Fundstelle GVBl. 2011 S. 678

Download

Hash-Prüfsumme der PDF-Datei (sha256): 7e6b3eda2e687502b2c70042fe6b03d63fa8295dc9b7523e73a41621014abcaf

Gesetz

312-1-J
  • Rechtspflege
  • Verfahren vor den ordentlichen Gerichten
  • Strafverfahren, Strafvollzug
  • Untersuchungshaft
312-1-J

Gesetz
über den Vollzug der Untersuchungshaft
(Bayerisches Untersuchungshaftvollzugsgesetz –
BayUVollzG)

Vom 20. Dezember 2011


Der Landtag des Freistaates Bayern hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit bekannt gemacht wird:


Inhaltsübersicht


Teil 1

Anwendungsbereich

Art.   1
Anwendungsbereich


Teil 2

Grundsätze

Art.   2
Zweck der Untersuchungshaft
Art.   3
Stellung der Untersuchungsgefangenen
Art.   4
Gestaltung des Vollzugs
Art.   5
Trennung des Vollzugs
Art.   6
Zuständigkeit
Art.   7
Zusammenwirken der beteiligten Stellen


Teil 3

Vollzugsverlauf

Art.   8
Aufnahme in die Anstalt
Art.   9
Verlegung, Überstellung
Art. 10
Beendigung der Untersuchungshaft


Teil 4

Gestaltung des Lebens in der Anstalt

Art. 11
Unterbringung
Art. 12
Beschäftigung, Bildungsmaßnahmen
Art. 13
Freizeit
Art. 14
Lebenshaltung


Teil 5

Verkehr mit der Außenwelt

Art. 15
Recht auf Besuch
Art. 16
Zulassung zum Besuch
Art. 17
Überwachung von Besuchen
Art. 18
Recht auf Schriftwechsel
Art. 19
Überwachung des Schriftwechsels, Weiterleitung und Aufbewahrung von Schreiben
Art. 20
Anhalten von Schreiben
Art. 21
Telekommunikation
Art. 22
Verkehr mit Verteidigern sowie besonderen Stellen
Art. 23
Pakete
Art. 24
Vorführung, Ausführung, Ausantwortung


Teil 6

Gesundheitliche und soziale Betreuung

Art. 25
Gesundheitsfürsorge
Art. 26
Soziale Hilfe


Teil 7

Besondere Maßnahmen

Art. 27
Besondere Sicherungsmaßnahmen
Art. 28
Disziplinarmaßnahmen


Teil 8

Vorschriften für junge Untersuchungsgefangene

Art. 29
Anwendungsbereich
Art. 30
Gestaltung des Vollzugs
Art. 31
Ausstattung des Vollzugs
Art. 32
Verkehr mit der Außenwelt
Art. 33
Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung; Arbeit
Art. 34
Trennung des Vollzugs
Art. 35
Wohngruppe
Art. 36
Freizeitgestaltung
Art. 37
Gefangenenvertretung
Art. 38
Gesundheitsfürsorge
Art. 39
Besonderheit bei Einzelhaft
Art. 40
Erzieherische Maßnahmen, Disziplinarmaßnahmen


Teil 9

Ergänzende Anwendung anderer Gesetze

Art. 41
Datenschutz
Art. 42
Geltung sonstiger Vorschriften des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes


Teil 10

Schlussvorschriften

Art. 43
Einschränkung von Grundrechten
Art. 44
Regelungsumfang
Art. 45
Inkrafttreten



Teil 1

Anwendungsbereich


Art. 1

Anwendungsbereich

(1) 1Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Untersuchungshaft nach §§ 112, 112a, 127b Abs. 2, § 230 Abs. 2, §§ 236, 329 Abs. 4 Satz 1, § 412 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) sowie § 72 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG). 2Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten entsprechend für den Vollzug

1.
der in § 275a Abs. 6 und § 453c StPO geregelten freiheitsentziehenden Maßnahmen,

2.
der Haft auf Grund vorläufiger Festnahme nach § 127 StPO, die in einer Justizvollzugsanstalt vollzogen wird, soweit es mit der Eigenart dieser Haft vereinbar ist,

3.
der einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO, soweit diese in einer Justizvollzugsanstalt vollzogen wird.

3Der Vollzug der einstweiligen Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt ist nur für einen Zeitraum von 24 Stunden und nur dann zulässig, wenn eine sofortige Überführung in ein psychiatrisches Krankenhaus oder eine Entziehungsanstalt nicht möglich ist; in diesem Fall sind alle Sicherungsmaßnahmen zu treffen, die sich aus dem Zweck der Anordnung der einstweiligen Unterbringung ergeben.

(2) Die Untersuchungshaft wird in Justizvollzugsanstalten nach Art. 165 des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes (BayStVollzG), vorrangig in einer besonderen Abteilung, vollzogen.



Teil 2

Grundsätze


Art. 2

Zweck der Untersuchungshaft

Der Vollzug der Untersuchungshaft dient dem Zweck, durch sichere Unterbringung der Untersuchungsgefangenen die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und den in den gesetzlichen Haftgründen zum Ausdruck kommenden Gefahren zu begegnen.


Art. 3

Stellung der Untersuchungsgefangenen

(1) Die Untersuchungsgefangenen gelten als unschuldig und sind entsprechend zu behandeln.

(2) Annehmlichkeiten und Beschäftigungen dürfen sie sich auf ihre Kosten verschaffen, soweit sie mit dem Zweck der Untersuchungshaft vereinbar sind und nicht die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt stören.

(3) Soweit Bundes- oder Landesrecht eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen den Untersuchungsgefangenen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit, zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt oder zur Umsetzung von Anordnungen nach § 119 StPO zur Bekämpfung einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr (verfahrenssichernde Anordnungen) unerlässlich sind.

(4) Die Beschränkungen müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Anordnung stehen und dürfen die Untersuchungsgefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

(5) Das Verteidigungsinteresse der Untersuchungsgefangenen ist angemessen zu berücksichtigen.


Art. 4

Gestaltung des Vollzugs

(1) Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen, soweit der Zweck der Untersuchungshaft und die Erfordernisse eines geordneten Zusammenlebens in der Anstalt dies zulassen.

(2) 1Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken. 2Den Untersuchungsgefangenen sollen Hilfen zur Verbesserung ihrer sozialen Situation angeboten werden, soweit es die besonderen Bedingungen der Untersuchungshaft zulassen. 3Dem Erkennen von Suizidabsichten und der Verhütung von Selbsttötungen kommt eine besondere Bedeutung zu.

(3) Die Persönlichkeit der Untersuchungsgefangenen ist zu achten und ihr Ehrgefühl zu schonen.


Art. 5

Trennung des Vollzugs

(1) 1Die Untersuchungsgefangenen dürfen nicht mit Gefangenen anderer Haftarten in demselben Raum untergebracht werden. 2Sie sind auch sonst von Gefangenen anderer Haftarten zu trennen. 3Art. 11 Abs. 2 bleibt unberührt. 4Ausnahmen sind zulässig, wenn die Untersuchungsgefangenen zustimmen. 5Ausnahmen sind ferner jeweils vorübergehend zulässig, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder anderen dringenden Gründen der Vollzugsorganisation erforderlich ist.

(2) 1Männliche und weibliche Untersuchungsgefangene sind getrennt voneinander in gesonderten Anstalten oder Abteilungen unterzubringen. 2Ausnahmen sind zulässig, um den Untersuchungsgefangenen die Teilnahme an Behandlungsangeboten in einer anderen Anstalt oder einer anderen Abteilung zu ermöglichen.


Art. 6

Zuständigkeit

Die nach diesem Gesetz notwendigen Entscheidungen trifft der Anstaltsleiter oder die Anstaltsleiterin unter Beachtung der Belange des Strafverfahrens.


Art. 7

Zusammenwirken der beteiligten Stellen

(1) Der Anstaltsleiter oder die Anstaltsleiterin hat verfahrenssichernde Anordnungen zu beachten und umzusetzen.

(2) 1Der Anstaltsleiter oder die Anstaltsleiterin unterrichtet das Gericht oder die Staatsanwaltschaft über Erkenntnisse oder Maßnahmen, die aus Sicht der Anstalt für das Verfahren von Bedeutung sein können. 2Die beteiligten Stellen arbeiten eng zusammen, um den Zweck des Untersuchungshaftvollzugs zu erfüllen und die Sicherheit und Ordnung der Anstalt sowie die Wahrung der Rechte der Untersuchungsgefangenen zu gewährleisten.



Teil 3

Vollzugsverlauf


Art. 8

Aufnahme in die Anstalt

(1) Die Untersuchungsgefangenen werden auf Grund eines schriftlichen Aufnahmeersuchens in die nach dem Vollstreckungsplan (Art. 42 Satz 1 in Verbindung mit Art. 174 BayStVollzG) zuständige Anstalt aufgenommen, soweit das Gericht nicht im Einzelfall eine andere Anstalt bestimmt hat.

(2) 1Die neu aufgenommenen Untersuchungsgefangenen werden über ihre Rechte und Pflichten in einer für sie verständlichen Form unterrichtet. 2Mit ihnen wird ein Zugangsgespräch geführt. 3Die Untersuchungsgefangenen werden alsbald ärztlich untersucht. 4Sie werden auf die Möglichkeit von Hilfen durch die Fachdienste des Art. 42 Satz 1 in Verbindung mit Art. 178, 181 und 182 BayStVollzG hingewiesen.

(3) Beim Aufnahmeverfahren ist das Persönlichkeitsrecht der Untersuchungsgefangenen in besonderem Maße zu wahren.


Art. 9

Verlegung, Überstellung

(1) Untersuchungsgefangene können in eine andere Anstalt verlegt oder überstellt werden, wenn es aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, der Vollzugsorganisation oder anderen wichtigen Gründen erforderlich ist.

(2) Art. 67 BayStVollzG gilt entsprechend.

(3) 1Vor einer Verlegung oder Überstellung ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 2Hiervon kann bei Gefahr im Verzug abgesehen werden; in diesem Fall sind das Gericht und die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.

(4) 1Die Verteidigung ist von einer Verlegung oder Überstellung unverzüglich zu unterrichten. 2Den Untersuchungsgefangenen ist vor ihrer Verlegung oder Überstellung Gelegenheit zu geben, Angehörige oder eine Vertrauensperson zu benachrichtigen, soweit die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt dadurch nicht gefährdet wird.


Art. 10

Beendigung der Untersuchungshaft

(1) Auf Anordnung des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft gemäß § 120 Abs. 3 Satz 2 StPO entlässt der Anstaltsleiter oder die Anstaltsleiterin die Untersuchungsgefangenen unverzüglich aus der Haft, es sei denn, es ist in anderer Sache eine richterlich angeordnete Freiheitsentziehung zu vollziehen.

(2) 1Aus fürsorgerischen Gründen und auf Kosten der Anstalt kann Untersuchungsgefangenen auf Antrag der freiwillige Verbleib in der Anstalt bis zum Vormittag des zweiten auf den Eingang der Entlassungsanordnung folgenden Werktags gestattet werden. 2Der freiwillige Verbleib setzt das schriftliche Einverständnis der Untersuchungsgefangenen voraus, dass die bisher bestehenden Beschränkungen bis zur Entlassung aufrechterhalten bleiben. 3Ein Widerruf des Antrags darf nicht zur Unzeit erfolgen.

(3) 1Bei Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe, Sicherungsverwahrung oder Strafarrest, bei denen die Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, sind die Untersuchungsgefangenen mit Rechtskraft des Urteils nach den Vorschriften des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes zu behandeln, soweit sich dies schon vor der Aufnahme zum Strafvollzug durchführen lässt. 2Der Anstaltsleiter oder die Anstaltsleiterin wirkt auf eine umgehende Verlegung in die zuständige Anstalt hin. 3Satz 1 gilt nicht, wenn auf Grund eines anderen Haftbefehls weiterhin Untersuchungshaft zu vollziehen ist.

(4) Abs. 3 gilt bei rechtskräftiger Anordnung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel nach § 63 oder § 64 des Strafgesetzbuchs (StGB) entsprechend.



Teil 4

Gestaltung des Lebens in der Anstalt


Art. 11

Unterbringung

(1) 1Während der Ruhezeit werden die Untersuchungsgefangenen allein in ihren Hafträumen untergebracht. 2Mit ihrer Zustimmung können sie mit anderen Untersuchungsgefangenen gemeinsam untergebracht werden. 3Auch ohne ihre Zustimmung ist eine vorübergehende gemeinsame Unterbringung zulässig,

1.
bei Gefahr für Leben oder Gesundheit oder bei Hilfsbedürftigkeit von Untersuchungsgefangenen oder

2.
wenn und solange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies zwingend erfordern.

4Art. 5 Abs. 1 bleibt unberührt.

(2) Den Untersuchungsgefangenen kann Gelegenheit gegeben werden, sich außerhalb der Ruhezeiten in Gemeinschaft mit anderen Gefangenen, auch anderer Haftarten, aufzuhalten, soweit es die räumlichen, personellen und organisatorischen Verhältnisse der Anstalt gestatten.

(3) Soweit es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert, kann

1.
die gemeinschaftliche Unterbringung während der Ruhezeit eingeschränkt oder ausgeschlossen werden,

2.
der gemeinschaftliche Aufenthalt außerhalb der Ruhezeit eingeschränkt oder ausgeschlossen werden sowie

3.
die Trennung von einzelnen anderen Gefangenen angeordnet werden.

(4) Art. 20 Abs. 3 BayStVollzG gilt entsprechend.


Art. 12

Beschäftigung, Bildungsmaßnahmen

(1) Die Untersuchungsgefangenen sind nicht zur Arbeit oder zu einer sonstigen Beschäftigung verpflichtet.

(2) 1Ihnen soll auf Verlangen nach Möglichkeit eine wirtschaftlich ergiebige Arbeit angeboten werden, die ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigt. 2Untersuchungsgefangenen, die zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit nicht fähig sind, kann eine sonstige geeignete Beschäftigung angeboten werden. 3Die Untersuchungsgefangenen können sich auf ihre Kosten innerhalb der Anstalt selbst beschäftigen, soweit die Selbstbeschäftigung nicht die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt beeinträchtigt. 4Mit ihrer Zustimmung können Untersuchungsgefangene zu Hilfstätigkeiten in der Anstalt herangezogen werden.

(3) 1Üben die Untersuchungsgefangenen eine ihnen angebotene Arbeit, Beschäftigung oder Hilfstätigkeit aus, so erhalten sie ein nach Art. 46 Abs. 2 bis 5 BayStVollzG sowie der Verordnung über die Vergütungsstufen des Arbeitsentgelts und der Ausbildungsbeihilfe nach dem Bayerischen Strafvollzugsgesetz (Bayerische Strafvollzugsvergütungsverordnung – BayStVollzVergV) vom 15. Januar 2008 (GVBl S. 25, BayRS 312-2-3-J) in der jeweils geltenden Fassung zu bemessendes und bekannt zu gebendes Arbeitsentgelt. 2Der Bemessung des Arbeitsentgelts sind 9 v.H. der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch zugrunde zu legen (Eckvergütung).

(4) 1Geeigneten Untersuchungsgefangenen kann Gelegenheit zum Erwerb oder zur Verbesserung schulischer und beruflicher Kenntnisse gegeben werden, soweit es die besonderen Bedingungen der Untersuchungshaft zulassen. 2Art. 41 BayStVollzG gilt entsprechend.

(5) Art. 39 Abs. 5 und Art. 44 BayStVollzG gelten entsprechend.


Art. 13

Freizeit

(1) 1Den Untersuchungsgefangenen ist Gelegenheit zu geben, sich in ihrer Freizeit zu beschäftigen. 2Insbesondere sollen Sportmöglichkeiten, Freizeitgruppen, Gemeinschaftsveranstaltungen, Veranstaltungen zur Weiterbildung und die Benutzung einer Anstaltsbücherei angeboten werden. 3Dieses Recht kann eingeschränkt oder aufgehoben werden, soweit die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet ist.

(2) 1Die Untersuchungsgefangenen dürfen durch Vermittlung der Anstalt auf eigene Kosten in angemessenem Umfang Zeitungen und Zeitschriften beziehen. 2Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. 3Einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen oder Zeitschriften können den Untersuchungsgefangenen vorenthalten werden, wenn sie die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefährden würden.

(3) 1Die Untersuchungsgefangenen dürfen durch Vermittlung der Anstalt auf eigene Kosten im Haftraum ein eigenes Hörfunk- und Fernsehgerät unter Rücksichtnahme auf die Belange der Mitgefangenen betreiben. 2Der Hörfunk- und Fernsehempfang kann vorübergehend ausgesetzt oder einzelnen Untersuchungsgefangenen untersagt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerlässlich ist.

(4) 1Die Untersuchungsgefangenen dürfen durch Vermittlung der Anstalt in angemessenem Umfang Bücher und andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung besitzen. 2Dieses Recht kann eingeschränkt oder aufgehoben werden, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstands

1.
mit Strafe oder Geldbuße bedroht wäre oder

2.
die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würde.

(5) Art. 73 BayStVollzG gilt entsprechend.


Art. 14

Lebenshaltung

(1) 1Die Untersuchungsgefangenen dürfen eigene Kleidung und Wäsche tragen sowie eigenes Bettzeug benutzen, soweit sie auf eigene Kosten für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel sorgen. 2Hierzu dürfen für die Untersuchungsgefangenen Kleidung, Wäsche und Bettzeug in der Anstalt abgegeben und dort abgeholt werden. 3Der Anstaltsleiter oder die Anstaltsleiterin kann anordnen, dass Reinigung und Instandsetzung nur durch Vermittlung der Anstalt erfolgen dürfen.

(2) Die Untersuchungsgefangenen dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten, die ihnen mit Zustimmung oder auf Vermittlung der Anstalt überlassen worden sind.

(3) 1Sie dürfen durch Vermittlung der Anstalt regelmäßig Nahrungs- und Genussmittel sowie andere Gegenstände des persönlichen Bedarfs in angemessenem Umfang kaufen. 2Die Anstalt soll für ein Einkaufsangebot sorgen, das auf Wünsche und Bedürfnisse der Untersuchungsgefangenen Rücksicht nimmt.

(4) 1Die Untersuchungsgefangenen dürfen sich in angemessener Weise auf eigene Kosten durch Vermittlung der Anstalt selbst verpflegen. 2Die Verpflegung darf nur von Speise- oder Gastwirtschaften bezogen werden, die der Anstaltsleiter oder die Anstaltsleiterin bestimmt.

(5) Soweit es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert, können

1.
die Rechte aus Abs. 1 ausgeschlossen oder eingeschränkt und

2.
die in Abs. 2, 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 genannten Rechte eingeschränkt werden.

(6) Art. 24 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BayStVollzG gelten entsprechend.



Teil 5

Verkehr mit der Außenwelt


Art. 15

Recht auf Besuch

(1) 1Die Untersuchungsgefangenen dürfen im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes regelmäßig Besuch empfangen. 2Die Gesamtdauer beträgt mindestens zwei Stunden im Monat. 3Soweit Satz 2 in der Anstalt erhebliche räumliche, personelle oder organisatorische Gründe entgegen stehen, beträgt die Gesamtdauer mindestens eine Stunde im Monat. 4Das Weitere regelt die Hausordnung.

(2) In den ersten drei Monaten nach Aufnahme in die Anstalt gilt die Mindestbesuchsdauer von zwei Stunden im Monat uneingeschränkt.


Art. 16

Zulassung zum Besuch

(1) 1Aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt kann die Zulassung von Personen zum Besuch davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucher durchsuchen oder mit technischen Mitteln oder sonstigen Hilfsmitteln auf verbotene Gegenstände absuchen lassen. 2Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt kann die Anzahl der gleichzeitig zu einem Besuch zugelassenen Personen beschränkt werden.

(2) Der Anstaltsleiter oder die Anstaltsleiterin kann die Zulassung zum Besuch versagen oder von der Befolgung von Weisungen abhängig machen, wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert.


Art. 17

Überwachung von Besuchen

(1) 1Besuche dürfen aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überwacht werden, es sei denn, es liegen im Einzelfall Erkenntnisse dafür vor, dass es der Überwachung nicht bedarf. 2Die Überwachung und Aufzeichnung mit technischen Mitteln ist zulässig, wenn die Besucher und die Untersuchungsgefangenen vor dem Besuch darauf hingewiesen werden. 3Die Aufzeichnungen sind spätestens nach Ablauf eines Monats zu löschen.

(2) 1Die Unterhaltung darf nur überwacht werden, soweit dies im Einzelfall aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist. 2Abs. 1 Satz 2 ist nicht anwendbar.

(3) 1Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis des Anstaltsleiters oder der Anstaltsleiterin übergeben werden. 2Zur Verhinderung der Übergabe von unerlaubten Gegenständen kann im Einzelfall angeordnet werden, dass der Besuch unter Verwendung einer Trennvorrichtung abzuwickeln ist.

(4) Besuche dürfen abgebrochen werden, wenn auf Grund des Verhaltens der Besucher oder der Untersuchungsgefangenen eine Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt droht; im Übrigen gilt Art. 30 Abs. 4 BayStVollzG entsprechend.


Art. 18

Recht auf Schriftwechsel

(1) 1Die Untersuchungsgefangenen haben das Recht, im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes unbeschränkt Schreiben abzusenden und zu empfangen. 2Art. 31 Abs. 2 Nr. 1 BayStVollzG gilt entsprechend.

(2) 1Die Kosten des Schriftverkehrs tragen die Untersuchungsgefangenen. 2Sind die Untersuchungsgefangenen dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt auf Antrag die Kosten in angemessenem Umfang übernehmen; dies betrifft insbesondere Schriftverkehr mit Ehegatten, Lebenspartnern und Verteidigern.


Art. 19

Überwachung des Schriftwechsels, Weiterleitung und Aufbewahrung von Schreiben

(1) Ein- und ausgehende Schreiben werden überwacht.

(2) Von der Überwachung des gedanklichen Inhalts ein- und ausgehender Schreiben (Textkontrolle) wird abgesehen, wenn eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht zu befürchten ist.

(3) Für die Ausnahmen von der Überwachung gilt Art. 32 Abs. 2 BayStVollzG entsprechend.

(4) Art. 33 BayStVollzG gilt entsprechend.


Art. 20

Anhalten von Schreiben

(1) Schreiben können angehalten werden, wenn

1.
es die Sicherheit oder Ordnung einer Anstalt erfordert,

2.
die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,

3.
sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthalten,

4.
sie grobe Beleidigungen enthalten,

5.
sie die Eingliederung anderer Gefangener gefährden können oder

6.
sie in Geheimschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind; ein zwingender Grund zur Abfassung eines Schreibens in einer fremden Sprache liegt in der Regel nicht vor bei einem Schriftwechsel zwischen deutschen Untersuchungsgefangenen und Dritten, die die deutsche Staatsangehörigkeit oder ihren Lebensmittelpunkt im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben.

(2) Entscheidungen nach Abs. 1 sind den betroffenen Untersuchungsgefangenen mitzuteilen.

(3) Soweit angehaltene Schreiben nicht nach §§ 94 und 98 StPO beschlagnahmt werden, werden sie behördlich verwahrt oder an den Absender zurückgegeben.

(4) Art. 34 Abs. 2 BayStVollzG gilt entsprechend.

(5) Schreiben, deren Überwachung nach Art. 19 Abs. 3 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.


Art. 21

Telekommunikation

(1) 1Die Untersuchungsgefangenen dürfen mit Erlaubnis des Anstaltsleiters oder der Anstaltsleiterin in dringenden Fällen Telefongespräche führen, soweit die Sicherheit und Ordnung sowie die räumlichen, personellen und organisatorischen Verhältnisse der Anstalt dem nicht entgegenstehen. 2Ein Telefongespräch möglichst zeitnah nach der Aufnahme in die Anstalt soll zugelassen werden.

(2) 1Art. 16 Abs. 2, Art. 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 sowie Art. 18 Abs. 2 gelten entsprechend. 2Bei einer Überwachung von Telefongesprächen gelten Art. 35 Abs. 1 Sätze 3 und 4 BayStVollzG entsprechend.

(3) Ein Anspruch auf die Nutzung anderer Formen der Telekommunikation besteht nicht.

(4) Art. 35 Abs. 3 BayStVollzG gilt entsprechend.


Art. 22

Verkehr mit Verteidigern sowie besonderen Stellen

(1) 1Mit ihren Verteidigern dürfen die Untersuchungsgefangenen ohne Beschränkung und Überwachung schriftlich und mündlich verkehren. 2Für Besuche von Verteidigern gilt Art. 15 Abs. 1 Satz 4 entsprechend. 3Nicht überwachte Telefongespräche mit Verteidigern sollen unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 zugelassen werden; Art. 18 Abs. 2 und Art. 21 Abs. 3 gelten entsprechend. 4Art. 19 Abs. 1 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die Schreiben nicht geöffnet werden dürfen. 5Art. 16 Abs. 1 Satz 1 gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Kenntnisnahme des gedanklichen Inhalts der von den Verteidigern mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen unzulässig ist. 6Für deren Übergabe bedürfen sie keiner Erlaubnis nach Art. 17 Abs. 3 Satz 1. 7§ 148 Abs. 2, § 148a StPO bleiben unberührt; diese Vorschriften gelten entsprechend, wenn gegen Untersuchungsgefangene wegen einer Straftat nach § 129a StGB, auch in Verbindung mit § 129b StGB, Überhaft vorgemerkt ist.

(2) Für den Verkehr von Untersuchungsgefangenen, die unter Bewährungs- oder Führungsaufsicht stehen oder über die ein Bericht der Gerichtshilfe angefordert ist, mit den Bediensteten der Bewährungshilfe, der Führungsaufsichtsstelle oder der Gerichtshilfe gilt Abs. 1 entsprechend.

(3) Für Besuche von Rechtsanwälten und Notaren in einer die Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache gelten Art. 29 Sätze 1 und 2, Art. 30 Abs. 6 Satz 2 BayStVollzG entsprechend.


Art. 23

Pakete

(1) 1Die Untersuchungsgefangenen dürfen Pakete absenden und empfangen. 2Für den Ausschluss von Gegenständen gelten Art. 24 Abs. 2 Satz 1, Art. 36 Abs. 1 Satz 3 BayStVollzG sowie Art. 18 Abs. 2 entsprechend.

(2) 1Der Paketverkehr bedarf der vorherigen Erlaubnis. 2Der Anstaltsleiter oder die Anstaltsleiterin kann die Erlaubnis versagen oder einschränken, wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert. 3Bei nachträglichem Eintreten oder Bekanntwerden solcher Umstände kann die Erlaubnis aufgehoben oder eingeschränkt werden.

(3) 1Ein- und ausgehende Pakete werden überwacht. 2Art. 33 Abs. 1 und Art. 36 Abs. 2 BayStVollzG gelten entsprechend.

(4) 1Pakete oder einzelne darin enthaltene Gegenstände können angehalten werden, wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert. 2Art. 20 Abs. 2 gilt entsprechend.


Art. 24

Vorführung, Ausführung, Ausantwortung

(1) 1Vorführungen in dem der Inhaftierung zugrunde liegenden Strafverfahren erfolgen auf Anordnung des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft. 2Über Vorführungsersuchen in anderen Verfahren sind das Gericht und die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.

(2) 1Aus wichtigem Anlass können Untersuchungsgefangene auf ihren Antrag ausgeführt werden. 2Ausführungen zur Befolgung einer gerichtlichen Ladung sind zu ermöglichen, soweit darin das persönliche Erscheinen der Untersuchungsgefangenen angeordnet ist oder die Untersuchungsgefangenen als Zeugen geladen sind.

(3) Untersuchungsgefangene dürfen auch ohne ihre Zustimmung ausgeführt werden, wenn dies aus vollzuglichen Gründen notwendig ist.

(4) 1Die Kosten von Vorführungen und Ausführungen, die auf Antrag der Untersuchungsgefangenen oder überwiegend in deren Interesse durchgeführt werden, tragen in der Regel die Untersuchungsgefangenen; dies gilt auch, soweit den Untersuchungsgefangenen hinsichtlich der Kosten von Vorführungen und Ausführungen ein Erstattungsanspruch zusteht. 2Die Höhe der Kosten sonstiger Vorführungen und Ausführungen, soweit sie Teil der Kosten des Strafverfahrens sind, teilt die Anstalt der Vollstreckungsbehörde mit.

(5) Untersuchungsgefangene dürfen zur Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere zum Zweck der Vernehmung oder der Gegenüberstellung, befristet dem Gewahrsam einer Polizei-, Zoll- oder Finanzbehörde überlassen werden.

(6) 1Vor Maßnahmen nach Abs. 2, 3 oder 5 ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 2Hiervon kann bei Gefahr im Verzug abgesehen werden; in diesem Fall sind das Gericht und die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.


Teil 6

Gesundheitliche und soziale Betreuung


Art. 25

Gesundheitsfürsorge

(1) 1Art. 58 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3, Art. 59 bis 61, 63, 66 und 68 BayStVollzG über die Gesundheitsfürsorge und Krankenbehandlung, den Aufenthalt im Freien und über die Pflichten zur Benachrichtigung bei Erkrankung oder im Todesfall gelten entsprechend. 2Über Satz 1 in Verbindung mit Art. 66 BayStVollzG hinaus soll Untersuchungsgefangenen, die an keiner Beschäftigung oder Bildungsmaßnahme nach Art. 12 teilnehmen, täglich eine weitere Stunde Aufenthalt im Freien ermöglicht werden, soweit es die räumlichen, personellen und organisatorischen Verhältnisse der Anstalt gestatten.

(2) 1Nach Anhörung des Anstaltsarztes oder der Anstaltsärztin kann den Untersuchungsgefangenen auf ihren Antrag gestattet werden, auf eigene Kosten externen ärztlichen Rat einzuholen. 2Die Konsultation erfolgt in der Regel in der Anstalt. 3Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn die betroffenen Untersuchungsgefangenen die gewählte ärztliche Vertrauensperson und den Anstaltsarzt oder die Anstaltsärztin nicht wechselseitig von der Schweigepflicht entbinden oder wenn es zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

(3) 1Für Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge gilt Art. 108 BayStVollzG entsprechend. 2Zuvor ist dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 3Hiervon kann bei Gefahr im Verzug abgesehen werden; in diesem Fall sind das Gericht, die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung unverzüglich zu unterrichten.


Art. 26

Soziale Hilfe

(1) 1Den Untersuchungsgefangenen sind nach Möglichkeit bei der Aufnahme, während des Vollzugs der Untersuchungshaft und bei der Entlassung soziale Hilfen in der Anstalt anzubieten, um zur Lösung ihrer persönlichen Schwierigkeiten beizutragen. 2Die Hilfe soll darauf gerichtet sein, die Untersuchungsgefangenen in die Lage zu versetzen, ihre Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu regeln.

(2) 1Alsbald nach der Aufnahme sind die Untersuchungsgefangenen über die Hilfeangebote zu unterrichten. 2Art. 77 und 78 Abs. 1 BayStVollzG gelten entsprechend.

(3) 1Die Beratung soll die Benennung von Stellen und Einrichtungen außerhalb der Anstalt umfassen, die sich um eine Vermeidung der weiteren Untersuchungshaft bemühen oder Hilfen in besonderen sozialen oder gesundheitlichen Problemlagen anbieten. 2Auf Wunsch sind den Untersuchungsgefangenen Stellen und Einrichtungen zu benennen, die sie in ihrem Bemühen unterstützen können, einen Ausgleich mit dem Tatopfer zu erreichen.

(4) Die Anstalten arbeiten mit außervollzuglichen Einrichtungen und Organisationen sowie mit Personen und Vereinen, die soziale Hilfestellung leisten können, eng zusammen.



Teil 7

Besondere Maßnahmen


Art. 27

Besondere Sicherungsmaßnahmen

In entsprechender Anwendung der Art. 94, 96 bis 100 BayStVollzG können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden.


Art. 28

Disziplinarmaßnahmen

(1) 1Verstoßen Untersuchungsgefangene schuldhaft gegen verfahrenssichernde Beschränkungen nach § 119 Abs. 1 StPO oder gegen Pflichten, die ihnen durch dieses Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes auferlegt sind, können gegen sie Disziplinarmaßnahmen angeordnet werden. 2Art. 109 Abs. 2 und 3, Art. 110, 111 Abs. 1, 2 und 4 sowie Art. 112 bis 114 BayStVollzG gelten entsprechend. 3Art. 111 Abs. 5 BayStVollzG gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Befugnisse aus Art. 11 bis 14 ruhen, soweit nichts anderes angeordnet wird.

(2) 1Durch die Anordnung und den Vollzug einer Disziplinarmaßnahme dürfen die Verteidigung und die Verhandlungsfähigkeit der Untersuchungsgefangenen nicht beeinträchtigt werden. 2Die Verteidigung ist von der Anordnung einer Disziplinarmaßnahme unverzüglich zu unterrichten. 3Eine Disziplinarmaßnahme kann ganz oder zum Teil auch während einer der Untersuchungshaft unmittelbar nachfolgenden Untersuchungshaft, Strafhaft oder Sicherungsverwahrung oder einem unmittelbar nachfolgenden Strafarrest vollzogen werden.



Teil 8

Vorschriften für junge Untersuchungsgefangene


Art. 29

Anwendungsbereich

Die Vorschriften des Teils 8 finden nach Maßgabe von § 89c JGG auf Untersuchungsgefangene, die zur Tatzeit das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, ergänzend Anwendung, solange sie das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (junge Untersuchungsgefangene).


Art. 30

Gestaltung des Vollzugs

(1) Der Vollzug der Untersuchungshaft an jungen Untersuchungsgefangenen soll erzieherisch gestaltet werden.

(2) 1Hierzu sollen den jungen Untersuchungsgefangenen neben altersgemäßen Beschäftigungs-, Bildungs- und Freizeitmöglichkeiten auch sonstige entwicklungsfördernde Hilfestellungen angeboten werden. 2Die Bereitschaft zur Annahme der Angebote ist zu wecken und zu fördern.

(3) 1Die jungen Untersuchungsgefangenen unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. 2Soweit dieses Gesetz Beschränkungen vorsieht, können diese jungen Untersuchungsgefangenen auch auferlegt werden, soweit es dringend geboten ist, um sie vor einer Gefährdung ihrer Entwicklung zu bewahren.

(4) 1Die Personensorgeberechtigten sind von der Inhaftierung, der Verlegung und der Entlassung minderjähriger Untersuchungsgefangener unverzüglich zu unterrichten, soweit sie noch keine Kenntnis davon haben. 2Auf Antrag sind sie über grundlegende Fragen der Vollzugsgestaltung nach Abs. 1 zu unterrichten; gleichzeitig soll ihnen die Gelegenheit gegeben werden, hierzu Anregungen zu geben.

(5) Art. 128 Satz 2 und Art. 131 Abs. 4 Satz 1 BayStVollzG gelten entsprechend.

(6) Art. 126 Abs. 1 und Art. 127 BayStVollzG gelten entsprechend, soweit Zweck und Eigenart der Untersuchungshaft nicht entgegenstehen.


Art. 31

Ausstattung des Vollzugs

Personelle Ausstattung, sachliche Mittel und Organisation der Einrichtungen des Vollzugs der Untersuchungshaft an jungen Untersuchungsgefangenen werden an den Inhalten der Vollzugsgestaltung ausgerichtet.


Art. 32

Verkehr mit der Außenwelt

(1) 1Abweichend von Art. 15 Abs. 1 beträgt die Gesamtdauer des Besuchs für junge Untersuchungsgefangene mindestens vier Stunden im Monat. 2Besuche von Personensorgeberechtigten der jungen Untersuchungsgefangenen werden grundsätzlich nicht auf die Regelbesuchszeiten angerechnet, wenn dies dem Erziehungsauftrag dient. 3Art. 144 Abs. 3 BayStVollzG gilt entsprechend.

(2) Besuche bei minderjährigen Untersuchungsgefangenen, ihr Schriftwechsel, ihre Telefongespräche und ihr Paketverkehr mit bestimmten Personen können zusätzlich zu den Voraussetzungen der Art. 16, 20, 21 und 23 auch unterbunden werden, wenn die Personensorgeberechtigten nicht einverstanden sind.

(3) Für den Verkehr mit Betreuungspersonen, Erziehungsbeiständen, Beiständen nach § 69 JGG und Personen, die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe wahrnehmen, gilt Art. 22 Abs. 1 entsprechend.


Art. 33

Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung; Arbeit

(1) Schulpflichtige junge Untersuchungsgefangene nehmen in der Anstalt am allgemein- oder berufsbildenden Unterricht in Anlehnung an die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften teil, soweit die räumlichen und organisatorischen Verhältnisse der Anstalt dies zulassen.

(2) Junge Untersuchungsgefangene sind nach den Vorgaben der Anstalt zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Maßnahmen oder zu arbeitstherapeutischer oder sonstiger Beschäftigung verpflichtet, soweit sie dazu körperlich und geistig in der Lage sind.

(3) Junge Untersuchungsgefangene, die nicht an Maßnahmen nach Abs. 2 teilnehmen, sind aus erzieherischen Gründen zur Arbeit verpflichtet, soweit sie dazu körperlich und geistig in der Lage sind.

(4) 1Art. 149 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 2 und Art. 46 Abs. 5 BayStVollzG über das Arbeitsentgelt und die Ausbildungsbeihilfe sowie die Bayerische Strafvollzugsvergütungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung gelten entsprechend. 2Vier Siebtel des Arbeitsentgelts oder der Ausbildungsbeihilfe sind wie Überbrückungsgeld nach Art. 150 Nr. 2 BayStVollzG in Verbindung mit Art. 51 BayStVollzG zu behandeln.

(5) 1Für die in Abs. 1 bis 3 geregelten Maßnahmen gilt Art. 138 Abs. 1 BayStVollzG entsprechend. 2Art. 11 Abs. 3 bleibt unberührt.


Art. 34

Trennung des Vollzugs

(1) Bei jungen Untersuchungsgefangenen wird die Untersuchungshaft nach Möglichkeit in einer besonderen Abteilung einer Jugendstrafvollzugsanstalt oder einer Anstalt für den Vollzug von Freiheitsstrafe vollzogen.

(2) 1Art. 5 bleibt unberührt. 2Im Übrigen darf von einer getrennten Unterbringung nach Abs. 1 aus den in Art. 5 Abs. 1 Sätzen 4 und 5, Abs. 2 Satz 2 genannten Gründen nur abgewichen werden, wenn eine Vollzugsgestaltung nach Art. 30 Abs. 1 gewährleistet bleibt und die jungen Untersuchungsgefangenen vor schädlichen Einflüssen geschützt werden.


Art. 35

Wohngruppe

1Geeignete junge Untersuchungsgefangene können in Wohngruppen (Art. 140 BayStVollzG) untergebracht werden. 2Art. 11 Abs. 3 bleibt unberührt.


Art. 36

Freizeitgestaltung

Art. 152 Abs. 1 und 2 Sätze 2 und 3 und Art. 153 BayStVollzG gelten entsprechend.


Art. 37

Gefangenenvertretung

Art. 158 BayStVollzG gilt entsprechend.


Art. 38

Gesundheitsfürsorge

Art. 151 BayStVollzG gilt entsprechend.


Art. 39

Besonderheit bei Einzelhaft

Bei Einzelhaft von mehr als drei Monaten in einem Jahr ist der Arzt oder die Ärztin regelmäßig zu hören.


Art. 40

Erzieherische Maßnahmen, Disziplinarmaßnahmen

Art. 155 und 156 BayStVollzG gelten entsprechend.



Teil 9

Ergänzende Anwendung anderer Gesetze


Art. 41

Datenschutz

Art. 196 bis 205 BayStVollzG über den Schutz personenbezogener Daten finden beim Vollzug der Untersuchungshaft mit folgenden Maßgaben entsprechende Anwendung:

1.
Die unter den Voraussetzungen des Art. 197 Abs. 5 Satz 1 BayStVollzG zulässige Mitteilung besteht in der Angabe, ob sich eine Person in der Anstalt in Untersuchungshaft befindet und wie die voraussichtliche Entlassungsadresse lautet. Art. 197 Abs. 5 Satz 2 BayStVollzG findet keine Anwendung.

2.
Bei einer nicht nur vorläufigen Einstellung des Verfahrens, einer unanfechtbaren Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder einem rechtskräftigen Freispruch sind auf Antrag der Untersuchungsgefangenen die Stellen, die eine Mitteilung nach Art. 197 Abs. 5 Satz 1 BayStVollzG erhalten haben, über den Verfahrensausgang in Kenntnis zu setzen. Die Untersuchungsgefangenen sind auf ihr Antragsrecht bei der Anhörung oder der nachträglichen Unterrichtung (Art. 197 Abs. 5 Sätze 3 und 4 BayStVollzG) hinzuweisen.

3.
Die über Untersuchungsgefangene in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten sind in Abweichung von Art. 202 Abs. 1 Satz 1 BayStVollzG, soweit es sich um erkennungsdienstliche Daten im Sinn von Art. 42 Satz 1 in Verbindung mit Art. 93 Abs. 2 Satz 1 BayStVollzG handelt, spätes- tens einen Monat nach der Entlassung, im Übrigen spätestens zwei Jahre nach der Entlassung zu löschen.

4.
Vor einer Auskunft oder Gewährung von Akteneinsicht an die Betroffenen nach Art. 203 BayStVollzG ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.


Art. 42

Geltung sonstiger Vorschriften des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes

1Art. 23, 25, 53, 55 bis 57, 82 bis 86, 88 bis 91, 93, 95, 101 bis 108, 115, 116, 167 bis 182, 184 bis 189, 195 und 206 BayStVollzG über die Anstaltsverpflegung, Sondereinkauf und Sondergeld, die Religionsausübung, weibliche Gefangene, die Sicherheit und Ordnung der Anstalt, den unmittelbaren Zwang, das Beschwerderecht, die Gefangenenmitverantwortung, die Arten und Einrichtung der Justizvollzugsanstalten, die Aufsichtsbehörde, den Vollstreckungsplan, den inneren Aufbau der Anstalten, die Hausordnung, die Anstaltsbeiräte, die kriminologische Forschung, die Akten und die Einbehaltung von Beitragsanteilen finden entsprechende Anwendung, soweit Zweck und Eigenart der Untersuchungshaft nicht entgegenstehen. 2Art. 3 bleibt unberührt.



Teil 10

Schlussvorschriften


Art. 43

Einschränkung von Grundrechten

Auf Grund dieses Gesetzes können die Grundrechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person sowie das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie Art. 10 Abs. 1 des Grundgesetzes, Art. 102 Abs. 1, Art. 112 Abs. 1 und Art. 109 der Verfassung) eingeschränkt werden.


Art. 44

Regelungsumfang

Dieses Gesetz ersetzt im Freistaat Bayern

1.
§ 177 StVollzG,

2.
§ 178 Abs. 1 StVollzG, soweit dort der unmittelbare Zwang im Vollzug der Untersuchungshaft geregelt ist.


Art. 45

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2012 in Kraft.

München, den 20. Dezember 2011

Der Bayerische Ministerpräsident


Horst  S e e h o f e r