Veröffentlichung AllMBl. 2009/10 S. 309 vom 14.08.2009

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Az.: VII/2-7410/160/1
922-W
922-W
 
Leitlinien zur Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007
über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße
 
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums
für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie
 
vom 14. August 2009 Az.: VII/2-7410/160/1
 
 
1.
Vorbemerkung
 
1.1
Am 3. Dezember 2009 tritt die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl L 315 vom 3. Dezember 2007, S. 1, im Folgenden: Verordnung) in Kraft. Mit Inkrafttreten der Verordnung gilt diese unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Soweit das nationale Recht der Verordnung entgegensteht, hat die Verordnung Anwendungsvorrang, wenn in der Verordnung nichts anderes bestimmt ist. Das nationale Recht ist im Lichte des Gemeinschaftsrechtes auszulegen.
 
1.2
Aufgrund anhaltender Kontroversen auf Bundesebene wird eine Anpassung des nationalen Rechtsrahmens an die neuen Anforderungen der Verordnung, insbesondere eine erforderliche Änderung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG), bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht erfolgen.
 
1.3
Die Verkehrsministerkonferenz hat in ihrer Sitzung am 22./23. April 2009 den Arbeitskreis „Öffentlicher Personenverkehr“ der Gemeinsamen Konferenz der Verkehrs- und Straßenbauabteilungsleiter der Länder beauftragt, eine in Grundzügen einheitliche Vorgehensweise und Interpretation der bestehenden Gesetzeslage in den Ländern zu erarbeiten und der Verkehrsministerkonferenz vorzulegen. Der Arbeitskreis „Öffentlicher Personenverkehr“ erarbeitet unter Mitwirkung des Freistaats Bayern mehrheitliche Grundpositionen der Länder.
 
1.4
Unter Berücksichtigung dieser Grundpositionen hat das Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie (StMWIVT) auf Landesebene mit Vertretern der Genehmigungsbehörden nachfolgende Leitlinien erarbeitet. Das Staatsministerium des Innern wurde beteiligt, die betroffenen Verbände wurden angehört.
 
1.5
Diese Leitlinien sollen eine möglichst rechtssichere einheitliche Anwendung des neuen Rechts im Freistaat Bayern gewährleisten. Sie sind für die Genehmigungsbehörden verbindlich und sollen Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen als Handlungsempfehlungen dienen. Diese Leitlinien gelten nicht für Eisenbahnverkehrsleistungen.
 
 
2.
Anwendungsbereich der Verordnung
 
2.1
Die Verordnung greift nur dann ein, wenn die öffentliche Hand intervenieren möchte, insbesondere durch finanzielle Ausgleichsleistungen zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen. Soweit und solange Verkehrsleistungen ohne diese Kompensation durch die öffentliche Hand erbracht werden (kommerzielle Verkehre), greift die Verordnung nicht ein.
 
2.2
Die Gewährung ausschließlicher Rechte im Sinn der Verordnung sieht das deutsche Recht gegenwärtig nicht vor. Aus verfassungsrechtlicher Sicht wäre hierfür als Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) eine Gesetzesgrundlage erforderlich. Die Linienverkehrsgenehmigung nach § 13 PBefG stellt kein ausschließliches Recht für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen in diesem Sinn dar.
 
2.3
Die Verordnung gilt für den Bereich des öffentlichen Personenverkehrs. Hierunter fallen Personenbeförderungsleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die für die Allgemeinheit diskriminierungsfrei und fortlaufend erbracht werden. Nicht betroffen sind daher grundsätzlich freigestellte Schüler- und Werksverkehre. Bei Sonderformen des Linienverkehrs (§ 43 PBefG) ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Verkehrsleistungen für die Allgemeinheit diskriminierungsfrei erbracht werden.
 
2.4
Zuständige Behörden im Sinn der Verordnung sind die Aufgabenträger des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), d. h. die Landkreise und kreisfreien Städte (Art. 8 BayÖPNVG) sowie kreisangehörige Gemeinden, soweit Aufgaben des ÖPNV übertragen worden sind (Art. 9 BayÖPNVG). Zuständige Behörde kann auch eine Gruppe von Behörden sein. Zu denken ist z. B. an Verkehrskooperationen (Art. 7 BayÖPNVG), soweit nur Aufgabenträger an ihnen beteiligt sind, oder an überörtliche Zusammenschlüsse der Aufgabenträger (Art. 10 BayÖPNVG).
 
 
3.
Kommerzielle Verkehre
 
3.1
Kommerzielle Verkehre werden nicht im Rahmen öffentlicher Dienstleistungsaufträge im Sinn der Verordnung erbracht. Kommerzielle Verkehre sind Verkehrsleistungen, die grundsätzlich ohne finanzielle Ausgleichsleistung betrieben werden. Nach der Verordnung ist es unerheblich, ob die öffentlichen Personenverkehrsdienste von öffentlichen oder privaten Verkehrsunternehmen erbracht werden (vgl. Erwägungsgrund 12). Der in der Verordnung verwendete Begriff kommerzieller Verkehr ist nicht identisch mit dem Begriff eigenwirtschaftlicher Verkehr (§ 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG).
 
3.2
Verkehrsdienstleistungen sind entsprechend Nr. 4.3 auch dann als kommerziell im Sinn der Verordnung anzusehen, wenn sie neben Fahrgeldeinnahmen finanziert werden durch:
a)
Ausgleichsleistungen im Ausbildungsverkehr (§ 45a PBefG),
b)
Erstattung der Fahrgeldausfälle für die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter (§ 145 SGB IX) oder
c)
Beihilfen nach primärem Gemeinschaftsrecht nach Art. 9 Abs. 2 der Verordnung.
 
3.3
Dies gilt auch dann, wenn Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zur Festsetzung von Höchsttarifen auf Grundlage allgemeiner Vorschriften nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung gewährt werden. Zu denken ist insbesondere an Ausgleichsleistungen für Verbundtarife und sonstige verbundbedingte Nachteile in Verkehrsverbünden und Tarifgemeinschaften (z. B. Ausgleich von Durchtarifierungs- und Harmonisierungsverlusten). Letztlich ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Verordnung erfüllt sind: Die Höchsttarife werden seitens des Aufgabenträgers diskriminierungsfrei für alle öffentlichen Personenverkehrsdienste derselben Art festgelegt. Nach Maßgabe des Art. 4 der Verordnung sind in den allgemeinen Vorschriften die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und die Geltungsbereiche klar zu definieren sowie die Berechnungsparameter in objektiver und transparenter Weise aufzustellen, wobei eine übermäßige Ausgleichsleistung zu vermeiden ist. Außerdem sind Durchführungsvorschriften für die Aufteilung der Kosten, die mit der Erbringung von Dienstleistungen in Verbindung stehen, sowie der Einnahmen aus dem Fahrscheinverkauf, die entweder beim Betreiber eines öffentlichen Dienstes verbleiben, an den Aufgabenträger übergehen oder unter ihnen aufgeteilt werden, festzulegen. Darüber hinaus gilt der Anhang der Verordnung.
 
3.4
In der Verordnung wird das Verhältnis zwischen kommerziellen und nichtkommerziellen Verkehren (vgl. Erwägungsgrund 5) nicht geregelt. Der in § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG festgelegte Rechtsgedanke, wonach Verkehrsleistungen im ÖPNV vorrangig ohne finanzielle Ausgleichsleistung zu betreiben sind, gilt daher auch weiterhin.
 
 
4.
Beihilferechtliche Fragen
 
4.1
Die beihilferechtliche Verantwortung tragen die Aufgabenträger. Die beihilferechtliche Zulässigkeit einer Ausgleichsleistung richtet sich nach Art. 4, 6 und dem Anhang zur Verordnung. Nicht mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbarende Ausgleichszahlungen können von den Zuwendungsempfängern zurückgefordert werden.
 
4.2
Die Aufgabenträger müssen insbesondere eine übermäßige Ausgleichsleistung vermeiden (Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung). Seit 2006 steht den Aufgabenträgern das im Auftrag des StMWIVT entwickelte EDV-Programm „Cost Control ÖPNV“ zur Verfügung. Dieses Programm wurde als Hilfestellung für die Prüfung des vierten Kriteriums des Urteils des EuGH vom 24. Juli 2003 (Rs. C-280/00, Altmark Trans) entwickelt. Auch bei der Beurteilung der Überkompensation im Lichte der neuen Verordnung kann dieses Instrument hilfreich sein. Maßgeblich sind allerdings allein die geltenden Bestimmungen der Verordnung.
 
4.3
Deutschland hat von der Möglichkeit nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Gebrauch gemacht, allgemeine Vorschriften über die finanzielle Abgeltung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, die dazu dienen, Höchsttarife für Schüler, Studenten, Auszubildende und Personen mit eingeschränkter Mobilität festzulegen, aus dem Anwendungsbereich der Verordnung auszunehmen. Im Bereich des Straßenpersonenverkehrs betrifft dies die Ausgleichsleistungen für den Ausbildungsverkehr nach § 45a PBefG sowie die Erstattung der Fahrgeldausfälle für die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter nach § 145 SGB IX. Mit Schreiben vom 18. März 2009 hat der Bund diese Vorschriften als Nichtbeihilfe bei der Europäischen Kommission notifiziert. Eine Entscheidung der Kommission liegt bislang nicht vor. Sollte die beihilferechtliche Beurteilung nach Veröffentlichung dieser Leitlinien Anpassungen notwendig machen, werden diese unverzüglich in geeigneter Weise bekannt gemacht.
 
4.4
Soweit einem Betreiber Ausgleichsleistungen für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen gewährt werden, die nicht ausschließlich auf Grundlage von Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 oder Art. 9 Abs. 2 der Verordnung erfolgen, ist ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag erforderlich, mit dem der Betreiber mit der Erbringung der Personenverkehrsdienste betraut wird. Nach Maßgabe des Art. 4 der Verordnung sind im öffentlichen Dienstleistungsauftrag die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen klar zu definieren sowie die Berechnungsparameter in objektiver und transparenter Weise aufzustellen, wobei eine übermäßige Ausgleichsleistung zu vermeiden ist. Außerdem sind Durchführungsvorschriften für die Aufteilung der Kosten, die mit der Erbringung von Dienstleistungen in Verbindung stehen, sowie der Einnahmen aus dem Fahrscheinverkauf, die entweder beim Betreiber eines öffentlichen Dienstes verbleiben, an den Aufgabenträger übergehen oder unter ihnen aufgeteilt werden, festzulegen. Darüber hinaus gilt für öffentliche Dienstleistungsaufträge, die nach Art. 5 Abs. 2 bis 5 der Verordnung vergeben werden, der Anhang der Verordnung.
 
 
5.
Vergabe und Selbsterbringung
 
5.1
Öffentliche Dienstleistungsaufträge werden wie folgt vergeben:
a)
Handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen oder Straßenbahnen im Sinn der Vergaberichtlinien 2004/17/EG (ABl L 134 vom 30. April 2004, S. 1) oder 2004/18/EG (ABl L 134 vom 30. April 2004, S. 114), greifen die Regelungen des Art. 5 Abs. 2 bis 5 der Verordnung nicht (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Verordnung). Es gilt das allgemeine Vergaberecht (§§ 97 ff. GWB, VgV, VOL/A). In der Regel ist eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen (§ 3 Abs. 1 VOL/A). Darüber hinaus können sog. „Inhouse“-Geschäfte nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil des EuGH vom 18. November 1999, Rs. C-107/98, Teckal; Urteil des EuGH vom 13. November 2008, Rs. C-324/07, Coditel) ohne Ausschreibung vergeben werden.
b)
Ist der Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien nicht eröffnet, insbesondere wenn der vergaberechtliche Schwellenwert (derzeit 206.000 €) unterschritten wird oder es sich um eine Dienstleistungskonzession handelt, sind öffentliche Dienstleistungsaufträge nach den Vorschriften des Art. 5 Abs. 2 bis 5 der Verordnung zu vergeben. Den Aufgabenträgern stehen folgende Möglichkeiten offen:
-
Direktvergabe an einen internen Betreiber (Art. 5 Abs. 2 der Verordnung),
-
Vergabe im wettbewerblichen Verfahren (Art. 5 Abs. 3 der Verordnung),
-
Direktvergabe von Verkehrsleistungen unterhalb bestimmter Größenordnungen, wobei für kleine und mittlere Verkehrsunternehmen verdoppelte Volumina gelten (Art. 5 Abs. 4 der Verordnung),
-
Direktvergabe als Notmaßnahme (Art. 5 Abs. 5 der Verordnung).
Die Möglichkeit für die Aufgabenträger, die Verkehrsleistungen auch selbst zu erbringen, bleibt unberührt.
 
5.2
Dienstleistungskonzessionen sind Vertragskonstellationen, bei denen die Gegenleistung nicht in einem vorher festgelegten Preis, sondern in dem Recht besteht, die zu erbringende eigene Leistung zu nutzen oder entgeltlich zu verwerten. Wesentliches Kennzeichen einer Konzession ist, dass der Konzessionär – ganz oder zum überwiegenden Teil – das wirtschaftliche Nutzungsrisiko trägt.
 
5.3
Hinsichtlich der Direktvergabe an einen internen Betreiber nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung ist zu beachten, dass der interne Betreiber und jede andere Einheit, auf die dieser Betreiber einen auch nur geringfügigen Einfluss ausübt, ihre öffentlichen Personenverkehrsdienste nur innerhalb des Zuständigkeitsgebiets der zuständigen örtlichen Behörde ausführen dürfen. Ausgenommen sind abgehende Linien und sonstige Teildienste, die in das Zuständigkeitsgebiet benachbarter Aufgabenträger führen. Diese Ausnahmevorschrift ist eng auszulegen. Abgehende Linien berühren die Direktvergabe regelmäßig dann nicht, wenn der überwiegende Teil der Verkehrsleistung dieser Linie im Innenbereich erbracht wird und das befriedigte Verkehrsinteresse mehrheitlich dem Innenbereich zuzurechnen ist. Eine Direktvergabe abgehender Linien ist nur im Einvernehmen mit dem betroffenen benachbarten Aufgabenträgers zulässig.
 
5.4
Im Fall der Direktvergabe nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung ist der interne Betreiber bei Unteraufträgen verpflichtet, den überwiegenden Teil (mehr als 50 %) des öffentlichen Personenverkehrsdienstes selbst zu erbringen.
 
5.5
Nach Art. 5 Abs. 4 der Verordnung können Aufgabenträger öffentliche Dienstleistungsaufträge, die bestimmte Größenordnungen, bezogen auf einen geschätzten Jahresdurchschnittswert oder eine jährliche öffentliche Personenverkehrsleistung, nicht überschreiten, direkt vergeben. Für kleine und mittlere Unternehmen, die nicht mehr als 23 Fahrzeuge betreiben, gelten höhere Werte. Die angegebene Anzahl an Fahrzeugen bezieht sich auf alle Fahrzeuge, die unmittelbar der Personenbeförderung dienen, d. h. neben Linienbussen auch Mietwagen und Reisebusse, jedoch keine sonstigen Betriebsfahrzeuge oder privaten Pkw.
 
5.6
Sofern nicht das allgemeine Vergaberecht anzuwenden ist und keine Direktvergabe nach Art. 5 Abs. 2, 4 und 5 der Verordnung erfolgt, müssen die öffentlichen Dienstleistungsaufträge in einem wettbewerblichen Verfahren vergeben werden, das allen Betreibern offen steht, fair ist und den Grundsätzen der Transparenz und Nichtdiskriminierung genügt (Art. 5 Abs. 3 der Verordnung). Der Aufgabenträger gewährleistet, dass das von ihm gewählte Verfahren diesen Voraussetzungen entspricht. Orientierung für Aufgabenträger bieten die im allgemeinen Vergaberecht normierten Vergabeverfahren (offenes Verfahren, nicht offenes Verfahren, Verhandlungsverfahren, wettbewerblicher Dialog) und die vergaberechtlichen Grundsätze.
 
 
6.
Transparenz
 
6.1
Der Aufgabenträger veröffentlicht einmal jährlich einen Gesamtbericht über die in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, die ausgewählten Betreiber eines öffentlichen Dienstes sowie die diesen Betreibern zur Abgeltung gewährten Ausgleichsleistungen (Art. 7 Abs. 1 der Verordnung). Näher bezeichnet werden sollen der Verlauf der betroffenen Linien, der Fahrplan und der Tarif. Die elektronische Veröffentlichung auf der Homepage des Aufgabenträgers ist grundsätzlich ausreichend.
 
6.2
Spätestens ein Jahr vor der Direktvergabe oder dem Einleiten eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens veröffentlicht der Aufgabenträger im Amtsblatt der Europäischen Union seinen Namen und seine Anschrift, die Art des geplanten Vergabeverfahrens und die von der Vergabe möglicherweise betroffenen Dienste und Gebiete (Art. 7 Abs. 2 der Verordnung). Näher bezeichnet werden sollen der Linienverlauf, der beabsichtigte Fahrplan und der beabsichtigte Tarif.
 
6.3
Die Transparenzvorschriften gelten ab 3. Dezember 2009. Sie entfalten keine Vorwirkung. Beabsichtigte Direktvergaben und wettbewerbliche Vergabeverfahren, die bis zum 3. Dezember 2010 stattfinden sollen, sind spätestens am 3. Dezember 2009 gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen. Spätestens am 2. Dezember 2010 soll der Aufgabenträger seinen ersten Gesamtbericht (Art. 7 Abs. 1 der Verordnung) veröffentlichen.
 
 
7.
Genehmigungsverfahren
 
7.1
Die Verordnung regelt nur die Beihilfe- und Vergabevoraussetzungen der Finanzierung von ÖPNV-Leistungen durch die Aufgabenträger (regelmäßig im Rahmen öffentlicher Dienstleistungsaufträge zwischen Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen). Neben diesem neuen Regelungsregime hat das nationale Personenbeförderungsrecht als Gewerberecht weiterhin Bestand. Linienverkehrsdienste bedürfen unabhängig von ihrer Finanzierung auch in Zukunft einer personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung. Zuständig ist weiterhin die jeweilige Regierung (Art. 29 Abs. 1 ZustVVerk).
 
7.2
Die Genehmigungsbehörde trifft eine eigenständige und von der Vergabeentscheidung unabhängige Entscheidung über den Genehmigungsantrag. Der öffentliche Dienstleistungsauftrag entfaltet grundsätzlich keine Bindungswirkung gegenüber der Genehmigungsbehörde.
 
7.3
Anträge sowohl für kommerzielle Verkehre als auch für Verkehre, die im Rahmen öffentlicher Dienstleistungsaufträge vergeben werden, sind nach § 13 PBefG zu beurteilen. Mit Inkrafttreten der Verordnung wird die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 für Personenverkehrsdienste (ABl L 156 vom 28. Juni 1969, S. 1) aufgehoben. Die Regelung des § 13a PBefG und die Verordnung zur Anwendung von § 13a Abs. 1 Satz 3 PBefG vom 15. Dezember 1995 (BGBl I S. 1705) sind nicht mehr anwendbar. Die Ausführungen in Nr. 3.4 bleiben unberührt.
 
7.4
Die Erteilung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages begründet für sich allein noch kein öffentliches Verkehrsinteresse im Sinn des § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG, um in Konkurrenzsituationen Anträge für Verkehre abzulehnen, die ohne finanzielle Ausgleichsleistung erbracht werden sollen. Unbeschadet der Ausführungen in Nr. 3.4 bleibt in Konkurrenzsituationen die Qualität des Verkehrsangebots wichtiges Entscheidungskriterium. Die Regierungen berücksichtigen, ob der beantragte Verkehr nur auf die erträglichsten Dienste unter den vorhandenen Verkehrsdiensten abzielt. Neben den Aussagen im Nahverkehrsplan ist der Inhalt des öffentlichen Dienstleistungsauftrages bei der Beurteilung der ausreichenden Verkehrsbedienung und der öffentlichen Verkehrsinteressen von der Genehmigungsbehörde im Rahmen ihrer Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen, wobei sie dem Beurteilungsspielraum des Aufgabenträgers angemessen Rechnung trägt. Dabei kann allerdings nur ein rechtmäßiger öffentlicher Dienstleistungsauftrag Berücksichtigung finden, insbesondere müssen die Voraussetzungen für das Tätigwerden des Aufgabenträgers und die Voraussetzungen der Vergabeart vorliegen. Der öffentliche Dienstleistungsauftrag ist bei Antragstellung vorzulegen.
 
7.5
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 18. November 2008 (Az.: 2 UE 1476/07, DVBl 2009 S. 196) entschieden, dass eigenwirtschaftliche Verkehre nicht dadurch ausgeschlossen sind, dass der Aufgabenträger die Initiative für die Ausschreibung gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen ergriffen hat, bevor die Genehmigungsbehörde durch öffentlich bekannt gemachte verfahrensleitende Festsetzungen wie Antragsfristen rechtssicher bestimmt hat, bis zu welchem Zeitpunkt Anträge auf Genehmigung der Erbringung eigenwirtschaftlicher Verkehrsleistungen für neu zu vergebende Linienverkehrsstrecken gestellt werden können. Diese Rechtsprechung gilt auch für das Verhältnis kommerzieller Verkehre zu Verkehren, die im Rahmen öffentlicher Dienstleistungsaufträge vergeben werden. Beabsichtigt der Aufgabenträger, einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag abzuschließen, und sind Konkurrenzanträge zu erwarten, kann die Genehmigungsbehörde verfahrensleitende Fristen im Sinn dieses Urteils setzen. Diese Fristen entfalten jedoch keine Ausschlusswirkung.
 
7.6
Der Schutz bestehender Genehmigungen richtet sich nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG. Durch den Abschluss eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages kann nicht in bestehende Genehmigungen eingegriffen werden. Auch weiterhin sind die Interessen des „Altunternehmers“ im Konkurrenzfall angemessen zu berücksichtigen (§ 13 Abs. 3 PBefG).
 
7.7
Anträge auf Wiedererteilung von Genehmigungen können frühestens ein Jahr vor Ablauf der alten Genehmigung gestellt werden. Eine vorzeitige Verlängerung ist grundsätzlich nicht zulässig.
 
7.8
Hinsichtlich der Laufzeit der Genehmigung gilt auch weiterhin die Regelung des § 16 Abs. 2 PBefG. Die Höchstlaufzeit für Genehmigungen im Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen beträgt daher acht Jahre. Die Dauer des öffentlichen Dienstleistungsauftrages (Art. 4 Abs. 3 der Verordnung) kann zwar länger bemessen sein, hat aber keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Genehmigungslaufzeit.
 
7.9
Auch weiterhin können Gemeinschaftsgenehmigungen von kommunalen Unternehmen und privaten Verkehrsunternehmen beantragt werden. Unter den rechtlichen Voraussetzungen der Verordnung können entsprechende Kooperationsmodelle fortgeführt werden.
 
 
8.
Rechtsschutz
 
8.1
Gegen Entscheidungen der Genehmigungsbehörde ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet (§ 40 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
 
8.2
Unabhängig hiervon ist der Rechtsschutz gegen die Vergabeentscheidung des Aufgabenträgers. Die Frage nach dem Rechtsweg beurteilt sich im Einzelfall nach den allgemeinen Vorschriften:
Für Vergaben nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung in Verbindung mit dem allgemeinen Vergaberecht ist der vergaberechtliche Rechtsschutz nach §§ 102 ff. GWB (Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer und sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht) gegeben.
In seinem Beschluss vom 12. Mai 2007 (Az.: 6 B 10.07, NJW 2007 S. 2275) hat das Bundesverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten auch dann eröffnet ist, wenn die Schwellenwerte für die Anwendung des europäischen Vergaberechts nicht erreicht werden. Die dort getroffene Aussage, wonach sich die öffentliche Hand bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in aller Regel auf dem Boden des Privatrechts bewegt, kann auch auf Dienstleistungskonzessionen übertragen werden. Regelmäßig wird daher der Rechtsweg zu der allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit eröffnet sein (§ 13 GVG, Art. 19 Abs. 4 GG).
 
 
9.
Übergangsbestimmungen
 
9.1
Die Verordnung tritt am 3. Dezember 2009 in Kraft. Die Bestimmungen der Verordnung, insbesondere die beihilferechtlichen Bestimmungen, gelten unmittelbar ab diesem Zeitpunkt. Für die Vergabebestimmungen nach Art. 5 der Verordnung gilt Folgendes:
a)
Für öffentliche Dienstleistungsaufträge, die nach Maßgabe der Vergaberichtlinien 2004/17/EG oder 2004/18/EG vergeben werden (Art. 5 Abs. 1 Sätze 2 und 3 der Verordnung), gilt das allgemeine Vergaberecht wie bisher fort.
b)
Für alle anderen Arten der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach Maßgabe der Verordnung sind die Vergabebestimmungen des Art. 5 Abs. 2 bis 6 der Verordnung erst ab 3. Dezember 2019 verpflichtend (vgl. Art. 8 Abs. 2 der Verordnung). Gleichwohl können sich die Aufgabenträger ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung schon vor dem 3. Dezember 2019 bei Neuvergaben auf die Bestimmungen des Art. 5 der Verordnung berufen. Den Aufgabenträgern wird empfohlen, möglichst frühzeitig das neue Recht anzuwenden.
 
9.2
Nach Art. 8 Abs. 3 der Verordnung können Altverträge auch nach dem 3. Dezember 2009 gültig bleiben. Voraussetzung ist, dass die Verträge befristet sind, bereits vor dem 3. Dezember 2009 in Kraft getreten sind und im Einklang mit dem zum Abschlusszeitpunkt geltenden nationalen Recht und Gemeinschaftsrecht (insbesondere der Altmark-Rechtsprechung des EuGH) abgeschlossen wurden. Ab dem 3. Dezember 2009 müssen die gewährten Ausgleichszahlungen mit der Verordnung vereinbar sein. Bis zum Inkrafttreten der Verordnung müssen die Vertragspartner laufende Verträge überprüfen und ggf. modifizieren, um für die Verkehrsleistung auch weiterhin eine beihilfekonforme Finanzierung zu gewährleisten. Die Vergabebestimmungen der Verordnung berühren Altverträge grundsätzlich nicht.
 
 
10.
Inkrafttreten
 
Diese Bekanntmachung tritt am 3. Dezember 2009 in Kraft.
 
 
Dr. Hans Schleicher
Ministerialdirektor