Veröffentlichung BayMBl. 2022 Nr. 275 vom 04.05.2022

Veröffentlichendes Ressort

Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales

Download

Hash-Prüfsumme der PDF-Datei BayMBl(sha256): BC3CEE66F46F36336099E7413C2896390D2A21872DB3DD6C175AF796D72C6B97

Verwaltungsvorschrift

2231-A
  • Verwaltung
  • Kulturelle Angelegenheiten
  • Schulisches und außerschulisches Bildungswesen
  • Kindertageseinrichtungen und sonstige Formen der Kinderbetreuung

2231-A

Rahmenhygieneempfehlung zur Umsetzung des Schutz- und Hygienekonzepts für
die Kindertagesbetreuung und Heilpädagogische Tagesstätten
(Rahmenhygieneempfehlung Kindertagesbetreuung und HPT)

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales

vom 29. April 2022, Az. V3/0113.03-1/783

Vorbemerkung und Geltungsbereich

1Nach § 36 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) sind alle Kindertageseinrichtungen und Heilpädagogischen Tagesstätten (HPT) grundsätzlich verpflichtet, in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensanweisungen zur Einhaltung der Infektionshygiene festzulegen, um Infektionsrisiken zu minimieren.

2Die vorliegende, rechtlich nicht bindende Rahmenhygieneempfehlung für die Kindertagesbetreuung und für HPT dient ab dem 5. Mai bis auf Weiteres zur Empfehlung und Orientierung bei Erstellung oder Aktualisierung der individuellen Hygienepläne.

3Es wird darauf hingewiesen, dass die Einrichtungsträger nach den Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes sowie der DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ verpflichtet sind, zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit eine Gefährdungsbeurteilung für Beschäftigte und Versicherte, das heißt auch betreute Kinder, durchzuführen. 4Bei der Beschäftigung schwangerer Frauen in der Kindertageseinrichtung/HPT sind die „Informationen zum Mutterschutz im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2/COVID-19“ zu beachten.

5Ergänzend zu den Vorgaben

  • des IfSG,
  • der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) in der jeweils geltenden Fassung,
  • des Arbeitsschutzes (zum Beispiel Arbeitsschutzgesetz, SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung),
  • sowie sonstiger rechtlich zwingender Normen

werden folgende infektionshygienische Maßnahmen empfohlen:

1.Empfohlenes Vorgehen bei Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Erkrankung eines Kindes oder eines Beschäftigten

a)
1Bei leichten, neu aufgetretenen Erkältungs- oder respiratorischen Symptomen (wie Schnupfen und Husten, aber ohne Fieber) wird der Besuch der Kindertageseinrichtung/HPT/Tagespflegestelle für Kinder nur angeraten, wenn die Eltern eine Bestätigung vorlegen, dass das betreffende Kind nach Auftreten der Symptome nach Halbsatz 1 negativ auf SARS-CoV-2 getestet wurde (PoC-Antigen-Schnelltest, Selbsttest oder PCR-Test). 2Bei Schnupfen oder Husten allergischer Ursache (zum Beispiel Heuschnupfen), bei verstopfter Nasenatmung (ohne Fieber), bei gelegentlichem Husten, Halskratzen oder Räuspern ist ein Besuch der Kindertageseinrichtung/HPT/Tagespflegestelle ohne Test möglich.
b)
Für kranke Kinder in reduziertem Allgemeinzustand mit Symptomen wie zum Beispiel Fieber, Husten, Kurzatmigkeit, Luftnot, Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns, Hals- oder Ohrenschmerzen, Schnupfen, Gliederschmerzen, starken Bauchschmerzen, Erbrechen oder Durchfall sollte der Besuch der Kindertageseinrichtung/HPT/Tagespflegestelle erst wieder zugelassen werden, wenn sich ihr Allgemeinzustand gebessert hat und diese bis auf leichte Erkältungs- beziehungsweise respiratorische Symptome (wie Schnupfen und Husten, aber ohne Fieber) mindestens 48 Stunden symptomfrei sind.
c)
Es wird empfohlen, dass sich die Beschäftigten und Tagespflegepersonen ebenfalls an den Empfehlungen der Buchst. a und b orientieren.
d)
1Erhalten in der Kindertagesbetreuung Beschäftigte ein positives Ergebnis in einem selbst durchgeführten Test auf SARS-CoV-2 (Selbsttest), empfiehlt sich eine freiwillige Selbstisolation sowie Kontaktreduktion. 2Eine entsprechende Empfehlung gilt für die betreuten Kinder, bei denen ein Selbsttest ein positives Ergebnis zeigt. 3Ein positiver Selbsttest sollte durch einen PoC-Antigen-Schnelltest oder PCR-Test überprüft werden.
e)
Die Betreuung oder Tätigkeit in der Kindertageseinrichtung/HPT/Tagespflegestelle ist nicht zulässig, wenn nach den jeweils geltenden Regelungen der Allgemeinverfügung zur Isolation von positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getesteten Personen (AV Isolation) eine Isolationspflicht besteht.

2.Allgemeine Verhaltensempfehlungen

1Die Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen/HPT, Tagespflegepersonen sowie erwachsene Besucherinnen und Besucher sollten untereinander das Abstandsgebot von 1,5 Metern sowie die bekannten Hygieneregeln einhalten:

a)
Berührungen, Umarmungen und Händeschütteln sollten vermieden werden.
b)
Häufiges Händewaschen mit Seife wird auch über die Mindestanforderungen des Hygieneplans hinaus empfohlen (zum Beispiel nach der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln; nach dem erstmaligen Betreten des Gebäudes; vor dem Aufsetzen und vor sowie nach dem Abnehmen einer Mund-Nasen-Bedeckung oder einer medizinischen Gesichtsmaske).
c)
1Neben den Beschäftigten der Kindertageseinrichtungen/HPT und Tagespflegepersonen sollten sich auch die Eltern und Kinder nach Betreten der Einrichtung gründlich die Hände waschen. 2Eltern können sich alternativ die Hände desinfizieren. 3Kinder und Beschäftigte sollten zum Abtrocknen der Hände jeweils ein eigenes Handtuch oder Einmalhandtücher verwenden.
d)
1Beim Händewaschen sollten die gesamte Hand einschließlich Handrücken, Fingerzwischenräume, Daumen und Fingernägel für mindestens 20 bis 30 Sekunden mit Seife eingeschäumt werden. 2Auch kaltes Wasser ist ausreichend, wichtig ist der Einsatz von Seife. 3Zur Reinigung der Hände sollten hautschonende Flüssigseife und Handtuchspender zur Verfügung gestellt werden.
e)
1Für Beschäftigte und Kinder sollte ein Hautschutzplan erstellt werden. 2Hierbei ist auch die Pflege der Hände der Kinder mit einem geeigneten Hautschutzmittel zu berücksichtigen (gegebenenfalls in Absprache mit den Eltern, um allergische Reaktionen auszuschließen).
f)
Das Berühren der Schleimhäute im Gesichtsbereich (Augen, Mund etc.) mit ungewaschenen Händen sollte vermieden werden.
g)
1Husten- und Nies-Etikette: Beim Husten und Niesen wegdrehen von anderen Personen. 2Benutzung von Einmaltaschentüchern zum Husten und Niesen, regelmäßige Entsorgung im verschließbaren Hausmüll, alternativ: Niesen oder Husten in die Ellenbeuge.
h)
1Desinfektion der Hände bei den Beschäftigten (nach Hygieneplan): Eine Desinfektion der Hände ist nur dann sinnvoll, wenn ein Händewaschen nicht möglich ist und nach Kontakt mit Fäkalien, Blut oder Erbrochenem. 2Dazu sollte ein geeignetes Desinfektionsmittel (Wirkspektrum mindestens begrenzt viruzid) in ausreichender Menge in die trockene Hand gegeben und bis zur vollständigen Abtrocknung ca. 30 Sekunden in die Hände eingerieben werden. 3Dabei ist auf die vollständige Benetzung der Hände zu achten (siehe auch www.aktion-sauberehaende.de).

2Diese Verhaltensempfehlungen sollen auch entwicklungsangemessen mit den Kindern erarbeitet und umgesetzt werden (§ 13 der Kinderbildungsverordnung – AVBayKiBiG). 3Insbesondere das Händewaschen sollte gründlich mit den Kindern durchgeführt werden. 4Eine Handdesinfektion ist bei Kindern weder sinnvoll noch erforderlich.

5Informationen zu Verhaltensmaßnahmen (Händehygiene, Husten- und Niesetikette, Abstand halten) sollten auch mittels Postern und anderen auffälligen Hinweisen gegeben werden (www.infektionsschutz.de).

3.Reinigung und Desinfektion

3.1
Allgemeines

1Die aufgeführten Maßnahmen des Hygieneplans, über den jede Kindertageseinrichtung/HPT verfügt, sind weiterhin grundsätzlich ausreichend. 2Falls nicht bereits im Hygieneplan vorgesehen, empfiehlt es sich, die Hygienemaßnahmen mindestens wie folgt zu erweitern:

a)
Handkontaktflächen (insbesondere Türklinken, Tischoberflächen, Fenstergriffe, in Kinderkrippen auch Fußböden mit häufigem Handkontakt beim Spielen) sollten je nach Bedarf auch häufiger am Tag gereinigt werden.
b)
Eine Reinigung mit Hochdruckreinigern sollte aufgrund von Aerosolbildung unterlassen werden.
3.2
Desinfektion von Flächen

1Die Anwendung von Desinfektionsmitteln sollte auf die im Hygieneplan vorgesehenen Anwendungsbereiche beschränkt bleiben. 2Insbesondere sind keine routinemäßigen Flächendesinfektionsmaßnahmen (Boden, Möbel, Sanitärbereich) erforderlich. 3Auch bei häufigen Handkontaktflächen reicht eine Reinigung mit einem handelsüblichen Reiniger aus. 4In bestimmten sensiblen Bereichen (zum Beispiel Küche) können desinfizierende Mittel und Verfahren notwendig sein.

5Nach einer Kontamination mit potenziell infektiösem Material (Erbrochenem, Stuhl und Urin sowie Blut) soll zunächst das kontaminierte Material mit einem in Desinfektionsmittel getränkten Einmaltuch (Zellstoff u. ä.) entfernt werden und das Tuch sofort in den Abfall entsorgt werden. 6Anschließend soll die Fläche durch eine Scheuer-Wisch-Desinfektion desinfiziert werden.

7Bei der Bereitstellung von Desinfektionsmitteln sollten Desinfektionsmittel mit geprüfter und nachgewiesener Wirksamkeit, zum Beispiel aus der aktuell gültigen Desinfektionsmittelliste des Verbundes für Angewandte Hygiene e. V. (VAH), der RKI-Liste beziehungsweise im Küchenbereich aus der Desinfektionsmittelliste der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) mit der entsprechenden Konzentration und Einwirkzeit verwendet werden. 8Dies sollte in Absprache mit dem zuständigen Gesundheitsamt beziehungsweise der Lebensmittelüberwachungsbehörde erfolgen. 9Reinigungs- und Desinfektionsmittel sind vor unberechtigtem Zugriff geschützt aufzubewahren.

4.Belüftung

1Regelmäßiges Lüften fördert die Luftqualität und dient der Hygiene, da in geschlossenen Räumen in Abhängigkeit von der Anzahl der anwesenden Personen die Anzahl von Aerosol getragenen Krankheitserregern in der Raumluft steigen kann. 2Durch das Lüften wird die Zahl möglicherweise in der Luft vorhandener erregerhaltiger, feinster Tröpfchen reduziert.

3Als Indikator für eine gute Raumluft kann die CO2-Konzentration herangezogen werden. 4Der allgemein als akzeptabel eingestufte Wert von 1 000 ppm (Pettenkofer-Zahl) sollte in der Zeit der Epidemie möglichst unterschritten werden. 5Mit der CO2-App (Rechner und Timer) des Instituts für Arbeitsschutz (IFA) lässt sich überschlägig die CO2-Konzentration in Räumen berechnen und die optimale Zeit und Frequenz zur Lüftung eines Raumes bestimmen. 6Zur Überprüfung der Luftqualität kann auch der Einsatz einer CO2-Ampel beziehungsweise eines CO2-Sensors oder eine CO2-Messung hilfreich sein.

7Eine ausreichende Belüftung kann durch vollständig geöffnete Fenster (am besten Querlüftung) oder durch Raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlage, Lüftungsanlage) sichergestellt werden.

8Die einfachste Form der Lüftung ist die Fensterlüftung. 9Diese sollte als Stoßlüftung über die gesamte Öffnungsfläche der Fenster vor Beginn der Tätigkeitsaufnahme und dann in regelmäßigen Abständen, möglichst alle 20 Minuten, erfolgen. 10Eine Orientierung der Lüftungsintervalle an der CO2-Konzentration (siehe oben) wird empfohlen. 11In Anlehnung an die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A3.6 können als Mindestdauer der Stoßlüftung im Winter drei Minuten, im Frühling und Herbst fünf Minuten sowie im Sommer zehn Minuten herangezogen werden. 12Es wird empfohlen, in Abhängigkeit von der konkreten Situation vor Ort, zur Sicherstellung eines ausreichenden Luftwechsels einen Lüftungsplan für alle regelmäßig genutzten Räume der Einrichtung aufzustellen.

13Geöffnete Fenster können eine Absturzgefahr darstellen, zum Beispiel, wenn Kinder auf Fensterbänke klettern. 14Dieser Gefahr muss mit einer angemessenen Aufsicht (zum Beispiel ständige Beobachtung) begegnet werden. 15Auch auf Einklemmschutz ist zu achten.

16Bei Vorhandensein von RLT-Anlagen sollte geprüft und sichergestellt werden, dass eine potenzielle Weiterverbreitung von Krankheitserregern über die Lüftungsanlage ausgeschlossen ist. 17Dies hängt unter anderem von der Art und dem Betrieb der vorhandenen Lüftungsanlage ab. 18Dies erfordert einen möglichst hohen Frischluftanteil bei ausreichender Luftfeuchtigkeit. 19Eine regelmäßige Wartung und ein bestimmungsgemäßer Betrieb werden vorausgesetzt, eine Umluftbeimengung ist zu minimieren. 20Die technischen Details (Filterung, Umluftanteil, Fortluftführung etc.) müssen in die Gefährdungsbeurteilung miteinbezogen werden. 21Von einer generellen Abschaltung von RLT-Anlagen wird abgeraten, da dies zu einer Erhöhung der Aerosolkonzentration in der Raumluft und damit zur Erhöhung des Infektionsrisikos führen kann.

Dr. Markus Gruber

Ministerialdirektor