Veröffentlichung JMBl. 2011/03 S. 50 vom 11.02.2011

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Az.: 4430 - VII a - 1211/11
3122.2.2-J
3122.2.2-J
 
Änderung der Verwaltungsvorschriften
zum Bayerischen Strafvollzugsgesetz
 
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums
der Justiz und für Verbraucherschutz
 
vom 11. Februar 2011 Az.: 4430 - VII a - 1211/11
 
 
1.
Die Verwaltungsvorschriften zum Bayerischen Strafvollzugsgesetz (VVBayStVollzG) vom 1. Juli 2008 (JMBl S. 89) werden wie folgt geändert:
 
1.1
Es wird folgende neue VV zu Art. 159 BayStVollzG eingefügt:
 
„VV zu Art. 159 BayStVollzG
 
Grund der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist allein das Schutzbedürfnis der Bevölkerung aufgrund der Gefährlichkeit der Täter, die sich in der Vergangenheit regelmäßig bereits in gravierenden Verstößen gegen die Rechtsordnung gezeigt hat. Deshalb muss sich der Vollzug der Sicherungsverwahrung deutlich vom Vollzug der Freiheitsstrafe unterscheiden (Abstandsgebot). Dies bedeutet höchstmögliche Sicherheit nach außen bei größtmöglicher Freiheit der Sicherungsverwahrten nach innen.“
 
1.2
VV zu Art. 160 BayStVollzG wird wie folgt geändert:
 
1.2.1
Nr. 1 erhält folgende Fassung:
 
„1
 
Die VV zu den Vorschriften des zweiten Teils des BayStVollzG über den Vollzug der Freiheitsstrafe gelten für den Vollzug der Sicherungsverwahrung entsprechend, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist oder der Zweck der Sicherungsverwahrung eine Besserstellung der Verwahrten gegenüber den Strafgefangenen gebietet.“
 
1.2.2
In Nr. 2 wird folgender Abs. 3 angefügt:
 
,,(3)
Sicherungsverwahrte, die für weitergehende Lockerungen nicht geeignet sind, können im Rahmen eines erarbeiteten Therapiekonzepts zur Erhaltung oder Wiedererlangung der Lebenstüchtigkeit ausgeführt werden, soweit personelle Belange nicht entgegenstehen.“
 
1.3
VV zu Art. 161 BayStVollzG erhält folgende Fassung:
 
„1
 
(1)
Die Gesamtdauer des Besuchs beträgt mindestens zehn Stunden im Monat.
 
(2)
Zur Förderung sozialer Kontakte und unter besonderer Berücksichtigung der langen Inhaftierungszeit und des Zwecks der Maßregel kann den Sicherungsverwahrten gestattet werden, private Telefonate zu führen. Mindestens ein privates Telefonat ist wöchentlich zuzulassen.
 
(3)
Soweit personelle, bauliche Belange oder Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen, sollen Kontakte nach den Abs. 1 und 2 über das Mindestmaß hinaus deutlich erweitert werden.
 
2
 
In der Einrichtung für Sicherungsverwahrte soll den Untergebrachten an arbeitsfreien Tagen ermöglicht werden, sich mindestens drei Stunden im Freien aufzuhalten. Im Rahmen der baulichen und personellen Möglichkeiten soll ein Aufenthalt im Freien generell während der Aufschlusszeiten gestattet werden, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen.
 
3
 
In der Einrichtung für Sicherungsverwahrte soll den Untergebrachten täglich von 06.00 Uhr bis 22.30 Uhr Aufschluss gewährt werden, es sei denn, der Anstaltsleiter oder die Anstaltsleiterin trifft aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung oder personellen Gründen für bestimmte Zeiträume oder einzelne Untergebrachte eine abweichende Entscheidung.
 
4
 
Für Sicherungsverwahrte erhöht sich der in Nr. 3 Abs. 2 der VV zu Art. 24 BayStVollzG festgesetzte Betrag mindestens auf den sechsfachen Tagessatz der Eckvergütung (Art. 46 Abs. 2 BayStVollzG).
 
5
 
(1)
Sicherungsverwahrten soll über Art. 25 BayStVollzG hinaus zusätzlicher Sondereinkauf an sechs zu wählenden weiteren Zeitpunkten gestattet werden.
 
(2)
In der Einrichtung für Sicherungsverwahrte kann geeigneten Untergebrachten im Einzelfall unter behandlerischer Begleitung gestattet werden, die Verpflegung selbst zuzubereiten (Selbstverpflegung), soweit bauliche oder personelle Belange nicht entgegenstehen. Wird die Selbstverpflegung gestattet, so soll den Sicherungsverwahrten im Rahmen der personellen Möglichkeiten grundsätzlich ein wöchentlicher Regeleinkauf eröffnet werden. Für diesen Einkauf können die Sicherungsverwahrten das Hausgeld, das Taschengeld und das Eigengeld, soweit dieses nicht als Überbrückungsgeld gebunden oder gepfändet ist, verwenden.
 
(3)
Sicherungsverwahrten, die ihre Tagesverpflegung selbst zubereiten, werden jeweils monatlich die von der Anstalt für das vergangene Jahr ermittelten durchschnittlichen Verpflegungskosten (Nr. 6.2.1 der Verpflegungsordnung für die Justizvollzugsanstalten in Bayern (VerpflO) vom 15. November 2007 (JMBl S. 164) in der jeweils geltenden Fassung) auf das bei der Anstalt geführte Konto gutgeschrieben.
 
(4)
In der Einrichtung für Sicherungsverwahrte soll den Untergebrachten die Möglichkeit gegeben werden, regelmäßig Frischfleisch zu beziehen.
 
6
 
(1)
Die speziellen Behandlungsangebote für Sicherungsverwahrte müssen auf deren unterschiedliche Bedürfnisse zugeschnitten sein und unterschiedlichen Zielen dienen, insbesondere der
a)
Förderung von Motivation und Behandlungsbereitschaft,
b)
Ressourcenaktivierung, Steigerung der Eigenverantwortlichkeit,
c)
Resozialisierung und Entlassungsvorbereitung.
 
(2)
Das Behandlungsangebot, das die spezifischen Risikofaktoren, die persönliche Ansprechbarkeit und das individuelle Lerntempo jedes Einzelnen berücksichtigt, soll den Sicherungsverwahrten unter Mithilfe eines multidisziplinären Behandlungsteams die realistische Möglichkeit eröffnen, durch nachdrückliche Bearbeitung der vorhandenen Defizite Lockerungsprozesse einzuleiten und eine Entlassungsperspektive zu entwickeln. Neben den herkömmlichen Behandlungsmaßnahmen, wozu auch die Teilnahme am Wohngruppenvollzug zählt, sollen deshalb spezielle Maßnahmen, erforderlichenfalls unter Hinzuziehung externer Kräfte, angeboten werden, wie etwa Sozialisations- oder themenzentrierte Gesprächsgruppen, Milieutherapie und Therapieauffrischungs-Module („Booster-Module“).
 
(3)
Sicherungsverwahrte, die sich nicht auf die erforderlichen behandlerischen Maßnahmen einlassen wollen, sollen beständig motiviert und befähigt werden, an solchen Maßnahmen teilzunehmen.
 
7
 
Sicherungsverwahrten ist, soweit möglich und notwendig, ein festes Betreuungspersonal zuzuordnen.
 
8
 
(1)
In der Einrichtung für Sicherungsverwahrte sind die Räume der Untergebrachten so zu gestalten, dass deren besonderen Bedürfnissen Rechnung getragen wird und Wohngruppenvollzug möglich ist. Sie sind im Vergleich zu den durchschnittlichen Hafträumen der Strafgefangenen größer zu bemessen und großzügiger auszustatten und sollen, vorbehaltlich den baulichen Gegebenheiten, mit einer Kochgelegenheit sowie Dusche und WC ausgestattet sein.
 
(2)
Der künftige Vollzug der Sicherungsverwahrung sollte sich an den Mindestanforderungen für sozialtherapeutische Einrichtungen orientieren, um einer individuellen Behandlung und Lebensgestaltung Rechnung tragen zu können, soweit hierfür die personellen und baulichen Voraussetzungen vorliegen.
 
(3)
In der Einrichtung für Sicherungsverwahrte sollen ausreichend Möglichkeiten zur Förderung des sozialen Austauschs (Gemeinschafts- und Sporträume, Küche usw.) vorgehalten werden. Bei der räumlichen Gestaltung ist, soweit aufgrund der konkreten baulichen Situation möglich, der besondere Bedarf physisch und psychisch eingeschränkter sowie älterer Untergebrachter zu berücksichtigen.
 
9
 
(1)
Den Sicherungsverwahrten ist ein hinreichend ausgewogenes, auf die spezifischen Bedürfnisse der Untergebrachten zugeschnittenes Arbeits-, arbeitstherapeutisches Beschäftigungs- und Qualifizierungsangebot bereitzustellen, das es ihnen ermöglicht, einer sinnstiftenden und produktiven Tätigkeit nachzugehen.
 
(2)
Zur Teilnahme an diesen Maßnahmen sind die Sicherungsverwahrten zu motivieren.
 
(3)
Ziele der Beschäftigung sind die Stabilisierung des Selbstwertgefühls durch das Erleben der eigenen Fähigkeiten und Effizienz, die Strukturierung des Tagesablaufs, die Förderung von Teamfähigkeit und sozialen Kontakten sowie die Persönlichkeitsbildung.
 
10
 
Ein geeignetes Freizeitangebot für Sicherungsverwahrte ist bereitzustellen. Hierzu sollen neben Sportangeboten auch kulturelle Angebote sowie der therapeutisch begleitete Zugang zu elektronischen Unterhaltungsmedien, soweit dieser dem Erwerb von Medienkompetenz dient und die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt nicht entgegenstehen, vorgesehen werden.“
 
1.4
Es wird folgende neue VV zu Art. 162 BayStVollzG eingefügt:
 
„Soweit Gründe der Sicherheit einer uneingeschränkten Zulassung eigener Kleidung entgegenstehen, soll in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte zumindest das Tragen einer einheitlich farbenen Oberbekleidung im Unterkunftsbereich gestattet werden. Die Bekleidung ist durch Vermittlung der Anstalt zu beziehen.“
 
1.5
VV zu Art. 163 BayStVollzG erhält folgende Fassung:
 
„Das monatliche Taschengeld für die Sicherungsverwahrten entspricht mindestens dem viereinhalbfachen Tagessatz der Eckvergütung (Art. 46 Abs. 2 BayStVollzG). Ist in einem Kalendermonat weniger als ein Monat Sicherungsverwahrung zu vollziehen, vermindert sich der Betrag entsprechend.“
 
1.6
VV zu Art. 164 BayStVollzG wird folgender Abs. 3 angefügt:
 
,,(3)
Die Verlegung geeigneter Sicherungsverwahrter in eine sozialtherapeutische Einrichtung ist zu fördern. Den Sicherungsverwahrten können unabhängig hiervon die in den Art. 119 und 120 BayStVollzG genannten Angebote gewährt werden, soweit personelle oder bauliche Belange nicht entgegenstehen.“
 
1.7
Es wird folgende neue VV zu Art. 166 BayStVollzG eingefügt:
 
,,(1)
Die unterschiedlichen Modalitäten beim Vollzug der Freiheitsstrafe und der Sicherungsverwahrung erfordern, auch im Hinblick auf die Sicherheit und Ordnung der Anstalt, eine klare Trennung von Gefangenen und Untergebrachten.
 
(2)
Die bauliche Trennung von Gefangenen und Sicherungsverwahrten soll durch ein eigenes Gebäude für Sicherungsverwahrte erfolgen. Dabei kann eine Öffnung zum Strafhaftbereich insbesondere aus behandlerischen Gründen angezeigt sein.
 
(3)
Von der Trennung von Gefangenen und Sicherungsverwahrten darf im Einzelfall abgewichen werden, um den Sicherungsverwahrten die Teilnahme an Behandlungsmaßnahmen zu ermöglichen.“
 
2.
Diese Bekanntmachung tritt mit Wirkung vom 1. April 2011 in Kraft.