Veröffentlichung BayMBl. 2022 Nr. 433 vom 27.07.2022

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Staatsministerium der Finanzen und für Heimat

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Verwaltungsvorschrift

66-F
  • Finanzwesen
  • Sicherheitsleistung

66-F

Richtlinie zur vorübergehenden Gewährung von Staatsbürgschaften im Bereich der
gewerblichen Wirtschaft zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression
Russlands gegen die Ukraine
(UKR-Bürgschaftsrichtlinie gewerbliche Wirtschaft – UKR-BürggWR)

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat

vom 12. Juli 2022, Az. 44-L 6801-1/8

Auf Grund des Art. 6 Buchst. a des Gesetzes über die Übernahme von Staatsbürgschaften und Garantien des Freistaates Bayern (BÜG) in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 66-1-F) veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Art. 11 des Gesetzes vom 9. April 2021 (GVBl. S. 150) geändert worden ist, und des Art. 4 des LfA-Gesetzes (LfAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2001 (GVBl. S. 332, BayRS 762-5-F), das zuletzt durch § 1 Abs. 327 der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98) geändert worden ist, macht das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat im Einvernehmen mit den Bayerischen Staatsministerien für Wissenschaft und Kunst, für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Familie, Arbeit und Soziales sowie für Umwelt und Verbraucherschutz bekannt:

Teil 1

Allgemeine Bestimmungen

1.Anwendungsbereich

1.1

1Diese Richtlinie gilt für die Übernahme von Staatsbürgschaften gegenüber Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen für Kredite zur Finanzierung im Bereich der gewerblichen Wirtschaft (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Übernahme von Staatsbürgschaften und Garantien des Freistaates Bayern), die bis zum 31. Dezember 2022 gewährt werden, um Unternehmen, die durch die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine und den in diesem Zusammenhang von der EU und ihren internationalen Partnern erlassenen und gegebenenfalls noch zu erlassenden Sanktionen sowie möglichen wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen beispielsweise Russlands betroffen und vorübergehend in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, den Zugang zu Liquidität zu ermöglichen oder zu erleichtern. 2Die Betroffenheit liegt insbesondere vor bei:

a)
Umsatzrückgang durch weggebrochenen Absatzmarkt (Ukraine, Belarus, Russland); davon wird ausgegangen, wenn der Anteil des durchschnittlichen Jahresumsatzes der Unternehmensgruppe der letzten drei Jahre in den Märkten Ukraine, Belarus, Russland mindestens zehn Prozent des durchschnittlichen Gesamtumsatzes der Unternehmensgruppe in den letzten drei Jahren betrug;
b)
nachgewiesenen Produktionsausfällen in den Ländern Ukraine, Belarus und Russland;
c)
nachgewiesenen Produktionsausfällen aufgrund fehlender Rohstoffe oder Vorprodukte, die unmittelbar oder mittelbar aus den Ländern Ukraine, Belarus oder Russland stammen;
d)
Schließung von Produktionsstätten in der Ukraine, Belarus oder Russland;
e)
gestiegenen Energiekosten, wenn der Energiekostenanteil mindestens drei Prozent des Jahresumsatzes der Unternehmensgruppe im Jahr 2021 betrug. 2Unter Energiekosten werden Energiebeschaffungskosten für Wärme, Strom oder Treibstoff gefasst, wobei es unerheblich ist, aus welcher Quelle die Energie stammt.
1.2

1Eine Bürgschaft gemäß dieser Richtlinie kann nur zugunsten von Unternehmen gewährt werden, die sich am 31. Dezember 2021 nicht in Schwierigkeiten befunden haben. 2Maßgeblich ist hierfür die Definition in Art. 2 Abs. 18 der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 (Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) vom 17. Juni 2014, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2020/972 vom 2. Juli 2020.

1.3

1Die Bearbeitung und Entscheidung über Bürgschaften zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine bis zu einer Höhe von einschließlich 30 Mio. € obliegt der LfA Förderbank Bayern (LfA) in eigener Verantwortung gemäß Art. 3 Abs. 3 LfAG und der Bewilligungsgrundsätze der LfA, wenn der Jahresumsatz des Unternehmens nicht über 500 Mio. € liegt. 2Dies gilt auch für Bürgschaftsengagements, an denen der Bund, der Bund und ein Land, der Bund und mehrere Länder, ein Land oder mehrere Länder beteiligt sind, wenn das originäre Risiko des Freistaates Bayern, das heißt das endgültige Bürgschaftsobligo nach Abzug der Anteile der übrigen Beteiligten, den Betrag von 30 Mio. € nicht übersteigt.

2.Rechtsgrundlagen

2.1

Die Übernahme einer Staatsbürgschaft erfolgt nach Maßgabe dieser Richtlinie unter Beachtung der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen sowie der „BKR-Bundesregelung Bürgschaften 2022“ (genehmigt von der Europäischen Kommission am 4. Mai 2022 unter der Beihilfe-Nr. SA 102631) in Verbindung mit Nrn. 1.4, 1.5, 2.2 und 3 der Mitteilung der Europäischen Kommission C(2022) 1890 vom 23. März 2022 („Temporary Crisis Framework“) in der jeweils geltenden Fassung.

2.2
Ein Rechtsanspruch auf Übernahme einer Bürgschaft besteht nicht.

3.Entsprechende Anwendung der Bürgschaftsrichtlinie gewerbliche Wirtschaft

Soweit in dieser Richtlinie nichts Gegenteiliges geregelt ist, gelten für Staatsbürgschaften nach dieser Richtlinie die Vorgaben der Bürgschaftsrichtlinie gewerbliche Wirtschaft (BürggWR).

Teil 2

Ausgestaltung von Staatsbürgschaften

4.Verwendungszweck

Die Staatsbürgschaft nach dieser Richtlinie kann sowohl zur Absicherung von Investitions- als auch Betriebsmittelkrediten gewährt werden.

5.Kreditgeber

Der Kreditgeber muss nachweisen können, dass er anhand eines Mechanismus sicherstellt, dass die Vorteile der Staatsbürgschaft – in Form umfangreicherer Finanzierungen, riskanterer Portfolios, geringerer Besicherungsanforderungen, niedrigerer Garantieprämien oder niedrigerer Zinssätze, als ohne solche die Staatsbürgschaft möglich wären – so weit wie möglich an den Kreditnehmer weitergegeben werden.

6.Kreditnehmer

Der verbürgte Kredit darf keinem Kreditnehmer gewährt werden, gegen den die EU Sanktionen verhängt hat, so unter anderem

a)
keine Person, Organisation oder Einrichtung, die in den Rechtsakten, mit denen diese Sanktionen verhängt werden, ausdrücklich genannt ist,
b)
kein Unternehmen, das im Eigentum oder unter der Kontrolle von Personen, Organisationen oder Einrichtungen steht, gegen die die EU Sanktionen verhängt hat, und
c)
kein Unternehmen, das in Wirtschaftszweigen tätig ist, gegen die die EU Sanktionen verhängt hat, soweit der verbürgte Kredit die Ziele der betreffenden Sanktionen untergraben würde.

7.Laufzeit

Die Laufzeit einer Staatsbürgschaft nach dieser Richtlinie darf maximal acht Jahre betragen.

8.Bürgschaftsentgelt

8.1

Bei einer Laufzeit von maximal sechs Jahren entspricht das jährliche Bürgschaftsentgelt für Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Sinne des Anhangs I der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung und für Großunternehmen der in der folgenden Tabelle aufgeführten Mindesthöhe, die mit zunehmender Laufzeit steigt:

Art des Empfängers im 1. Jahr im 2. und 3. Jahr vom 4. bis 6. Jahr
KMU 25 bps 50 bps 100 bps
Großunternehmen 50 bps 100 bps 200 bps
8.2

Bei einer Laufzeit von maximal acht Jahren entspricht das jährliche Bürgschaftsentgelt für KMU und für Großunternehmen der in der folgenden Tabelle aufgeführten Mindesthöhe, die mit zunehmender Laufzeit steigt:

Art des Empfängers im 1. Jahr im 2. und
3. Jahr
vom 4. bis
6. Jahr
vom 7. bis
8. Jahr
KMU 75 bps 100 bps 150 bps 250 bps
Großunternehmen 100 bps 150 bps 250 bps 350 bps

9.Maximale Bürgschaftsquote

Die maximale Bürgschaftsquote beträgt 80 Prozent im Regelfall und in besonders begründeten Einzelfällen – bei besonderer Betroffenheit – 90 Prozent des verbürgten Kredites, wenn der Kreditausfall anteilig und zu gleichen Bedingungen vom Kreditinstitut und vom staatlichen Bürgen getragen wird und etwaige, während der Kreditlaufzeit gezahlte Tilgungen proportional auf den verbürgten und unverbürgten Kreditteil angerechnet werden und somit der verbürgte Kreditbetrag proportional abnimmt.

10.Kredithöchstbeträge

10.1

Der Gesamtkreditbetrag je Unternehmen darf folgende Höchstbeträge nicht überschreiten:

a)
15 Prozent des durchschnittlichen jährlichen Gesamtumsatzes des Unternehmens in den letzten drei abgeschlossenen Rechnungsperioden, oder
b)
50 Prozent der Energiekosten in den zwölf Monaten vor dem Monat der Einreichung des Bürgschaftsantrags.
10.2

1In begründeten Ausnahmefällen – etwa einer besonders starken Betroffenheit von der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine und den in diesem Zusammenhang von der EU und ihren internationalen Partnern erlassenen und gegebenenfalls noch zu erlassenden Sanktionen sowie möglichen wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen beispielsweise Russlands – kann der Kreditbetrag nach Nr. 10.1 erhöht werden, um den Liquiditätsbedarf ab dem Zeitpunkt der Gewährung für die kommenden zwölf Monate bei KMU und für die kommenden sechs Monate bei Großunternehmen zu decken. 2Beispiele für solche Auswirkungen sind Störungen der Lieferketten oder ausstehende Zahlungen aus Russland oder der Ukraine, erhöhte Risiken von Cyberangriffen oder steigende Preise für bestimmte von der gegenwärtigen Krise betroffene Inputs oder Rohstoffe. 3Der Liquiditätsbedarf kann sowohl die Betriebskosten als auch die Investitionskosten beinhalten. 4Der Liquiditätsbedarf sollte auf der Grundlage einer Selbstauskunft des Kreditnehmers festgestellt werden.

Teil 3

Kumulierung, Schlussvorschriften

11. Bürgschaften nach anderen Bürgschaftsrichtlinien

Von den Vorschriften dieser Richtlinie unberührt bleibt die Möglichkeit der Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen, Staatsbürgschaften nach den Vorgaben der BürggWR oder nach den Vorgaben der Bürgschaftsrichtlinie für Unternehmen in Schwierigkeiten (BürgUiSR) zu beantragen.

12.Kumulierung mit anderen Maßnahmen

12.1

Eine Staatsbürgschaft nach dieser Richtlinie kann mit anderen Maßnahmen auf Grundlage des Temporary Crisis Framework – unter Beachtung der Kumulierungsregeln – kumuliert werden.

12.2

Eine Staatsbürgschaft nach dieser Richtlinie kann mit Maßnahmen auf Grundlage der Mitteilung der Europäischen Kommission C(2020) 1863 final vom 19. März 2020 („Temporary Framework“) in der jeweils geltenden Fassung – unter Beachtung der Kumulierungsregeln – kumuliert werden.

12.3

Eine Staatsbürgschaft nach dieser Richtlinie darf nicht kumuliert werden mit Krediten auf Grundlage von Nr. 2.3 des Temporary Crisis Framework oder mit Bürgschaften oder Krediten oder beidem auf Grundlage von Nr. 3.2 oder Nr. 3.3 des Temporary Framework, die für denselben Kreditbetrag gewährt werden.

12.4

Wenn einem Kreditnehmer auf der Grundlage des Temporary Framework und des Temporary Crisis Framework Bürgschaften gewährt werden und der Gesamtkreditbetrag anhand des per Selbstauskunft erklärten Liquiditätsbedarfs des Kreditnehmers berechnet wird, darf dieser Liquiditätsbedarf nur einmal durch eine Beihilfe gedeckt werden.

12.5

Staatsbürgschaften nach dieser Richtlinie für unterschiedliche Kredite oder mehrere Maßnahmen dürfen kumuliert werden, sofern der Gesamtkreditbetrag je Kreditnehmer die unter Nr. 10 genannten Obergrenzen nicht übersteigt.

12.6

Eine Staatsbürgschaft nach dieser Richtlinie darf mit Beihilfen nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union kumuliert werden, wenn die Förderung nicht die Einbußen des Kreditnehmers übersteigt.

12.7

Eine Staatsbürgschaft nach dieser Richtlinie kann mit Beihilfemaßnahmen nach den folgenden Vorschriften kumuliert werden, sofern die Kumulierungsregeln der jeweiligen Verordnung dies zulassen:

a)
Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014,
b)
Verordnung (EU) Nr. 702/2014 der Kommission vom 25. Juni 2014,
c)
Verordnung (EU) Nr. 1388/2014 der Kommission vom 16. Dezember 2014,
d)
Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013,
e)
Verordnung (EU) Nr. 1408/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013,
f)
Verordnung (EU) Nr. 717/2014 der Kommission vom 27. Juni 2014,
g)
Verordnung (EU) Nr. 360/2012 der Kommission vom 25. April 2012.

13.Berichtspflichten, Monitoring

Die LfA erfüllt die Pflichten im Sinne des § 5 der „BKR-Bundesregelung Bürgschaften 2022“.

14.Inkrafttreten, Außerkrafttreten

1Diese Richtlinie tritt mit Wirkung vom 4. Mai 2022 in Kraft. 2Sie tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft. 3Gewährungen von Staatsbürgschaften sind bis einschließlich 31. Dezember 2022 möglich (Nr. 1 Satz 1).

Harald Hübner

Ministerialdirektor