Veröffentlichung AllMBl. 2015/04 S. 193 vom 30.04.2015

Download

Hash-Prüfsumme der PDF-Datei (sha256): 5620e19ee5ac8e83a8f5c57c3cd3fcc713b0b8f157003cbbcbf541fb6ed2aa3b

 

Industrie 4.0 – Gute Arbeit in einer digitalisierten Arbeitswelt
Maiaufruf von Staatsministerin Emilia Müller
Der 1. Mai ist ein internationaler Feiertag. Der Hintergrund hierfür ist, dass die industrielle Revolution die Arbeiter in ganz Europa und den USA beeinflusst hat. Genau wie heute auch: Die sogenannte vierte industrielle Revolution, die Digitalisierung beeinflusst nicht nur die deutsche Arbeitswelt, sondern die ganze Welt. Der stetige und immer schneller werdende Wandel stellt uns alle, die Wirtschaft, die Politik und auch jeden einzelnen Bürger vor neue Herausforderungen. Unser Ziel ist es, gute Arbeitsbedingungen für die bayerischen Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer zu erhalten.
Die Veränderungen, die mit der zunehmenden Digitalisierung einhergehen, betreffen die ganze Arbeitswelt. Einfachere Tätigkeiten entfallen zunehmend. Bestehende Arbeitsstrukturen verändern sich. Die digitalen Prozesse werden komplexer. Durch die Digitalisierung beschleunigen sich Arbeitsprozesse wie etwa Produktentwicklungszyklen immer schneller. Neue Berufsbilder entstehen. Oft sind die verschiedenen Berufsfelder nicht mehr starr voneinander abgrenzbar. Die Arbeiter am Fließband müssen nicht mehr nur mit Maschinen, sondern in zunehmendem Maße auch mit Software umgehen können. In mehr und mehr Unternehmen wird die Bearbeitung von Vorgängen nur noch elektronisch durchgeführt. Taxifahrer beispielsweise bieten das Bezahlen oft schon anhand einer App an.
Vor allem für kleine und mittlere Unternehmen kann die Digitalisierung eine große Herausforderung werden. Sie müssen sich verstärkt anstrengen, offene Stellen mit hochqualifizierten Fachkräften zu besetzen und ihre Beschäftigten auf die neuen Anforderungsprofile vorzubereiten. Sie müssen in die ständige Weiterbildung ihrer Arbeitnehmer investieren, denn die Halbwertszeit des Wissens wird immer kürzer. Hierbei unterstützt die Bayerische Staatsregierung die Unternehmen zum Beispiel mit der Initiative „Ältere und Arbeitswelt“ oder durch ESF-Projekte mit Fördermitteln in den Bereichen der Weiterbildung älterer Arbeitnehmer oder Langzeitarbeitsloser.
Mit der Digitalisierung der Arbeitswelt geht auch der Einsatz neuer Medien wie Smartphone oder Tablet einher. Sie bringen mehr Flexibilität – für den Arbeitgeber, denn er kann seine Arbeitnehmer theoretisch jederzeit erreichen. Aber auch für den Arbeitnehmer – denn er ist nicht mehr an seinen Arbeitsplatz gebunden. Die Grenze zwischen der Arbeits- und der Lebenswelt verschwimmt mehr und mehr. Hier ist der Arbeitgeber gefordert. Durch Leitlinien und verlässliche Rahmenbedingungen muss er dafür sorgen, dass Arbeitnehmer trotzdem klare Erholungsphasen und Rückzugsorte haben.
Diese neue Flexibilität der Arbeitszeit und des Arbeitsortes kann aber auch eine große Chance für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bieten. Denn bislang lassen sich nur für rund 20 Prozent der Eltern Beruf und Familie gut vereinbaren. Die Versorgung eines kranken Kindes kann zum Beispiel durch den Einsatz von Telearbeit erleichtert werden. Es sind nicht primär die Familien, die sich den Arbeitszeiten anpassen müssen, sondern auch die Arbeitgeber, die sich der Familie anpassen müssen. Die Anpassung der Arbeitswelt an Familienbelange ist auch ein wichtiges Anliegen des „Familienpakts Bayern“. Die Bayerische Staatsregierung unterstützt hier durch eine Vielzahl von Maßnahmen die Familienfreundlichkeit von Unternehmen. So bietet zum Beispiel das bayerische Sozialministerium mit dem Projekt „Mit ElternKOMPETENZ gewinnen“ eine gezielte Beratung für eine familienfreundliche und lebensphasenorientierte Personalpolitik an.
Aber nicht nur die Betreuung der Kinder kann für die Mütter und Väter durch flexible Arbeitszeiten verändert werden. Wenn es nicht mehr wichtig ist, wo und wann Arbeit getan wird, sondern nur dass sie getan wird, dann bietet das eine Chance, dass die Arbeitskultur selbst sich weiterentwickelt. Denn ein besonders großes Hemmnis für Eltern ist ein Arbeitsklima, in dem derjenige am produktivsten erscheint, der am längsten im Büro ist. Die Präsenz wird dadurch wichtiger als gute Arbeitsergebnisse. Die Digitalisierung der Arbeitswelt kann hier im besten Fall zu einer Veränderung unseres Verständnisses von Arbeit führen. Produktiv ist der Arbeitnehmer, der gute inhaltliche Arbeit leistet. Eine Chance besonders für Mütter, trotz Teilzeit oder kürzerer Arbeitszeiten zu überzeugen. Und es ist eine Chance für die Unternehmen: In Zeiten des Fachkräftemangels können sie mit flexiblen Arbeitszeiten Eltern als Arbeitnehmer gewinnen – und motivieren.
Mein Ziel ist es, Arbeit in Zeiten der Industrie 4.0 im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu gestalten und die Chancen, die die Digitalisierung einem hochentwickelten Land wie Bayern bietet, bestmöglich zu nutzen.
Emilia Müller
Bayerische Staatsministerin
für Arbeit und Soziales, Familie und Integration