Veröffentlichung BayMBl. 2022 Nr. 202 vom 30.03.2022

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Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales

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Verwaltungsvorschrift

2160-A
  • Verwaltung
  • Jugendrecht
  • Jugendförderung

2160-A

Förderung der Erziehungsberatungsstellen

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales

vom 14. März 2022, Az. V2/6523.01-1/23

1Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales gewährt nach Maßgabe dieser Richtlinie und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen (insbesondere der Verwaltungsvorschriften zu Art. 44 der Bayerischen Haushaltsordnung) Zuwendungen für die Beratungsstellen für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien (Erziehungsberatungsstellen) auf der Grundlage des Bayerischen Kinder- und Jugendprogramms. 2Die Förderung erfolgt ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. 3Die Aufgabenstellung und Förderung der Ehe-, Familien- und Lebensberatung ist von dieser Richtlinie nicht erfasst.

1.Gegenstand und Zweck der Förderung

1.1
1Aufgabe der obersten Landesjugendbehörden ist es, die Weiterentwicklung der Jugendhilfe anzuregen und zu fördern (§ 82 Abs. 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VIII). 2Davon unberührt bleibt die den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe obliegende Gesamtverantwortung nach § 79 SGB VIII in Verbindung mit Art. 15 des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze – AGSG. 3Der Freistaat Bayern unterstützt mit diesem Förderprogramm die Landkreise und kreisfreien Städte bei der Sicherstellung bedarfsgerechter Strukturen im Bereich der Erziehungsberatung. 4Im Zusammenwirken mit den freien Trägern der Jugendhilfe haben diese für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben Erziehungsberatungsstellen in ausreichendem und bedarfsgerechtem Umfang vorzuhalten, der Aufgabenbereich umfasst insbesondere:
  • Beratung von Kindern und Jugendlichen (§ 8 SGB VIII),
  • allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie (§ 16 SGB VIII),
  • Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung (§ 17 SGB VIII),
  • Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts (§ 18 SGB VIII),
  • Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen (§ 20 SGB VIII),
  • Erziehungsberatung (§ 28 SGB VIII unter Berücksichtigung der §§ 27, 36, 41 SGB VIII),
  • Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche (§ 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII).
1.2
1Erziehungsberatungsstellen sind Teil der örtlichen psychosozialen Grundversorgung und der Krisenhilfe für junge Menschen und Familien. 2Durch geeignete organisatorische Maßnahmen sind unverhältnismäßige Wartezeiten zu vermeiden.
1.2.1
1Eltern, sonstige Erziehungsberechtigte, Familien und junge Menschen erhalten sowohl persönlich, als auch gegebenenfalls unter Einsatz weiterer Kommunikationsformen (Telefon, onlinebasierte Beratung etc.), niederschwellige Beratung. 2Pädagogische und damit verbundene therapeutische Leistungen werden angeboten. 3Die Hilfe verfolgt insbesondere das Ziel, bei der Klärung und Bewältigung individueller und familienbezogener Probleme, bei der Lösung von Erziehungsfragen sowie bei Trennung und Scheidung zu unterstützen. 4Die Ratsuchenden sollen insbesondere unterstützt werden bei der eigenständigen Wahrnehmung von Erziehungsaufgaben und beim (Wieder-)Aufbau förderlicher Sozialisations- und Erziehungsbedingungen.
1.2.2
Leistungsinhalte sind insbesondere:
  • präventive Förderung der Erziehung in der Familie insbesondere in Belastungssituationen,
  • präventive Multiplikatorenarbeit, insbesondere Zusammenarbeit mit Kindertageseinrichtungen, Schulen, Familienbildungsstätten, Frühförderstellen, Familiengerichten und Selbsthilfegruppen (zum Beispiel Alleinerziehende, Pflege- und/oder Adoptiveltern), sowie Sozialraumorientierung,
  • aufsuchende Hilfen an Orten, an denen sich Kinder und ihre Familien aufhalten, um die möglichst niedrigschwellige Erreichbarkeit und bei Bedarf ganzheitliche Hilfen sicherzustellen (zum Beispiel Sprechstunden und Angebote an Kindertageseinrichtungen, Familienstützpunkten, Jugendzentren, psychiatrische Kliniken, Frauenhäusern etc.), siehe auch Nr. 4.4,
  • Ausbau onlinegestützter digitaler Beratungsangebote,
  • Informationsveranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit,
  • psychologisch-psychosoziale Diagnostik,
  • Förderung, Verbesserung, Stabilisierung der Entwicklung und soziale Integration von jungen Menschen mit besonderen Schwierigkeiten oder belastenden Erlebnissen wie seelischer, körperlicher sowie sexueller Gewalt,
  • kurzfristige Krisenintervention,
  • Klärung und Unterstützung bei der Bewältigung intrafamiliärer Beziehungskonflikte oder partnerschaftlicher Konflikte der Eltern und ihrer Auswirkungen auf die Kinder, insbesondere bei Trennung oder Scheidung,
  • Unterstützung bei der Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge, bei der kindgerechten Durchführung der Umgangsregelungen und der Anbahnung von Besuchskontakten (Sorgerechts- und Umgangsmediation),
  • Anregung zu ergänzenden oder weiterführenden Maßnahmen oder Hilfen, unter rechtzeitiger Einschaltung des Jugendamts, sobald sich ein Hilfebedarf nach §§ 27 ff. SGB VIII oder § 35a SGB VIII abzeichnet,
  • Mitwirkung bei der Aufstellung, Durchführung und Überprüfung des Hilfeplans gemäß § 36 SGB VIII, soweit Leistungen der Erziehungsberatung zu erbringen sind,
  • Kooperation mit anderen relevanten Fachrichtungen (zum Beispiel Kindermedizin, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Erwachsenenpsychiatrie und Psychotherapie),
  • Qualitätssicherung, insbesondere Kosten-/Nutzeneffizienz und Überprüfung der Maßnahmen und Ergebnisse auf Wirksamkeit (Evaluation).
1.2.3
1Aufgabe der Beratungsstellen ist es in der Regel nicht, langfristige Therapien durchzuführen. 2In Fällen, in denen andere Sozialleistungsträger vorrangig psychotherapeutische oder therapeutische Leistungen erbringen oder gewähren müssen, sollen Erziehungsberatungsstellen nicht tätig werden.

2.Zuwendungsempfänger

Zuwendungsempfänger sind die Träger der Erziehungsberatungsstellen.

3.Zuwendungsvoraussetzungen

3.1
Die nachfolgenden Zuwendungsvoraussetzungen sind von allen geförderten Erziehungsberatungsstellen zu erfüllen:
  • professionelle und multidisziplinäre Besetzung der Beratungsstelle mit Fachkräften der Jugendhilfe,
  • abgeschlossenes psychologisches/psychotherapeutisches Universitätsstudium oder sozialpädagogisches Hochschulstudium mit Abschluss Master oder Bachelor (vormals Diplom),
  • andere Fachkräfte sozialwissenschaftlicher, pädagogischer oder medizinischer Studienrichtungen sowie mit Abschluss Heilpädagogik können ebenfalls berücksichtigt werden (wenn sie durch ihre Qualifikation das fachliche Profil der Beratungsstelle stärken),
  • Besetzung einer Beratungsstelle mit mindestens drei Fachpersonalstellen und einer im Umfang angemessenen Teamassistenz.
3.2
Die Zuwendungsempfänger sind im Rahmen der fachlichen und rechtlichen Möglichkeiten verpflichtet, Finanzierungsbeteiligungen Dritter in Anspruch zu nehmen.
3.3
Die Zuwendungsempfänger sind zur Sicherstellung des Wiedererkennungswertes der Erziehungsberatungsstellen verpflichtet, bei allen Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit sowie in der Außendarstellung mit der vom StMAS vorgegebenen Wort-Bild-Marke einen Hinweis auf die staatliche Förderung zu geben und in diesem Zusammenhang den Begriff „Erziehungsberatung“ zu verwenden.
3.4
1Ein angemessener Eigenanteil der Träger ist erforderlich. 2Geld- und Sachspenden sowie Bußgelder werden als Eigenmittel im Finanzierungsplan anerkannt. 3Beträgt die Höhe der staatlichen Zuwendung weniger als ein Drittel der zuwendungsfähigen Ausgaben, kann von der Erbringung eines Eigenanteils durch den Zuwendungsempfänger abgesehen werden, sofern im konkreten Fall Vorgaben anderer Geldgeber (insbesondere der Europäischen Union oder des Bundes) dem nicht entgegenstehen.

4.Art und Umfang der Förderung

4.1
1Die Förderung erfolgt als Festbetragsfinanzierung im Rahmen einer Projektförderung. 2Im Rahmen von Veröffentlichungen und in öffentlicher Kommunikation im Zusammenhang mit dem Förderprogramm sowie in direkter Kommunikation mit Antragstellern ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Finanzierung des Festbetrags für die aufsuchende Beratungsarbeit (Nr. 4.4) aus dem Sonderfonds Corona-Pandemie erfolgt und Zuwendungen aus dem Programm freiwillige Leistungen darstellen und nur insoweit bewilligt werden können, als dafür Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, und deshalb ein Zuwendungsantrag unter Umständen wegen Überzeichnung des Förderprogramms nicht bewilligt werden kann.
4.2
1Für eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft werden folgende Festbeträge zu Grunde gelegt:
mit abgeschlossenem Universitätsstudium (Altfälle) oder Master bis zu 19 700 €,
mit abgeschlossenem Fachhochschulstudium (Altfälle) oder Bachelor    bis zu 14 300 €,
mit abgeschlossener Ausbildung an einer Fachakademie bis zu 10 740 €.

2Je nach Höhe der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ist durch die Bewilligungsbehörde eine anteilige Anpassung der Festbeträge vorzunehmen.

4.3
1Die maximal mögliche Förderung der einzelnen Zuwendungsempfänger wird auf den jeweiligen fiktiven Förderbetrag im Jahr 2004 festgeschrieben, der sich aufgrund des zu diesem Zeitpunkt gültigen Stellenschlüssels und des Festbetrags nach Nr. 4.2 ergeben hätte. 2Dies gilt unabhängig von der tatsächlichen Personalbesetzung im Jahr 2004.
4.4
1Pro Erziehungsberatungsstelle in der staatlichen Förderung ist die Erhöhung des Festbetrags (Nr. 4.3) bis zu einer Stelle für die aufsuchende Beratungsarbeit um den jeweiligen (Berufsgruppen-)Festbetrag gemäß Nr. 4.2 möglich; auch eine Inanspruchnahme zu einem geringeren Anteil, mindestens jedoch im Umfang einer halben Vollzeitstelle pro Beratungsstelle, ist möglich. 2Bei einer länger als sechs Monate dauernden Abweichung von der der Festbetragserhöhung zugrunde gelegten Berufsgruppe nach unten ist der Zuwendungsbetrag von der Bewilligungsbehörde entsprechend zu vermindern. 3Die Berücksichtigung einer Abweichung von der der Festbetragserhöhung zugrunde gelegten Berufsgruppe nach oben ist ausgeschlossen.
4.5
1Bei einer länger als sechs Monate dauernden Abweichung von dem zugrunde gelegten Stellenschlüssel nach unten ist der Zuwendungsbetrag von der Bewilligungsbehörde entsprechend zu vermindern. 2Die Berücksichtigung einer Abweichung von dem zugrunde gelegten Stellenschlüssel nach oben ist ausgeschlossen.
4.6
Bewilligungszeitraum ist das Haushaltsjahr.
4.7
Soweit erforderlich, veranlassen die Bewilligungsbehörden die Auszahlung der staatlichen Zuschüsse in vierteljährlichen Abschlagszahlungen und nehmen die Jahresabrechnung im letzten Viertel des Haushaltsjahres vor.

5.Mehrfachförderungen

Eine Förderung nach dieser Richtlinie entfällt, wenn für den gleichen Zuwendungszweck andere Mittel des Freistaates Bayern in Anspruch genommen werden.

6.Antrag

6.1
1Der Antrag des Trägers der Erziehungsberatungsstelle ist unter Verwendung des bei der zuständigen Bewilligungsbehörde erhältlichen Vordrucks mit den Antragsunterlagen rechtzeitig bei dem zuständigen Jugendamt einzureichen. 2Im Falle der Zusammenarbeit mit einem anderen Träger von Beratungsstellen ist deren Art und Umfang darzustellen. 3Das Jugendamt leitet den Antrag vor Beginn des Bewilligungszeitraumes (siehe Nr. 4.6) der Bewilligungsbehörde zu. 4Es nimmt dabei zur Förderungswürdigkeit und zu Art und Umfang seiner Zusammenarbeit mit dem Träger kurz Stellung. 5Unterhält ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt eine eigene Erziehungsberatungsstelle, sind deren Anträge ebenfalls vor Beginn des Bewilligungszeitraumes (siehe Nr. 4.6) der Bewilligungsbehörde zuzuleiten.
6.2
Die Bewilligungsbehörden erstellen eine Liste, auf der von jedem Antrag folgende Daten enthalten sein müssen:
  • Anschrift der Erziehungsberatungsstellen,
  • Träger der Erziehungsberatungsstellen,
  • Personalstand der Erziehungsberatungsstellen nach Berufsgruppen unter gesondertem Ausweis des Personals nach Nr. 4.4,
  • Zuwendungsbetrag, unter gesondertem Ausweis des Erhöhungsbetrages nach Nr. 4.4.
6.3
Die Liste nach Nr. 6.2 legen die Bewilligungsbehörden spätestens bis zum 1. August eines Jahres beim StMAS zur Billigung vor.

7.Bewilligungsbehörden

7.1
Bewilligungsbehörde ist die jeweils zuständige Regierung; diese bewilligt die Zuwendungen und zahlt die Zuschüsse aus, sobald die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.
7.2
Die Bewilligungsbehörden im Sinne von Nr. 7.1 geben nicht verbrauchte Mittel bis 15. Oktober eines Jahres dem StMAS zurück.
7.3
Bis spätestens 31. Dezember eines Jahres übersenden die Bewilligungsbehörden dem StMAS, die Liste der bewilligten Zuwendungen nach den Vorgaben bei Nr. 6.2.

8.Nachweis und Prüfung der Verwendung

8.1
1Den Bewilligungsbehörden obliegt die Prüfung der Verwendungsnachweise, die aus einem Tätigkeitsbericht, einem zahlenmäßigen Nachweis und einer Bestätigung über die zweckentsprechende Verwendung der Mittel bestehen. 2Der Tätigkeitsbericht ist nach dem vom StMAS vorgegebenen Gliederungsschema für Jahresberichte zu erstellen.
8.2
1Der Verwendungsnachweis ist bis spätestens 31. März des Folgejahres bei der jeweils zuständigen Bewilligungsbehörde vorzulegen. 2Diese prüft den Verwendungsnachweis in eigener Zuständigkeit und Verantwortung.
8.3
Von den im Zusammenhang mit dem Verwendungsnachweis eingereichten Tätigkeitsberichten ist jeweils eine Ausfertigung an das StMAS weiterzuleiten.

9.Datenschutz

1Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sind die datenschutzrechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Verordnung (EU) 2016/679 (EU-Datenschutzgrundverordnung – DSGVO) einzuhalten. 2Die jeweils zuständige Bewilligungsbehörde ist Verantwortliche im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO. 3Die Verpflichtungen aus der DSGVO (insbesondere die Betroffenenrechte und die Informationspflichten gemäß Art. 13 f. DSGVO) werden von der jeweils zuständigen Bewilligungsbehörde erfüllt.

10.Schlussbestimmungen

10.1
1Diese Richtlinie tritt mit Wirkung vom 1. Januar 2022 in Kraft. 2Sie tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2025 außer Kraft.
10.2
1Die beim Inkrafttreten dieser Richtlinie bestehenden und schon bisher staatlich geförderten Erziehungsberatungsstellen, welche die in Nr. 3.1 geforderte Zahl an Fachkräften nicht vorhalten, können weiterhin gefördert werden, wenn sie zur Deckung des örtlichen Bedarfs erforderlich sind. 2Auf die vorrangige Verantwortung der Kommunen, denen nach den §§ 79, 80 SGB VIII die Planungs- und Gesamtverantwortung für Maßnahmen der Jugendhilfe obliegt, wird in diesem Zusammenhang besonders hingewiesen.

Dr. Markus Gruber

Ministerialdirektor