Voraussetzungen von Nr. 5.2 erfüllen.
4.
Die Schulleitung, die jeweils zuständige Schulaufsichtsbehörde oder der Träger der jeweiligen Einrichtung soll ein Betreuungsangebot in den unter Nr. 1 genannten Schulen und Einrichtungen zur Verfügung stellen
4.1
für Schülerinnen und Schüler
  • der Jahrgangsstufen 1 bis 4 an Grundschulen und der Grundschulstufe von Förderschulen,
  • der Jahrgangsstufen 5 und 6 an weiterführenden Schulen und den entsprechenden Förderschulen,
  • für Schülerinnen und Schüler in höheren Jahrgangsstufen, wenn deren Behinderung oder entsprechende Beeinträchtigungen eine ganztägige Aufsicht und Betreuung erfordert,
4.2
für Kinder, die eine schulvorbereitende Einrichtung, eine Kindertageseinrichtung, Kindertagespflegestelle oder Heilpädagogische Tagesstätte besuchen.
5.
Das Betreuungsangebot nach Nr. 4 darf nur in Anspruch genommen werden, soweit und solange
5.1
von den Erziehungsberechtigten
  • ein Erziehungsberechtigter im Bereich der Gesundheitsversorgung oder der Pflege tätig und aufgrund dienstlicher oder betrieblicher Notwendigkeiten in dieser Tätigkeit an einer Betreuung seines Kindes gehindert ist oder
  • beide Erziehungsberechtigte des Kindes, im Fall von Alleinerziehenden der oder die Alleinerziehende, in sonstigen Bereichen der kritischen Infrastruktur tätig und aufgrund dienstlicher oder betrieblicher Notwendigkeiten in dieser Tätigkeit an einer Betreuung ihrer Kinder gehindert sind,
5.2
und das Kind
  • keine Krankheitssymptome aufweist,
  • nicht in Kontakt zu einer infizierten Person steht oder seit dem Kontakt mit einer infizierten Person 14 Tage vergangen sind und es keine Krankheitssymptome aufweist, und
  • keiner sonstigen Quarantänemaßnahme unterliegt.
6.
Die Personensorgeberechtigten haben für die Beachtung der in den Nrn. 1 und 3 bis 5 genannten Voraussetzungen und der sich hieraus ergebenden Pflichten zu sorgen.
7.
Auf die Bußgeldvorschrift des § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG sowie auf die Strafvorschrift des § 74 IfSG wird hingewiesen.
8.
Diese Allgemeinverfügung tritt am 20. April 2020 in Kraft. Die Allgemeinverfügung vom 13. März 2020, Az. 51-G8000-2020/122-65, geändert durch Allgemeinverfügung vom 21. März 2020, Az. G51-G8000-2020/122-65, tritt mit Ablauf des 19. April 2020 außer Kraft.

Begründung

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Die Zuständigkeit des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege ergibt sich aus § 65 Satz 2 Nr. 2 ZustV.

Bei SARS-CoV-2 handelt es sich um einen Krankheitserreger im Sinne des § 2 Nr. 1 IfSG, der sich in Bayern weiterhin stark verbreitet. In allen Regierungsbezirken ist ein fortgesetztes Infektionsgeschehen feststellbar. Der Vielzahl von Infektionen mit zum Teil tödlichem Verlauf steht eine hohe Dunkelziffer von Krankheits- und Ansteckungsverdächtigen gegenüber.

Nach den bisherigen Erkenntnissen erkranken Kinder nicht schwer an COVID-19. Wie Erwachsene können sie aber Überträger von SARS-CoV-2 sein – wahrscheinlich auch ohne Symptome zu zeigen. Dabei besteht in den in dieser Bekanntmachung genannten Einrichtungen nach bisherigem Stand nach wie vor eine erhebliche Ansteckungsgefahr und die Gefahr der Fortsetzung entsprechender Infektionsketten. Bestehen aber Infektionsketten, ist eine Ausbreitung ohne eine Schließung der betroffenen Einrichtung nur noch schwer einzudämmen.

Das Einhalten der nötigen disziplinierten Hygieneetikette ist abhängig von der Möglichkeit zur Übernahme von (Eigen-)Verantwortung. Zumal bei Kindern jüngeren Alters bedarf es insofern einer entwicklungsangemessenen Unterstützung durch Erwachsene. Je größer die Zahl der Kinder sowie der regelmäßig vorhandenen Rückzugsmöglichkeiten in der jeweiligen Einrichtung, desto schwieriger ist es für die Aufsichtspersonen diese Unterstützung sicherzustellen.

Daher kann schon räumlich eine lückenlose Überwachung nicht immer gewährleistet werden.

Damit ist die Gefahr, dass sich Infektionen innerhalb von Schulen, Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflegestellen oder Heilpädagogischen Tagesstätten ausbreiten, noch immer besonders hoch. Somit wäre damit zu rechnen, dass immer mehr Kinder Überträger von SARS-CoV-2 sein werden. Dies hätte die Konsequenz eines weiteren Infektionsdrucks auf die mittlere Altersgruppe (Erwerbstätige) sowie die vulnerablen, höheren Altersgruppen. Letztere gilt es nach dem derzeitigen Erkenntnisstand aber besonders zu schützen.

Aus den genannten Gründen ist zur Verlangsamung des Infektionsgeschehens in Bayern und zum Schutz vulnerabler Gruppen eine generelle Schließung der unter den Nrn. 1.1 bis 1.3 dieser Anordnung genannten Einrichtungen bis zum 26.  April 2020 fachlich geboten. Dadurch werden infektionsrelevante Kontakte für eine weitere Woche unterbunden. Ziel ist eine Verlangsamung der Ausbreitung von COVID-19. Dies hätte zur Folge, dass die zu erwartenden schweren Erkrankungsfälle in der Bevölkerung über einen längeren Zeitraum verteilt und Versorgungsengpässe in den Krankenhäusern vermieden werden. Auch insofern dient die vorliegende Maßnahme dem Gesundheitsschutz.

Aus den genannten Gründen ist nach Abwägung aller relevanten Umstände die vorliegende, zeitlich befristete Anordnung verhältnismäßig und gerechtfertigt, um dem vorrangigen Gesundheitsschutz der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz) Rechnung zu tragen. Die Rechte und Interessen der Kinder und Jugendlichen, der Eltern und des Personals der Einrichtungen treten demgegenüber zurück.

Hinsichtlich der aus der Allgemeinverfügung vom 13. März 2020 (Az. 51-G8000-2020/122-65, BayMBl. Nr. 140), geändert durch Allgemeinverfügung vom 21. März 2020 (BayMBl. Nr. 166) unverändert übernommenen Vorschriften wird auf die dortige Begründung verwiesen.

Zu folgenden Punkten ergaben sich Änderungen:

Zu Nr. 1:

Aufgrund der Anfangs beschriebenen weiterhin bestehenden Risikolage bleiben die Schulen weiterhin bis einschließlich 26. April 2020 geschlossen.

Zu Nr. 3:

Nach der bisherigen Nr. 3 der Allgemeinverfügung bleiben von der Allgemeinverfügung Anordnungen des Jugendamts im Einzelfall unberührt, in denen aufgrund der Regelungen des SGB VIII zur Sicherstellung des Kindeswohls eine Betreuung im Rahmen einer Heilpädagogischen Tagesstätte, in einer Kindertageseinrichtung oder Kindertagespflegestelle erforderlich ist. Dies gilt durch die Änderungen nun auch für Schülerinnen und Schüler an Schulen (einschließlich Schulvorbereitende Einrichtung). Klarstellend wird aufgenommen, dass diese Kinder und Jugendlichen frei von Symptomen sein müssen, nicht in Kontakt zu einer infizierten Person steht oder seit dem Kontakt mit einer infizierten Person 14 Tage vergangen sind und es keine Krankheitssymptome aufweist, und keiner sonstigen Quarantäne-Maßnahmen verhängt wurden, vergleiche Nr. 5.2.

Zu Nr. 5.2:

Das Robert Koch-Institut weist seit 10. April 2020 keine internationalen Risikogebiete oder besonders betroffene Gebiete in Deutschland aus (vergleiche hierzu https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete.html). Die bisherige Regelung war daher entsprechend anzupassen. Schülerinnen und Schüler sowie Kinder dürfen die Notbetreuung nicht besuchen, wenn die zuständigen Stellen eine entsprechende Quarantäne-Maßnahme verfügt haben. Infrage kommen hierzu insbesondere

  • die häusliche Quarantäne nach § 1 der Einreise-Quarantäneverordnung – EQV vom 9. April 2020 (BayMBl. Nr. 192)
  • Einzelanordnungen der jeweiligen Gesundheitsämter.

Zu Nr. 8:

Die Allgemeinverfügung tritt unmittelbar in Anschluss an die bisherige Allgemeinverfügung am 20. April 2020 in Kraft.

Dr. Winfried Brechmann

Ministerialdirektor