Veröffentlichung BayMBl. 2021 Nr. 864 vom 08.12.2021

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Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention

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Sonstige Bekanntmachung

Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) sowie des
Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes (BayKSG)

Notfallplan Corona-Pandemie: Aufrechterhaltung der ambulanten Arztversorgung
während des Vorliegens einer Katastrophe

Gemeinsame Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege
sowie des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration

vom 8. Dezember 2021, Az. G35e-G8060-2020/26-129 und D4-2257-3-49

Zum Vollzug von § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und von Art. 9 des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes (BayKSG) wird Folgendes bestimmt:

1.Organisationsstruktur zur Unterstützung der ambulanten ärztlichen Versorgung zur Bewältigung der festgestellten Katastrophe

1.1
Zur Bewältigung des zusätzlichen Versorgungsbedarfs während der Corona-Pandemie und zur Aufrechterhaltung der ambulanten ärztlichen Versorgung der Bevölkerung ist in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt als Mitglied der Führungsgruppe Katastrophenschutz (FüGK) ein Versorgungsarzt einzusetzen. Dieser wird vom Landrat bzw. Oberbürgermeister ernannt. Die Hinzuziehung erfolgt im Benehmen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Hierzu kann der Landrat bzw. Oberbürgermeister auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns oder den jeweiligen ärztlichen Kreis- bzw. Bezirksverband auffordern, eine geeignete Person zu benennen.
1.2
Der Versorgungsarzt hat die Aufgabe, gemäß Nr. 2 eine ausreichende Versorgung im jeweiligen Zuständigkeitsbereich mit ambulanten ärztlichen Leistungen zu planen und zu koordinieren, soweit dies bei der Bewältigung der Katastrophe erforderlich ist.
1.3
Als Versorgungsarzt können nur Ärzte mit langjähriger beruflicher, insbesondere vertragsärztlicher Erfahrung eingesetzt werden. Sie sollen über eine abgeschlossene Facharztweiterbildung verfügen. Es wird empfohlen, auf diejenigen Ärztinnen und Ärzte zurückzugreifen, die während der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 IfSG als koordinierender Arzt / koordinierende Ärztin tätig waren. Dem Versorgungsarzt sind seitens der Kassenärztlichen und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns sowie der ärztlichen und zahnärztlichen Kreis- beziehungsweise Bezirksverbände regionale Kontaktstellen zu nennen, über die unterstützende Leistungen angefordert werden können.

2.Planung und Koordinierung durch den Versorgungsarzt

Gegenstand der Planung und Koordinierung durch den Versorgungsarzt im jeweiligen Zuständigkeitsbereich einer Kreisverwaltungsbehörde sind, soweit dies zur Bewältigung der Corona-Pandemie örtlich erforderlich ist, insbesondere:

2.1
Etablierung von Schwerpunktpraxen bzw. Organisation von Infektsprechstunden für die Untersuchung und Behandlung und ggf. Testung von potentiell infektiösen Patienten, insbesondere COVID-19-Patienten, und die Rekrutierung des hierfür erforderlichen Personals. Dabei sind vorrangig Abrechnungsmöglichkeiten medizinischer und organisatorischer Leistungen im Rahmen des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns abzustimmen.
2.2
Planung und Vorbereitung aller notwendigen Maßnahmen, die aufgrund des pandemiebedingten Bedarfsanstiegs erforderlich sind, damit die ambulante ärztliche und zahnärztliche Grund- und Regelversorgung weiterhin aufrechterhalten werden kann.
2.3
Unterstützung der Impfzentren und niedergelassenen Ärzte bei der Umsetzung der Bayerischen Impfstrategie.
2.4
Bei Bedarf Unterstützung der FüGK bei der etwaigen Verpflichtung insbesondere medizinischen Personals.

3.Pflicht zur Zusammenarbeit

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns, die Bayerische Landesärztekammer, die ärztlichen Kreis- und Bezirksverbände, die Bayerische Landeszahnärztekammer sowie die zahnärztlichen Bezirksverbände sind zur Kooperation mit den Katastrophenschutzbehörden und den Versorgungsärzten verpflichtet.

4.Anordnungen im Einzelfall

Notwendige Anordnungen zur Umsetzung der Planung und Koordinierung durch den Versorgungsarzt trifft die jeweilige Leitung der örtlichen Katastrophenschutzbehörde.

5.Inkrafttreten

Die Bekanntmachung tritt mit Wirkung vom 26. November 2021 in Kraft.

Erläuterungen

Die Corona-Pandemie hat eine dramatische Dynamik entfaltet. Seit September 2021 sind die Infektionszahlen in Bayern in allen Altersgruppen ebenso wie die Zahlen der COVID-19-Erkrankten in den bayerischen Krankenhäusern erheblich gestiegen. Gründe dafür sind unter anderem die derzeit dominierende hochansteckende Delta-Variante des Coronavirus SARS-CoV-2, die noch immer große Zahl ungeimpfter Personen und mehr Kontakte in Innenräumen. Hinzu kommt eine im zeitlichen Verlauf gerade bei älteren oder immunsupprimierten Personen nachlassende Schutzwirkung der Impfung bei derzeit noch geringem Anteil von Personen mit einer Auffrischungsimpfung sechs Monate nach Abschluss des ersten Impfzyklus. Auch die Zahl der Todesfälle zeigt eine steigende Tendenz. Die vierte Welle der Pandemie trifft vor allem die Krankenhäuser und die Intensivstationen mit voller Wucht, aber auch der ambulante medizinische Bereich ist hiervon massiv betroffen.

Parallel zur Behandlung von COVID-19-Patienten müssen die Praxen auch die ambulante Behandlung in allen anderen, nicht verschiebbaren Fällen weiter gewährleisten, die nicht im Zusammenhang mit COVID-19 stehen. Wegen der in den Herbst- und Wintermonaten unabhängig von COVID-19 zunehmenden Infekt- und Influenza-Erkrankungen ist deshalb nicht auszuschließen, dass die Arztpraxen insgesamt an ihre Leistungsgrenzen gelangen könnten. Gleichzeitig sorgt die zunehmende Zahl an Post- bzw. Long-COVID-Patienten dafür, dass der ohnehin bereits hohe Druck auf die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und ihre Praxen noch weiter ansteigen wird.

Gerade angesichts besonders schwerer und lebensbedrohlicher Krankheitsverläufe und der Gefahr von erheblichen Versorgungsengpässen im stationären Bereich bedarf es einer optimalen Planung und Koordinierung auch der ambulanten ärztlichen Versorgung. Vor diesem Hintergrund müssen im Rahmen der festgestellten Katastrophe alle notwendigen organisatorischen Maßnahmen getroffen werden, die erforderlich sind, um die ambulante ärztliche Versorgung der Bevölkerung im notwendigen Umfang zu gewährleisten. Dies schließt ggf. auch die psychotherapeutische und zahnärztliche Versorgung mit ein. Um dabei widersprüchliche Entscheidungen sowie vermeidbare Zeit- und Reibungsverluste zu minimieren, ist ein Versorgungsarzt als Mitglied der FüGK einzusetzen, dessen Planungen und Koordinierungen durch die jeweilige Leitung der örtlichen Katastrophenschutzbehörde mit den Durchgriffsbefugnissen des Katastrophenschutzrechts umgesetzt werden können.

Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat die Kreisverwaltungsbehörden ermächtigt, im Benehmen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns sog. koordinierende Ärzte hinzuzuziehen (s. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 02.12.2020 zum Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) – Aufrechterhaltung der Arztversorgung während der Corona-Pandemie, Az. G35e-G8060-2020/48-70).

Zu Nr. 1: Organisationsstruktur zur Unterstützung der ambulanten ärztlichen Versorgung zur Bewältigung der festgestellten Katastrophe

Die ambulante ärztliche Versorgung findet durch niedergelassene Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, zum Teil aber auch durch Privatärztinnen und Privatärzte statt. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die vertragsärztliche Versorgung gesetzlich Krankenversicherter sicherzustellen.

Zur möglichst durchgehenden Aufrechterhaltung der ambulanten ärztlichen Versorgung kann insbesondere die Konzentration der Untersuchung und Behandlung von SARS-CoV-2-Infizierten und anderen potentiell infektiösen Patienten, die beispielsweise COVID-19- oder influenzaähnliche Symptome aufweisen, auf einzelne Schwerpunktpraxen bzw. Infektsprechstunden sinnvoll sein, weil damit das Ansteckungsrisiko für die Mitarbeiter in den übrigen Arztpraxen reduziert und somit die Leistungsfähigkeit der Gesundheitsversorgung vor Ort insgesamt besser gesichert werden kann. Dort können in einem abgesonderten Bereich auch Testungen symptomatischer Patienten erfolgen.

Dies gilt auch mit Blick darauf, dass auch Vertragsärzte bei Fortschreiten des Infektionsgeschehens trotz der Möglichkeiten einer COVID-19-Schutzimpfung sowie sonstiger geeigneter Schutzmaßnahmen nicht vor eigener Infektion oder Erkrankung sicher sind und somit als medizinischer Versorger für die Bevölkerung (zeitweise) ausfallen können. Daher müssen vor Ort zum einen vorausschauende Koordinierungsentscheidungen getroffen werden können. Zum anderen kann auch kurzfristig auf unvorhersehbare Entwicklungen reagiert werden.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen können gegenüber ihren Mitgliedern zwar die Einhaltung vertragsärztlicher Pflichten einfordern und ggf. auch über Disziplinarmaßnahmen durchsetzen. Darüberhinausgehende Versorgungsbeiträge können die Kassenärztlichen Vereinigungen von ihren Mitgliedern aber jedenfalls nicht rechtlich verbindlich einfordern (z. B. Zurverfügungstellung als Schwerpunktpraxis). Gleiches gilt in berufsrechtlicher Hinsicht für die Kammern.

Um bedarfsgerecht, schnell und möglichst widerspruchsfrei zu sonstigen Entscheidungen der örtlich zuständigen Katastrophenschutzbehörde die ärztliche Versorgung vor Ort planen und organisieren zu können, ist es daher bei der Bewältigung der festgestellten Katastrophe erforderlich, die Funktion eines Versorgungsarztes als Mitglied der FüGK zu schaffen.

Dazu ist vorgesehen, dass die Landräte auf Ebene der Landratsämter bzw. Oberbürgermeister auf Ebene der kreisfreien Städte zur Aufrechterhaltung der ambulanten ärztlichen Versorgung der Bevölkerung im Zuge der Bekämpfung der Corona-Pandemie einen Versorgungsarzt einsetzen. Um die notwendige enge Abstimmung mit anderen Entscheidungen der Katastrophenbewältigung zu gewährleisten, wird dieser Mitglied der FüGK.

Da die Tätigkeit des Versorgungsarztes den Zuständigkeitsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung betrifft, soll die Hinzuziehung im Benehmen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns erfolgen. Falls erforderlich kann der Landrat bzw. Oberbürgermeister auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns oder den jeweiligen ärztlichen Kreis- bzw. Bezirksverband auffordern, eine geeignete Person zu benennen.

Der Versorgungsarzt hat die Aufgabe, eine ausreichende ambulante ärztliche Versorgung im jeweiligen Zuständigkeitsbereich zu planen und zu koordinieren, soweit dies bei der Bewältigung der Katastrophe erforderlich ist. Der gesetzliche Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen bleibt insoweit grundsätzlich unberührt und weiterbestehen. Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen wird nunmehr aber zeitweise und bedarfsabhängig durch Maßnahmen des Versorgungsarztes bei der Bewältigung der Katastrophe flankiert – insbesondere, wenn diese durch Anordnung der jeweiligen Leitung der Katastrophenschutzbehörde umgesetzt werden (s. Nr. 4).

Für die erfolgreiche Wahrnehmung der Aufgaben eines Versorgungsarztes sind neben einem breiten medizinischen Fachwissen auch umfangreiche Kenntnisse der örtlichen Versorgungsstrukturen, der ärztlichen Selbstverwaltung und ihrer Institutionen sowie aller übrigen Akteure des Gesundheitswesens erforderlich. Daher können nur solche Ärzte als Versorgungsärzte eingesetzt werden, die über mehrjährige Berufserfahrung, insbesondere in der vertragsärztlichen Versorgung, verfügen. Dies ist in der Regel bei Ärzten der Fall, die mindestens 5 Jahre vertragsärztlich tätig waren. Im Einzelfall kann auch eine kürzere Berufserfahrung ausreichen, wenn in dieser Zeit hinreichend praktische Erfahrungen erworben wurden. Zudem soll ein Versorgungsarzt möglichst über eine abgeschlossene Facharztweiterbildung verfügen. Besonders prädestiniert erscheinen auf Grund der besonders breit angelegten medizinischen Fachkenntnisse insbesondere Allgemeinmediziner und Internisten.

Dabei soll insbesondere auf diejenigen Ärztinnen und Ärzte zurückgegriffen werden, die während der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 IfSG als koordinierender Arzt / koordinierende Ärztin oder zuvor als Versorgungsarzt /-ärztin tätig waren und sich entsprechend bewährt haben.

Der Versorgungsarzt ist für seine Tätigkeit über seine eigenen Kenntnisse der örtlichen Versorgungsstrukturen hinaus insbesondere auf das diesbezügliche Wissen und die Erfahrungen der ärztlichen Selbstverwaltung (Kassenärztliche Vereinigungen; Ärztekammern und ihre organisatorischen Untergliederungen) angewiesen. Damit die Versorgungsärzte die ihnen zugewiesenen Planungs- und Koordinierungsaufgaben effektiv erfüllen können, sind seitens der Kassenärztlichen und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns sowie der ärztlichen und zahnärztlichen Kreis- und Bezirksverbände regionale Kontaktstellen zu nennen, über die unterstützende Leistungen angefordert werden können. Hierbei kann es sich insbesondere um kommunikative und organisatorische Leistungen handeln, für deren Umsetzung die Strukturen, Kapazitäten und Informationen der genannten Körperschaften erforderlich sind.

Nach Art.  7 Abs. 3 BayKSG sind die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns, die Landesärztekammer sowie die Landeszahnärztekammer als der Aufsicht des Freistaates Bayern unterstehende Körperschaften (§ 78 Abs. 1 SGB V; Art. 10 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Art. 16 Abs. 1 Satz 1 HKaG; Art. 46 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Satz 3 und Art. 16 Abs. 1 Satz 1 HKaG) zur Katastrophenhilfe verpflichtet. Gleiches gilt für die ärztlichen Kreis- und Bezirksverbände sowie die zahnärztlichen Bezirksverbände (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 HKaG, Art. 7 Abs. 1 Satz 3 HKaG, jeweils i. V. m. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 HKaG; Art. 43 Abs. 1 Satz 3 und 4 HKaG). Im Einzelfall kann sich die Pflicht auch darauf erstrecken, auf Anforderung geeignete Personen für die Mitwirkung in der Katastropheneinsatzleitung zu benennen, sofern nur durch die institutionsspezifischen Kenntnisse der Kontaktstellen bzw. der ggf. in die Katastropheneinsatzleitung zu entsendenden Mitarbeiter und deren Vernetzung in den jeweiligen Institutionen eine effektive Aufgabenerfüllung des Versorgungsarztes gelingen kann. Sofern ein Bedarf besteht, diese zur Mitarbeit in der FüGK heranzuziehen, muss dies schriftlich von der FüGK begründet und gemäß IMS vom 10.11.2021 (Az. D4-2257-3-49) zur Feststellung der Katastrophe von der Regierung genehmigt werden.

Zu Nr. 2: Planung und Koordinierung durch den Versorgungsarzt

Gegenstand der Planung und Koordinierung durch den Versorgungsarzt sind insbesondere:

  • Etablierung von Schwerpunktpraxen bzw. Organisation von Infektsprechstunden für die Untersuchung und Behandlung von potentiell infektiösen Patienten, insbesondere COVID-19-Patienten, und die Rekrutierung des hierfür erforderlichen Personals:

Die Etablierung von Schwerpunktpraxen bzw. Infektsprechstunden ist unter dem Gesichtspunkt der möglichst durchgehenden Aufrechterhaltung der ambulanten ärztlichen Versorgung sinnvoll, weil dadurch das Infektionsrisiko innerhalb der gesamten örtlichen Ärzteschaft und ihrer Mitarbeiter stärker eingegrenzt werden kann. Dies gilt nicht nur deswegen, weil hierdurch weniger Personen in unmittelbaren Kontakt mit infizierten Patienten kommen als bei einer Behandlung durch eine Vielzahl von Praxen. Vielmehr ist in diesen spezialisierten Schwerpunktpraxen ggf. auch die Etablierung effektiverer Infektionsschutzvorkehrungen möglich.

Für die Etablierung von Schwerpunktpraxen bzw. Organisation von Infektsprechstunden ist auf bestehende Strukturen zurückzugreifen. Soweit dies örtlich zwingend erforderlich ist, können auch ausgelagerte Praxisräume aufgebaut werden. Dabei sind vorrangig Abrechnungsmöglichkeiten medizinischer und organisatorischer Leistungen im Rahmen des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns abzustimmen. Bei kostenintensiven Maßnahmen, die von den Kreisverwaltungsbehörden nicht mit den Regierungen abgestimmt werden, können die Kosten nicht übernommen werden (siehe hierzu IMS vom 10.11.2021 zur Feststellung der Katastrophe, Az. D4-2257-3-49).

Die Behandlung durch diese Schwerpunktpraxen und deren Vergütung erfolgt bei gesetzlich krankenversicherten Personen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung bzw. bei privatversicherten Personen auf Privatliquidation.

  • Planung und Vorbereitung aller notwendigen Maßnahmen, die aufgrund des pandemiebedingten Bedarfsanstiegs erforderlich sind, damit die ambulante ärztliche Grund- und Regelversorgung weiterhin aufrechterhalten werden kann.

Mit fortschreitender Ausbreitung des Infektionsgeschehens ist davon auszugehen, dass sich – trotz Impfung und sonstiger Schutzmaßnahmen – auch zunehmend medizinisches Personal und Ärzte mit SARS-CoV-2 infizieren können und an COVID-19 erkranken und damit für die Versorgung (zumindest zeitweise) ausfallen.

Gleichwohl muss eine ambulante ärztliche Grundversorgung durch alle dafür notwendigen Fachrichtungen durchgehend aufrechterhalten werden. Diese Versorgung muss auch möglichst wohnortnah in den Landkreisen und kreisfreien Städten stattfinden.

Um dies zu gewährleisten, ist eine Planung und Koordinierung aller Maßnahmen notwendig, die aufgrund des pandemiebedingten Bedarfsanstiegs erforderlich sind, damit die ambulante ärztliche Grund- und Regelversorgung weiterhin aufrechterhalten werden kann – auch, um ggf. notwendige Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der ambulanten ärztlichen Grundversorgung erforderlichenfalls per Anordnung nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayKSG durchsetzen zu können. Bei Anordnungen nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayKSG, die in bestehende Strukturen der Regelversorgung eingreifen, sind die Auswirkungen auf die Regelversorgung zu berücksichtigen und ist möglichst das Benehmen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns herzustellen.

  • Unterstützung der Impfzentren und der niedergelassenen Ärzte bei der Umsetzung der Bayerischen Impfstrategie.

Der Ausbau des erreichten Impfschutzes der Bevölkerung stellt gemeinsam mit einer deutlichen Ausweitung der Auffrischimpfungen einen entscheidenden Schritt zur Beendigung der Pandemie dar. Neben den Impfangeboten durch niedergelassene Ärzte bieten auch die Impfzentren in Trägerschaft der Kreisverwaltungsbehörden mit ihren Impfsprechstunden und mobilen Teams ein niedrigschwelliges Impfangebot an. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass es hierbei regelmäßigen Abstimmungsbedarf gibt, z. B. mit Blick auf die angebotenen Impfkapazitäten von Impfzentren und von niedergelassenen Ärzten, die Einsatzschwerpunkte und -zeiten der mobilen Teams oder den Austausch von Impfstoffen zwischen beiden Leistungserbringern. Um auf örtlicher Ebene ein abgestimmtes, optimales Impfangebot zu gewährleisten, ist der Einsatz von Versorgungsärzten zielführend und erforderlich.

  • Bei Bedarf können Versorgungsärzte auch die FüGK bei der etwaigen Verpflichtung insbesondere medizinischen Personals unterstützen.

Die vorstehende Aufgabenaufzählung ist nicht abschließend. Insbesondere bei unvorhersehbaren bzw. kurzfristigen Entwicklungen, auf die sofort reagiert werden muss, obliegt es dem Versorgungsarzt, für die örtliche Katastrophenschutzbehörde auch weitere Maßnahmen vorzubereiten oder zu koordinieren, die der Aufrechterhaltung der ambulanten ärztlichen Versorgung vor Ort in einem den Entwicklungen angemessenen Umfang dienen.

Die Planung und Koordinierung durch den Versorgungsarzt soll im Benehmen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, bei Fragen der zahnärztlichen Versorgung im Benehmen mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns erfolgen.

Zu Nr. 3: Pflicht zur Zusammenarbeit

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns, die Bayerische Landesärztekammer, die ärztlichen Kreis- und Bezirksverbände, die Bayerische Landeszahnärztekammer sowie die zahnärztlichen Bezirksverbände sind aufgrund ihrer Pflicht zur Katastrophenhilfe gemäß Art. 7 Abs. 3 Nr. 3 BayKSG zur eingehenden Kooperation mit den Versorgungsärzten verpflichtet. Die Versorgungsärzte sind für eine erfolgreiche Planung und Koordinierung der ambulanten ärztlichen Versorgung in den jeweiligen Landkreisen und kreisfreien Städten wesentlich auf die ärztliche Selbstverwaltung und die dort vorhandenen Kenntnisse der örtlichen Versorgungsstrukturen und Leistungserbringer sowie etwaiger Besonderheiten im Versorgungsgeschehen angewiesen. Nur wenn die jeweiligen Aufgaben der Körperschaften und der Versorgungsärzte in konstruktiver Kooperation angegangen werden, kann die große Herausforderung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung während der Corona-Pandemie auch weiterhin bewältigt werden.

Zu Nr. 4: Anordnungen im Einzelfall

Die Versorgungsärzte sollen ihre Aufgaben – soweit möglich – im Konsens mit den niedergelassenen Ärzten vor Ort und den ärztlichen Standesorganisationen sowie insbesondere im Benehmen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns bzw. der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns erfüllen. Da auf Grund der äußerst dynamischen Entwicklung des Infektionsgeschehens aber zum Teil nur sehr begrenzte Zeiträume für Entscheidungsfindung und Umsetzung einzelner Maßnahmen gegeben sind, müssen die von den Versorgungsärzten geplanten Maßnahmen im Einzelfall auch mittels Anordnung umgesetzt werden können, wenn ein Konsens darüber vor Ort nicht oder nicht rechtzeitig erzielt werden kann. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn vor Ort keine Einigung über die Festlegung von Schwerpunktpraxen für die Untersuchung und Behandlung von COVID-19-Patienten möglich ist oder sich auf freiwilliger Basis nicht ausreichend Personal zum Betrieb von Schwerpunktpraxen oder für die Aufrechterhaltung der ambulanten ärztlichen Grundversorgung gewinnen lässt. In diesen Fällen werden die Planungen und Koordinierungen des Versorgungsarztes durch entsprechende Anordnungen der jeweiligen Leitung der örtlichen Katastrophenschutzbehörde umgesetzt (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayKSG). Dies gilt auch gegenüber den nach Art. 7 Abs. 3 BayKSG zur Katastrophenhilfe verpflichteten Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns, Bayerischen Landesärztekammer sowie ihren Kreis- und Bezirksverbänden und der Bayerischen Landeszahnärztekammer sowie ihren Bezirksverbänden als Körperschaften des öffentlichen Rechts.

Zu Nr. 5: Inkrafttreten

Die Bekanntmachung tritt mit Wirkung vom 26. November 2021 in Kraft.

Karl Michael Scheufele

Ministerialdirektor

Dr. Winfried Brechmann

Ministerialdirektor