Veröffentlichung BayMBl. 2020 Nr. 144 vom 25.03.2020

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Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention

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Sonstige Bekanntmachung

Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)

Corona-Pandemie: Verpflichtung der Laborbetreiber in Bayern zur Meldung der
Anzahl der untersuchten Abstriche und Proben sowie der Anzahl der positiven und
negativen Befunde an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege

vom 17. März 2020, Az. GZ6a-G8000-2020/122-78

Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlässt auf der Grundlage der § 13 Abs. 1 Satz 1, § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 und § 28 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Verbindung mit § 65 Satz 2 Nr. 2 der Zuständigkeitsverordnung (ZustV) folgende

Allgemeinverfügung

1.
Laborbetreiber einschließlich Labore von Krankenhäusern und Universitätsinstitute, die ihre Tätigkeit im Freistaat Bayern ausüben und Abstriche oder Proben auf das Vorliegen einer Infektion mit Coronavirus 2019-nCoV / SARS-CoV2 untersuchen, sind unbeschadet der Meldepflicht aus § 7 IfSG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 CorViMV zusätzlich verpflichtet, die Gesamtzahl der am jeweiligen Tag untersuchten Abstriche und Proben sowie die Anzahl der positiven und negativen Befunde tagesaktuell an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit unter der E-Mail-Adresse covidlabreport@lgl.bayern.de zu übermitteln. Bei der ersten Meldung sind darüber hinaus einmalig die Gesamtzahl der bisher untersuchten Abstriche und Proben sowie die Anzahl der positiven und negativen Befunde seit 1. Januar 2020 zu melden.
Sind bei einer Person im Rahmen einer einzelnen Untersuchung mehrere Abstriche oder Proben untersucht worden, so ist dies als ein Fall zu melden.
2.
Auf die Bußgeldvorschrift des § 73 Abs. 1a Nrn. 3 und 4 IfSG wird hingewiesen.
3.
Diese Allgemeinverfügung tritt am 18. März 2020 (12:00 Uhr) in Kraft und mit Ablauf des 19. April 2020 außer Kraft.

Begründung

Das neuartige Coronavirus 2019-nCoV/ SARS-CoV2 hat sich in kurzer Zeit weltweit verbreitet. Es muss alles dafür getan werden, eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Ein besonderer Stellenwert kommt hierbei der landesweiten Nachvollziehbarkeit der Anzahl der durch in Bayern ansässige Labore durchgeführten Untersuchungen pro Tag und das Verhältnis der dabei erhaltenen positiven zu den negativen Befunden zu.

Zu Ziffer 1:

Die vorliegende Allgemeinverfügung hat eine Erweiterung der Labor-Meldepflicht zum Gegenstand.

Bereits kraft Gesetzes besteht eine Meldepflicht nach §§ 7, 8 IfSG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 CorViMV an die Gesundheitsämter. Diese Meldepflicht bleibt durch die vorliegende Allgemeinverfügung unberührt und besteht fort.

Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 IfSG können der Bund und die Länder weitere Formen der epidemiologischen Überwachung durchführen, als im IfSG konkret normiert. Gegenstand der Vorschrift ist die Erweiterung der epidemiologischen Überwachung als solcher. § 13 Abs. 1 Satz 3 IfSG steht der Anwendung der Vorschrift vorliegend nicht entgegen, weil diese zwar eine Festlegung durch das Bundesministerium für Gesundheit zulässt, eine solche Festlegung jedoch nicht Anwendungsvoraussetzung für § 13 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist. Bei der Auswertung der Meldungen der Gesamtzahl der untersuchten Abstriche und Proben sowie der Anzahl der positiven und negativen Befunde an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit handelt es sich um eine Form der epidemiologischen Überwachung im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Da nur die reinen Zahlen – ohne Bezug zu personenbezogenen Daten – zu melden sind, bedarf es für die Meldung keiner weitergehenden datenschutzrechtlichen Befugnisse.

Die Befugnis dahingehend, konkret die Laborbetreiber, die ihre Tätigkeit im Freistaat Bayern ausüben und Abstriche oder Proben auf das Vorliegen einer Infektion mit Coronavirus 2019-nCoV/ SARS-CoV2 untersuchen, zur Übermittlung der o.g. Meldungen gegenüber dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zu verpflichten, ergibt sich aus § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 und § 28 Abs. 3 IfSG.

Gemäß der Generalklausel des § 16 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren, wenn Tatsachen festgestellt werden, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können. Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 IfSG sind Personen, die über die in Absatz 1 genannten Tatsachen Auskunft geben können, verpflichtet, auf Verlangen durch die zuständige Behörde die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen. § 16 Abs. 2 Satz 3 IfSG bildet daher eine Befugnisnorm zur Verpflichtung von Auskünften und zur Herausgabe von Unterlagen. Aus der Formulierung „insbesondere“ in § 16 Abs. 2 Satz 3 IfSG ergibt sich, dass diese Verpflichtung über die beispielhafte Formulierung des § 16 Abs. 2 Satz 3 IfSG hinaus allgemeine Geltung beansprucht.

§ 16 Abs. 3 IfSG gewährt der zuständigen Behörde die Befugnis, Anordnungen über die Übergabe von in § 16 Abs. 2 IfSG genannten Untersuchungsmaterialien zum Zwecke der Untersuchung und Verwahrung an Institute des öffentlichen Gesundheitsdienstes oder andere vom Land zu bestimmende Einrichtungen zu treffen, soweit es die Aufklärung der epidemischen Lage erfordert. Wenn schon die Herausgabe der Untersuchungsmaterialien nach dieser Vorschrift verlangt werden kann, kann erst recht – wie vorliegend – die Auskunft hinsichtlich des reinen Zahlenmaterials der Untersuchungsergebnisse ohne personenbezogene Daten auf diese Vorschrift gestützt werden.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 IfSG, auf die in § 16 Abs. 2 und 3 IfSG verwiesen wird, liegen vor. Es besteht eine Pandemie mit dem Coronavirus 2019-nCoV/ SARS-CoV2, bei der die konkrete Gefahr weiterer Ansteckungen besteht. Bezogen auf den jeweils individuellen Patienten steht zum Zeitpunkt der Untersuchung der Abstriche oder Proben noch nicht sicher fest, ob eine Infektion mit dem Coronavirus vorliegt. Es besteht daher insoweit in jedem Einzelfall eine konkrete Gefährdungslage. Die vorliegende Maßnahme kann daher als solche auf diese Vorschriften gestützt werden.

Schließlich liegen auch die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 IfSG vor, der für die Überwachung von Schutzmaßnahmen § 16 Abs. 2 IfSG für entsprechend anwendbar erklärt. Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie hat das StMGP jeweils im Einvernehmen mit den zuständigen Ressorts spezifische Allgemeinverfügungen erlassen, insbesondere die Allgemeinverfügung über Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie vom 13.03.2020, Az. G51-‍G8000-2020/122-65, die Allgemeinverfügung über die Einschränkung der Besuchsrechte für Krankenhäuser, Pflege- und Behinderteneinrichtungen vom 13.03.2020, Az. G51b-G8000-2020/122-56, und die Allgemeinverfügung über Veranstaltungsverbote und Betriebsuntersagungen anlässlich der Corona-Pandemie vom 16.03.2020, Az. 51-G8000-2020/122-67. Diese Allgemeinverfügungen stellen jeweils Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG dar. Die jeweils aktuelle Pandemielage muss scharf beobachtet werden, da die Wirkung der Maßnahmen sichergestellt werden muss. Die mit vorliegender Allgemeinverfügung angeordnete Erweiterung der Meldepflicht dient insoweit auch der Überwachung der Maßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 3 IfSG, dessen Voraussetzungen damit ebenfalls vorliegen.

§ 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 und § 28 Abs. 3 IfSG enthalten jeweils keine spezifischen Regelungen zu Maßnahmeadressaten, so dass die allgemeinen Regeln gelten. Die Laborbetreiber, die ihre Tätigkeit im Freistaat Bayern ausüben und Abstriche oder Proben auf das Vorliegen einer Infektion mit Coronavirus 2019-nCoV/ SARS-CoV2 untersuchen, sind vorliegend deswegen als Maßnahmeadressaten heranzuziehen, weil andere, gleich wirksame Maßnahmen gegen andere Personenkreise nicht möglich sind. Die Verpflichtung zur Meldung der Gesamtzahl der am jeweiligen Tag untersuchten Abstriche und Proben sowie der Anzahl der positiven und negativen Befunde einmal am Tag ist kein erheblicher Eingriff in die Rechtspositionen der Laborbetreiber. Für die Erreichung des Informationszwecks des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ist eine tagesaktuelle Meldung allerdings unbedingt erforderlich, damit die im Freistaat Bayern vorhandenen Untersuchungskapazitäten einerseits und das Verhältnis der positiven und negativen Befunde zueinander bei Personen, bei welchen eine Untersuchung angezeigt erscheint, andererseits, festgestellt werden können. Daher ist die Anordnung, die Gesamtzahl der am jeweiligen Tag untersuchten Abstriche und Proben sowie die Anzahl der positiven und negativen Befunde tagesaktuell zu übermitteln, auch verhältnismäßig.

Zu melden ist jeweils die Gesamtzahl der am jeweiligen Tag untersuchten Abstriche und Proben sowie die Anzahl der positiven und negativen Befunde. Bei der ersten Meldung sind einmalig die Gesamtzahl der bisher untersuchten Abstriche und Proben sowie die Anzahl der positiven und negativen Befunde seit 1. Januar 2020 zu melden.

Sind bei einer Person im Rahmen einer einzelnen Untersuchung mehrere Abstriche oder Proben untersucht worden, so ist dies als ein Fall zu melden. Dies gilt sowohl für die tagesaktuellen Meldungen als auch für die einmalige Meldung der Fälle seit 1. Januar 2020.

Zu Ziffer 2:

Die in Ziffer 1 enthaltene Anordnung findet ihre Grundlage in § 13 Abs. 1 Satz 1, § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3, Abs. 3, § 28 Abs. 3 IfSG. Zuwiderhandlungen gegen Anordnungen gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 IfSG zur Auskunftserteilung bzw. zur Vorlage von Unterlagen sind in dem in § 73 Abs. 1a Nrn. 3 und 4 IfSG beschriebenen Umfang Ordnungswidrigkeiten, die gemäß § 73 Abs. 2 IfSG mit einer Geldbuße bis zu 25 000 Euro geahndet werden können.

Zu Ziffer 3:

Die Allgemeinverfügung tritt am 18. März 2020, 12:00 Uhr, in Kraft. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist sie bis einschließlich 19. April 2020 befristet. Zu diesem Zeitpunkt wird festgestellt, ob die Übermittlung der o.g. Zahlen weiterhin erforderlich ist.

Die Allgemeinverfügung ist gemäß § 16 Abs. 8 IfSG sofort vollziehbar.

gez.

Ruth Nowak

Ministerialdirektorin