Veröffentlichung BayMBl. 2020 Nr. 738 vom 15.12.2020

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Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention

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Sonstige Bekanntmachung

2126-1-15-G

Begründung der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV)

vom 15. Dezember 2020

Die Begründung der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayMBl. 2020 Nr. 737) wird im Hinblick auf § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG bekannt gemacht.

Die vorliegende Verordnung beruht auf § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1, §§ 28a, 29, 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG in Verbindung mit § 9 Nr. 5 DelV.

Gemäß § 28a Abs. 3 Satz 1 und 2 IfSG sind Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten, wobei dies grundsätzlich unter Berücksichtigung des jeweiligen Infektionsgeschehens regional bezogen auf die Ebene der Landkreise, Bezirke oder kreisfreien Städte an den Schwellenwerten nach Maßgabe von § 28a Abs. 3 Satz 4 bis 12 IfSG erfolgen muss, soweit Infektionsgeschehen innerhalb eines Landes nicht regional übergreifend oder gleichgelagert sind. Gemäß § 28a Abs. 3 Satz 9 IfSG sind bei einer bundesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen bundesweit abgestimmte, umfassende und auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben.

Die Bestimmungen der 11. BayIfSMV dienen der Umsetzung des Maßnahmenpakets, dessen Eckpunkte in der Telefonkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 13. Dezember 2020 beschlossen wurden. Darüber hinaus werden weitere Maßnahmen getroffen, die aufgrund der Infektionslage in Bayern erforderlich sind.

Fortgeführt und verschärft werden damit auch Maßnahmen, die bereits in der 8. bis 10. BayIfSMV enthalten waren und auf die Maßnahmenpakete der Konferenzen der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 28. Oktober 2020 und vom 25. November zurückgehen. Hinsichtlich dieser Maßnahmen wird auf die Begründungen zur 9. BayIfSMV vom 30. November 2020 (BayMBl. Nr. 684), zur 10. BayIfSMV vom 8. Dezember 2020 (BayMBl. Nr. 712) und zur Änderung der Verordnung zur 10. BayIfSMV vom 10. Dezember 2020 (BayMBl. Nr. 735) verwiesen.

Anlass für die erneute Verschärfung in Gestalt der 11. BayIfSMV ist die Zuspitzung des sich bereits auf sehr hohem Niveau befindlichen Infektionsgeschehens. Hier sind regionale Sieben-Tage-Inzidenzwerte von teilweise über 600 zu verzeichnen. Die bisher ergriffenen Maßnahmen (u. a. der „Lockdown Light“ und seine Verschärfung in der 10. BayIfSMV sowie die „Hotspotstrategie“) haben keinen Rückgang der Fallzahlen herbeigeführt. Im Gegenteil ist weiterhin eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung zu beobachten und ein erneuter, deutlicher Anstieg der Fallzahlen zeichnet sich ab. Seit dem 21. Oktober 2020 überschreitet die Zahl der neuen Fälle nach Meldedatum beinahe jeden Tag (mit Ausnahme von vier Wochenendtagen) den Höchstwert vom 1. April 2020 (damals 1988 Fälle nach Meldedatum). Die Höchstwerte im Dezember (wie zuletzt am 9. Dezember 2020 mit 4986 Fällen nach Meldedatum) sind mehr als doppelt so hoch und übersteigen das Niveau von November (https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/karte_coronavirus/#meldedatum).

Die gestiegenen Fallzahlen spiegeln sich in der überdurchschnittlich hohen Sieben-Tage-Inzidenz für Bayern wider. Am 15. Dezember 2020 liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei 193 und damit auf einem sehr hohen Niveau und über dem Bundesdurchschnitt von 174 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2020/2020-12-15-de.pdf?__blob=publicationFile). Der Wert für Bayern ist im Vergleich zur Vorwoche (am 8. Dezember 2020 bei 177) also nochmals gestiegen. Das Ziel des „Lockdown Light“, eine Sieben-Tage-Inzidenz von höchstens 50 (Schwellenwert) zu erwirken, bleibt damit unerreicht. Dies ist der Wert, bei welchem erfahrungsgemäß eine Kontaktpersonennachverfolgung durch die Gesundheitsämter noch gewährleistet werden kann und der mittlerweile auch in § 28a Abs. 3 Satz 5, 9 und 10 IfSG als Orientierungswert für die Abgrenzung zwischen breit angelegten Schutzmaßnahmen und umfassenden Schutzmaßnahmen gesetzlich verankert ist.

Insgesamt verzeichneten nach den Daten des RKI am 30. November 2020 85 Landkreise und kreisfreie Städte in Bayern eine Sieben-Tage-Inzidenz von über 100, davon 21 Landkreise über 200, davon wiederum vier Landkreise über 300 und ein Landkreis über 500. 10 bayerische Landkreise und kreisfreie Städte lagen über dem Schwellenwert von 50, lediglich eine Stadt lag darunter. In den ersten zwei Dezemberwochen hat sich das Infektionsgeschehen in vielen Landkreisen und kreisfreien Städten schrittweise weiter verschärft. Am 15. Dezember 2020 lagen nach den Daten des RKI bayernweit alle 96 Landkreise und kreisfreien Städte über dem Schwellenwert von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner, davon 92 Landkreise und kreisfreie Städte über dem Wert von 100, davon 39 über 200, davon wiederum überschritten 5 Landkreise und kreisfreie Städte die Sieben-Tage-Inzidenz von 300. Unter diesen ist auch der Landkreis Regen, der am 15. Dezember 2020 den dritten Tag in Folge mit 633 eine Sieben-Tage-Inzidenz von über 600 erreicht (https://experience.arcgis.com/experience/ 478220a4c454480e823b17327b2bf1d4/page/page_1).

Die zunehmend kritische Situation zeigt sich auch an dem starken Anstieg der COVID-19-Patienten, die in den bayerischen Krankenhäusern behandelt werden müssen. Während am 28. Oktober noch 133 COVID-19-Patienten in Intensivbetten mit der Möglichkeit zur invasiven Beatmung behandelt wurden, sind es aktuell bereits 727 (Meldungen der Krankenhäuser in IVENA vom 15. Dezember 2020). Einzelne Krankenhäuser und Leitstellen melden bereits, dass in ihrem Einzugsgebiet nur noch wenige Intensivbetten mit invasiver Beatmungsmöglichkeit zur Verfügung stehen. Wenig freie Kapazitäten (unter 10 Intensivbetten mit invasiver Beatmungsmöglichkeit) stehen derzeit laut Meldungen der Krankenhäuser u. a. in den Leitstellen Fürstenfeldbruck, Augsburg, Allgäu, Donau-Iller, Ansbach, Untermain, Nordoberpfalz, Amberg und Mittelfranken-Süd zur Verfügung. Auch aus den Meldungen der Kliniken in der Landeshauptstadt München geht hervor, dass es hier bereits in einzelnen Krankenhäusern zur Knappheit an Intensivbetten mit invasiver Beatmungsmöglichkeit kommt. Die Krankenhäuser im Einzugsgebiet der Leitstellen Erding und Coburg geben sogar an, keine freien Intensivkapazitäten mit invasiver Beatmungsmöglichkeit mehr zu besitzen. Anders als in der ersten Welle im Frühjahr 2020 steigt auch die Zahl der COVID-19-Patienten auf den Allgemeinpflegestationen in den Krankenhäusern stark an. Am 28. Oktober 2020 waren es 869 Patienten, die wegen einer SARS-CoV-2 Infektion im Krankenhaus auf einer Normalstation behandelt werden mussten, aktuell (Stand 15. Dezember 2020) sind es 3483 Patienten. Gegenüber dem Vortag (14. Dezember 2020) ist dies eine Zunahme um ca. 100 Patienten. Die Krankenhäuser berichten vermehrt, dass das Personal diesen Belastungen aufgrund des hohen Betreuungsaufwands der COVID-19-Patienten nicht über einen längeren Zeitraum standhalten kann. Es komme aktuell bereits vermehrt zu Krankheitsfällen im Personal.

Daneben steigt auch die Zahl der Todesfälle weiter an. Seit Anfang Dezember 2020 überschritt die Zahl der Verstorbenen gleich mehrmals den höchsten Tageswert vom 15. April, der 104 Todesfälle betrug. Am 3., 9., 10. und 15. Dezember verzeichnete das LGL im Vergleich zum Vortag jeweils mehr neue Todesfälle. Dabei wurde mit 126 die bislang höchste Zahl der Verstorbenen binnen 24 Stunden am 15. Dezember erreicht.

Zum einen ist daher eine Fortschreibung der Maßnahmen der 8., 9. und 10. BayIfSMV dringend erforderlich. Darüber hinaus sind aber zum anderen in der 11. BayIfSMV auch weitere Verschärfungen zwingend geboten, weil sich gezeigt hat, dass die bisherigen Maßnahmen noch nicht zu einem spürbaren landesweiten Rückgang der Infektionszahlen geführt haben. Vielmehr kommt es weiter zu starken, diffusen Infektionsgeschehen mit zahlreichen regionalen Hotspots. Nur durch eine weitere Verschärfung der Maßnahmen kann gewährleistet werden, dass es zu dem erforderlichen spürbaren und dauerhaften Rückgang der Infektionszahlen kommt, um das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu schützen, welche wiederum Todesfälle infolge nicht mehr hinreichender Behandlungskapazitäten erwarten ließe. Diese negativen Auswirkungen können nur durch die vorliegend getroffenen Maßnahmen verhindert werden.

Im Zentrum der Maßnahmen steht weiterhin eine Ausgangsbeschränkung im Sinne des § 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG, die durch eine nächtliche landesweite Ausgangsbeschränkung („nächtliche Ausgangssperre“) im Sinne des § 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG ergänzt wird.

Zur grundsätzlichen Begründung der bereits seit der 10. BayIfSMV bestehenden Ausgangsbeschränkung wird auf die Begründung zur 10. BayIfSMV vom 8. Dezember 2020 (BayMBl. Nr. 712) verwiesen.

Der Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 ist die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel. Das Virus kann bereits übertragen werden, bevor die Infizierten Symptome entwickeln oder bei sehr geringer bzw. fehlender Symptomatik. Dies erschwert die Kontrolle der Ausbreitung. Zugelassene Impfstoffe stehen bisher nicht und auch in absehbarer Zeit noch nicht im erforderlichen Maße zur Verfügung; die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und langwierig. Ein nicht unerheblicher Teil der Infektionen führt zu einem schwerwiegenden Krankheitsverlauf, in dessen Rahmen eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich ist.

Zur Verminderung des Übertragungsrisikos sind die schnelle Isolierung von positiv getesteten Personen sowie die Identifikation und die frühzeitige Quarantäne enger Kontaktpersonen erforderlich. Die Unterbrechung von Infektionsketten wird durch das gesteigerte Infektionsgeschehen und die diffuse Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung zunehmend erschwert. Daher ist es notwendig, durch eine erhebliche Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung insgesamt das Infektionsgeschehen einzudämmen, um die Zahl der Neuinfektionen wieder in die Größenordnung von unter 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen zu senken.

Eine zeitlich befristete, merkliche Einschränkung persönlicher Kontakte ist nach den Erfahrungen aus der ersten Welle der Pandemie geeignet, die bei weiter steigenden Infektionszahlen bestehende konkrete Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems abzuwenden. Dies ist von wissenschaftlicher Seite überzeugend bestätigt worden. Eine solche Einschränkung ist auch erforderlich, weil mildere, gleich wirksame Mittel nicht zu Verfügung stehen. Dem Normgeber steht in diesem Bereich zudem eine Einschätzungsprärogative zu (vgl. dazu etwa BayVGH, Beschluss vom 9. April 2020 – 20 NE 20.664 – BeckRS 2020, 6515).

Gegenüber dem in einigen europäischen Mitgliedstaaten beobachteten oder ernstlich drohenden Zusammenbruch des Gesundheitssystems mit dem Versterben teils tausender Menschen pro Tag und einer erheblichen Übersterblichkeit im Vergleich zu den Vorjahren stellen die vorliegenden Maßnahmen den wesentlich geringeren Eingriff dar, zumal sich eine pauschale Abwägung zulasten menschlichen Lebens verbietet.

Eine nächtliche Ausgangsbeschränkung dient der weiteren notwendigen Reduktion von Kontakten – insbesondere im Hinblick auf nach den bisherigen Erfahrungen besonders infektionsgefährdende private Zusammenkünfte – und dient damit dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems. Es handelt sich bei dieser trotz der Bezeichnung als „Ausgangssperre“ ihrem Wesen nach um eine Ausgangsbeschränkung im Sinne des § 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat bestätigt, dass entsprechende nächtliche Ausgangsbeschränkungen bei Vorliegen sehr hoher Inzidenzen verhältnismäßig sind (BayVGH, Beschluss vom 14. Dezember 2020, Az. 20 NE 20.2907 Rn. 38 ff.). Die vorliegend vorgesehenen Ausnahmetatbestände entsprechen im Wesentlichen denjenigen des § 25 Satz 1 Nr. 1 der 10. BayIfSMV einschließlich dem Auffangtatbestand der „ähnlich gewichtigen und unabweisbaren Gründe“, der nunmehr in § 3 Nr. 7 enthalten ist.

In § 4 wird klargestellt, dass auch insoweit, als das Verlassen der Wohnung nach den Ausgangsbeschränkungen zulässig ist, eine Kontaktbeschränkung gilt. Darüber hinaus enthält § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 eine Sonderregelung für die Kontakte für den Zeitraum vom 24. bis 26. Dezember 2020.

§ 5 Satz 3 enthält das Verbot, auf von den zuständigen Kreisverwaltungsbehörden festzulegenden zentralen Begegnungsflächen in Innenstädten oder sonstigen öffentlichen Orten unter freiem Himmel, an denen sich Menschen entweder auf engem Raum oder nicht nur vorübergehend aufhalten, pyrotechnische Gegenstände der Kategorie F2 im Sinne von § 3a des Sprengstoffgesetzes (SprengG) mit sich zu führen oder abzubrennen. Diese Regelung verfolgt zwei infektionsschutzrechtliche Zweckrichtungen. Zum einen dient sie der Durchsetzung der Kontaktbeschränkung an Silvester und Neujahr in Bereichen, in welchen aufgrund der bestehenden Erfahrungen zu dieser Zeit ganz besonders viele Menschen zusammenkommen würden, was unter dem aktuell bestehenden Infektionsgeschehen eine erheblich erhöhte Infektionsgefahr begründen würde. Zum anderen soll sie verhindern, dass die aufgrund der Infektionslage ohnehin angespannte Situation in den Krankenhäusern – insbesondere in den Notaufnahmen und Intensivstationen – sich durch an Silvester und Neujahr erfahrungsgemäß immer wieder zu verzeichnende Unfälle verschärft und ggf. eine Situation begründet, in der nicht mehr alle Patienten im erforderlichen Maße behandelt werden können.

Bei Gottesdiensten und Zusammenkünften von Glaubensgemeinschaften, für die Besucherzahlen erwartet werden, die zu einer Auslastung der Kapazitäten führen können, besteht gemäß § 6 Nr. 7 eine Anmeldungspflicht. Hierbei handelt es sich um eine Auflage für religiöse bzw. weltanschauliche Zusammenkünfte im Sinne des § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG zur Gewährleistung, dass die Höchstteilnehmerzahl auf Grundlage der vorhandenen Plätze unter Berücksichtigung des Abstandsgebots nicht überschritten wird. Dies ist insbesondere deswegen erforderlich, weil Gottesdienste in der Weihnachtszeit erfahrungsgemäß erheblich stärker besucht werden als im Jahresmittel.

In § 9 Abs. 2 Satz 2 wird neu die Testung von Mitarbeitern ambulanter Pflegedienste geregelt. Danach müssen Betreiber ambulanter Pflegedienste ihre Beschäftigten im Rahmen verfügbarer Testkapazitäten regelmäßig möglichst an zwei verschiedenen Tagen pro Woche in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 testen lassen. Mit der 10. BayIfSMV ist in § 9 Abs. 2 Satz 1 bereits eine Regelung zur Testung in Einrichtungen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und 5 eingeführt worden. Alte und pflegebedürftige Menschen sind bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 einem erhöhten Risiko für Gesundheit und Leben ausgesetzt; sie müssen daher besonders geschützt werden. Das Risiko einer unbemerkten Weitergabe von SARS-CoV-2-Infektionen durch das Pflegepersonal steigt mit dem regionalen Infektionsgeschehen und diffusen Ausbruchsereignissen. Auch die Pflegenden in der ambulanten Pflege haben Kontakt zu zahlreichen Pflegebedürftigen. Diese Arbeitsbedingungen in der ambulanten Pflege begünstigen eine schnelle Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 trotz etablierter Hygiene- und Schutzkonzepte. Regelmäßige Testungen auf eine SARS-CoV-2-Infektion in der ambulanten Pflege dienen dem Schutz der Pflegebedürftigen. Die Nutzung von Antigen-Schnelltests eröffnet hier einfache und kurzfristig durchführbare Untersuchungen. Sie ermöglichen die frühzeitige Identifikation und Isolation betroffener Personen. Präventive, regelmäßige Testungen des Personals erhalten zusätzlich die Einsatzfähigkeit der einzelnen Pflegedienste. Die neue Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 2 ist daher erforderlich, um Pflegebedürftige, die durch das Coronavirus in ganz besonderem Maße bedroht sind, möglichst umfassend zu schützen.

Aufgrund des erheblichen Infektionsgeschehens muss zudem eine Untersagung der Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr und zugehöriger Abholdienste mit Ausnahme des Lebensmittelhandels einschließlich der Direktvermarktung, von Lieferdiensten, Getränkemärkten, Reformhäusern, Babyfachmärkten, Apotheken, Sanitätshäusern, Drogerien, Optikern, Hörgeräteakustikern, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Filialen des Brief- und Versandhandels, Reinigungen und Waschsalons, des Verkaufs von Presseartikeln, Tierbedarf und Futtermittel, des Verkaufs von Weihnachtsbäumen und sonstigen für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte sowie des Großhandels erfolgen, die in § 12 Abs. 1 umgesetzt wird. Soweit Geschäfte geöffnet bleiben dürfen, sind die Hygienemaßnahmen und Beschränkungen gemäß § 12 Abs. 1 Satz 4 und 5 verbindlich. Die Untersagung des Verkaufs von pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2 im Sinne von § 3a SprengG dient der Sicherstellung der oben hierzu bereits ausgeführten Zwecke.

Ebenso ist die Untersagung von Dienstleistungen erforderlich, bei denen eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist. Das schließt neben Massagepraxen, Kosmetikstudios, Tattoo-Studios und ähnlichen Betrieben auch Friseure mit ein. Medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Physio-, Ergo und Logotherapien oder Podologie bleiben weiter möglich.

Ziel der Untersagungen hinsichtlich des Einzelhandels ist es, die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zu flankieren und auf diese Weise das Infektionsgeschehen wieder einzudämmen. Gerade in diesem Bereich kommt es zu zahlreichen zufälligen Kontakten unterschiedlichster Personen. Eine Nachverfolgbarkeit von Kontaktpersonen ist unter diesen Rahmenbedingungen kaum möglich. Die Schließung von Ladengeschäften mit Ausnahmen führt zu einer Vermeidung zahlreicher zufälliger Kontakte und trägt dazu bei, die Infektionsdynamik einzugrenzen. Die Untersagung von Dienstleistungen, bei denen eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist, ist erforderlich, weil in diesem Bereich die Einhaltung des Mindestabstandes nicht gewährleistet werden kann und somit die Gefahr einer potenziellen Übertragung von SARS-CoV-2 deutlich erhöht ist. Die getroffenen Maßnahmen in diesem Bereich sind daher zwingend notwendig. Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen wird auch dadurch gesichert, dass der Bund die betroffenen Unternehmen, Soloselbständigen und selbständigen Angehörigen der Freien Berufe auch weiterhin finanziell unterstützen wird. Dafür stellt der Bund die verbesserte Überbrückungshilfe III bereit, die Zuschüsse zu den Fixkosten vorsieht. Mit verbesserten Konditionen, insbesondere einem höheren monatlichen Zuschuss in Höhe von maximal 500 000 Euro für die direkt und indirekt von den Schließungen betroffenen Unternehmen, gewährleistet der Bund, Unternehmen und Beschäftigung zu sichern. Für die von der Schließung betroffenen Unternehmen soll es Abschlagszahlungen ähnlich wie bei den außerordentlichen Wirtschaftshilfen geben. Der mit den Schließungsanordnungen verbundene Wertverlust von Waren und anderen Wirtschaftsgütern im Einzelhandel und anderen Branchen soll aufgefangen werden, indem Teilabschreibungen unbürokratisch und schnell möglich gemacht werden und zu inventarisierende Güter ausgebucht werden können.

Um die Kontakte noch stärker zu beschränken, ist eine Schließung der bayerischen Schulen für Schüler erforderlich. Regelungen zur Notbetreuung und zu Angeboten des Distanzlernens werden vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus im Benehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlassen. Die Vorschrift des § 18 Abs. 2 ist für den Notbetrieb in den Schulen konzipiert.

Ebenso müssen Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflegestellen, Ferientagesbetreuung und organisierte Spielgruppen für Kinder geschlossen werden.

In Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflegestellen, der Ferientagesbetreuung, in organisierten Spielgruppen für Kinder und Schulen kommt es zu zahlreichen Kontakten von Personen aus unterschiedlichen Haushalten. Da auch Kinder und Jugendliche im Infektionsgeschehen eine Rolle spielen, muss die Anzahl der Kontakte deutlich eingeschränkt werden, um eine Verringerung der Infektionszahlen und eine bessere Nachvollziehbarkeit von Infektionsketten möglich zu machen.

Für Kinder sind die geltenden Hygieneregeln wie Abstand halten und Maske tragen gerade in den Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflegestellen, Ferientagesbetreuung und organisierten Spielgruppen nur schwer einzuhalten. Insgesamt ist die Schließung der Kindertageseinrichtungen und Schulen vor dem Hintergrund der weitest gehenden Kontaktreduktion zu sehen, um eine Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 möglichst einzugrenzen. Heilpädagogische Tagesstätten bleiben geöffnet. Hier sind die Anforderungen des § 19 Abs. 2 zu beachten.

Schließlich ist zur Reduzierung der Kontakte auch eine Untersagung von Angeboten der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der Erwachsenenbildung nach dem Bayerischen Erwachsenenbildungsförderungsgesetz und vergleichbarer Angebote anderer Träger sowie sonstiger außerschulischer Bildungsangebote erforderlich. Mitarbeit und Anleitung von Auszubildenden vor Ort in den Betrieben ist weiterhin möglich, soweit die Betriebe nicht als solche geschlossen sind. Zulässig sind im Übrigen nur die in § 20 Abs. 2 genannten Kurse und Ausbildungen unter den dort genannten Voraussetzungen. Musikschulen und Fahrschulen dürfen nur noch online unterrichten. Bei jeglicher Form von Präsenzunterricht kommt es regelhaft zu zahlreichen Kontakten von Personen aus unterschiedlichen Hausständen. Insbesondere in Innenräumen kann es bei Präsenz von mehreren Personen zu einer Anreicherung von Aerosolen kommen. Vor allem bei lautem Sprechen, beim Singen oder beim Spielen eines Blasinstrumentes werden vermehrt Aerosole produziert. Somit steigt insbesondere in Innenräumen das Risiko einer Anreicherung von Aerosolen. Dies wiederum begünstigt eine Infektionsübertragung, auch bei Einhaltung von Mindestabständen.

Gemäß § 27 Abs. 1 bleiben weitergehende Anordnungen der örtlich für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes zuständigen Behörden unberührt. Umgekehrt können gemäß § 27 Abs. 2 Ausnahmegenehmigungen im Einzelfall auf Antrag von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erteilt werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Ausnahmegenehmigungen, die einen generellen Personenkreis oder eine allgemeine Fallkonstellation betreffen, dürfen unter den Voraussetzungen von § 27 Abs. 1 Satz 1 gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 allerdings nur im Einvernehmen mit der zuständigen Regierung erteilt werden.

Die Maßnahmen der vorliegenden Verordnung sind – wie durch § 28a Abs. 5 IfSG angeordnet – zeitlich befristet. Darüber hinaus ist auf Bund-Länder-Ebene vereinbart, voraussichtlich am 5. Januar 2021 über die Maßnahmen ab 11. Januar 2021 zu beraten und diese im Lichte der weiteren Infektionsentwicklung anzupassen.