Veröffentlichung BayMBl. 2023 Nr. 365 vom 26.07.2023

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Staatsministerium der Justiz

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Verwaltungsvorschrift

3121.0-J
  • Rechtspflege
  • Verfahren vor den ordentlichen Gerichten
  • Strafverfahren, Strafvollzug, Bußgeldverfahren, Bundeszentralregister
  • Strafverfahren (einschl. Ermittlungsverfahren)
  • Allgemeine Vorschriften über das Strafverfahren

3121.0-J

Einführung und Ergänzung der Richtlinien für das Strafverfahren und das
Bußgeldverfahren (EBekRiStBV)

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz

vom 11. Juli 2023, Az. 4208 - II - 8301/2001

1.
Die zwischen den Landesjustizverwaltungen und dem Bundesministerium der Justiz vereinbarte Neufassung der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) gemäß Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz vom 28. März 2023 (BAnz AT 19. Juni 2023 B 1) wird ab 1. September 2023 für den Freistaat Bayern in Kraft gesetzt. 
2.
Ergänzend und zum Teil abweichend gelten in Bayern nach Maßgabe der in den RiStBV enthaltenen Einführung die folgenden Vorschriften:
2.1
Anlegen von Hilfs- oder Doppelakten

– Vgl. Nrn. 12, 54 RiStBV –

(1) Das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verankerte Beschleunigungsgebot macht es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Gerichten und Staatsanwaltschaften zur Pflicht, jede mögliche organisatorische Maßnahme zur fristgemäßen Erledigung von Haftsachen auszuschöpfen.

(2) In Haftsachen sind deswegen Hilfs- oder Doppelakten (vorzugsweise in elektronischer Form) anzulegen, wenn sich dies zur gleichzeitigen Durchführung von Ermittlungs- und Verfahrenshandlungen im Interesse der Beschleunigung der Ermittlungs- und Strafverfahren empfiehlt.

(3) Hilfs- oder Doppelakten sind spätestens dann anzulegen, wenn eine Vorlage an das Oberlandesgericht nach §§ 121, 122 StPO veranlasst ist; ausgenommen sind Fälle, in denen eine vermeidbare Verzögerung des Verfahrens durch die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht ohnehin nicht eintreten kann.

(4) 1In vielen Fällen kann es ausreichen, dem Oberlandesgericht lediglich Hilfsakten vorzulegen, wenn aus ihnen die für die Beurteilung durch dieses Gericht maßgeblichen Tatsachen hervorgehen. 2Erscheint die Anlage vollständiger Doppelakten entbehrlich, so obliegt es der Staatsanwaltschaft, durch Fühlungnahme mit dem zuständigen Strafsenat festzustellen, in welchem Umfang eine Vorlage der Akten erforderlich ist.

(5) Die Führung vollständiger Doppelakten kann vor allem dann veranlasst sein, wenn wiederholt gleichzeitige Ermittlungs- oder Verfahrenshandlungen zu erwarten sind.

2.2
Registerauskünfte

– Vgl. Nr. 16 Abs. 1 RiStBV –

Die in Nr. 16 Abs. 1 RiStBV vorgesehene Einholung von Auskünften aus Strafregistern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union sollte in der Regel auch dann erfolgen, wenn der Angeklagte zwar deutscher Staatsangehöriger ist, seinen ständigen Wohnsitz aber im EU-Ausland hat.

2.3
DNA-Maßnahmen für künftige Strafverfahren

– Vgl. Nr. 16a RiStBV –

In Bayern ist durch eine generelle Absprache zwischen dem Innen- und dem Justizministerium sichergestellt, dass die Polizei die Staatsanwaltschaft immer dann einschaltet, wenn die Voraussetzungen des § 81g StPO gegeben sind, der Betroffene aber mit der DNA-Maßnahme nicht einverstanden ist.

2.4
Anordnung der Freilassung des Verhafteten

– Vgl. Nr. 55 RiStBV –

(1) 1Die Aufhebung eines Haftbefehls ist der Justizvollzugsanstalt in jedem Fall mitzuteilen, auch wenn eine sofortige Entlassung aus anderen Gründen (z. B. wegen Überhaft) nicht möglich ist. 2In der Entlassungsanordnung kann ggf. mitgeteilt werden, dass die Entlassung „nur in dieser Sache“ erfolgt.

(2) Der Staatsanwalt hat die Durchführung der Aufhebungsmitteilung bzw. der Entlassungsanordnung zu überwachen und zu dokumentieren.

(3) Auf Nr. 47.3 BayVGO wird hingewiesen.

2.5
Strafverfahren gegen Hirnverletzte

– Vgl. Nr. 63 RiStBV –

(1) Der Frage der Haftfähigkeit, insbesondere bei Epileptikern, ist erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen.

(2) Von Bedeutung kann auch eine psychotherapeutische Stellungnahme sein, die sich zur seelischen Wirkung des Strafvollzugs, der Beeindruckbarkeit des Beschuldigten durch den Strafvollzug und zur sozialen sowie zur Persönlichkeitsprognose zu äußern hat.

(3) In den in Betracht kommenden Strafsachen sollte mit dem Sozialverband VdK Deutschland e. V. Kontakt aufgenommen werden.

2.6
Verwahrung von sichergestellten oder beschlagnahmten Gegenständen

– Vgl. Nr. 74 RiStBV –

1Sichergestellte oder beschlagnahmte Gegenstände, insbesondere Führerscheine, sind in der Regel dem Gericht nur dann vorzulegen, wenn es sie zu seiner Entscheidung voraussichtlich benötigt. 2Im Übrigen genügt der Hinweis auf das Vorhandensein und den Verwahrungsort des Gegenstands, sofern sich auch dies nicht bereits aus dem Akteninhalt ergibt.

2.7
Freigabe von Fahrzeugen, die gemäß §§ 94 ff., 111b ff. StPO sichergestellt oder beschlagnahmt wurden und bei staatlichen Polizeidienststellen verwahrt sind

– Vgl. Nrn. 75, 142 RiStBV –

(1) 1Die Staatsanwaltschaft oder das Gericht weist in der Mitteilung über die Freigabe auf die Gebührenpflicht und die Höhe der Gebühr nach der Gebührenordnung zur Fahrzeugverwahrung (FVGebO) in der jeweils geltenden Fassung hin. 2Die Mitteilung wird formlos hinausgegeben.

(2) Der Polizeidienststelle, die das Fahrzeug verwahrt, wird ein Abdruck der Freigabemitteilung übersandt, auf dem der Tag der Zustellung oder Hinausgabe an den Fahrzeughalter (Fahrzeugführer) vermerkt ist.

(3) 1Für den Hinweis nach Abs. 1 und die Benachrichtigung nach Abs. 2 ist der Vordrucksatz StP 164 zu verwenden. 2Blatt 1 ist für die Mitteilung an den Fahrzeughalter (Fahrzeugführer), Blatt 2 für die Benachrichtigung der Polizeidienststelle und Blatt 3 zum Verbleib bei den Verfahrensakten bestimmt.

(4) 1Wird das Fahrzeug in der Hauptverhandlung freigegeben, so wird der Angeklagte bei der Aushändigung des Merkblatts über Rechtsmittel und Rechtsbehelfe (Nr. 142 RiStBV) auf die Gebührenpflicht und die Höhe der Gebühr nach der FVGebO hingewiesen; dabei kann wegen der Einzelheiten auf Blatt 1 des Vordrucksatzes Bezug genommen werden. 2Der Hinweis wird im Hauptverhandlungsprotokoll vermerkt und der Polizeidienststelle unter Verwendung von Blatt 2 des Vordrucksatzes mitgeteilt.

2.8
Ausschluss der Öffentlichkeit

– Vgl. Nrn. 110, 131 bis 133 RiStBV –

1Die in § 169 GVG verankerte Öffentlichkeitsmaxime ist eine grundlegende Einrichtung des Rechtsstaates. 2Im Einzelfall kann zum Schutz überwiegender Interessen, insbesondere zum Schutz der Privatsphäre, ein Ausschluss der Öffentlichkeit nach den §§ 171b ff. GVG geboten sein. 3Um sicherzustellen, dass das Gericht über den Ausschluss der Öffentlichkeit rechtzeitig entscheiden kann, ist von der Staatsanwaltschaft bereits bei der Erhebung der öffentlichen Anklage auf Umstände hinzuweisen, die es nach ihrer Auffassung geboten erscheinen lassen können, die Öffentlichkeit auszuschließen.

2.9
Zustellung der Belehrung über ein Fahrverbot bei Verurteilung in Abwesenheit des Angeklagten

– Vgl. Nr. 142 Abs. 3 RiStBV –

Wird in Abwesenheit des Angeklagten durch Urteil auf ein Fahrverbot erkannt, so ist beim Zustellungsvermerk oder in der Zustellungsurkunde aktenkundig zu machen, dass die Belehrung (§ 268c Satz 3 StPO) mit dem Urteil zugestellt wurde.

2.10
Festsetzung der notwendigen Auslagen des Beschuldigten

– Vgl. Nr. 145 RiStBV –

(1) Nach § 464b StPO, § 104 Abs. 1 ZPO, § 21 Abs. 1 Nr. 1 RPflG werden die der Staatskasse auferlegten notwendigen Auslagen des Beschuldigten auf Antrag vom Rechtspfleger durch Beschluss festgesetzt.

(2) Ergibt die Anhörung des Vertreters der Staatskasse (Nr. 145 Abs. 1 RiStBV), dass dieser die geltend gemachten Erstattungsbeträge anerkennt, so besteht aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung damit Einverständnis, dass wie folgt verfahren wird:

a)
Der Rechtspfleger ordnet ohne gleichzeitigen Erlass eines Festsetzungsbeschlusses (vgl. Nr. 145 Abs. 4 RiStBV) die Auszahlung an den Antragsteller an.
b)
1Dem Antragsteller wird ein Abdruck der Auszahlungsanordnung übersandt. 2Dem Abdruck wird die Mitteilung beigefügt, dass davon ausgegangen wird, dass sich der Antrag auf Kostenfestsetzung erledigt hat, wenn keine anders lautende Mitteilung des Antragstellers eingeht.
c)
Die Mitteilung zu b) ergeht durch den Rechtspfleger, der über den Festsetzungsantrag zu entscheiden hätte.
2.11
Übersendungsbericht in Revisions- und Rechtsbeschwerdesachen

– Vgl. Nr. 163 Abs. 1 und 2, Nr. 293 Abs. 1 Satz 2 RiStBV –

(1) 1In Revisionssachen ist bei der Vorlage der Akten in den Fällen der Nr. 163 Abs. 1 und 2 RiStBV ein Revisionsübersendungsbericht in vereinfachter Form beizufügen. 2Hierfür sind der entsprechende Textbaustein des EDV-Programms „TV-StA“(ber rev 2) und der Vordruck StP 532 a zu verwenden.

(2) 1Weitergehende Angaben nach Nr. 164 Abs. 1 Buchst. a bis h RiStBV entfallen. 2Nr. 163 Abs. 3, Nr. 164 Abs. 1 Buchst. i, Abs. 2, 3 und 4 und Nrn. 165, 166 RiStBV bleiben unberührt.

(3) 1Die in den Vordruck StP 532 a aufzunehmenden Angaben werden im Rahmen der Prüfung nach Nr. 163 Abs. 3 RiStBV festgestellt. 2Diese Prüfung soll von einem Rechtspfleger oder einem geeigneten Beamten der zweiten Qualifikationsebene vorgenommen werden. 3Dieser füllt den Vordruck StP 532 a handschriftlich aus. 4Der Vordruck StP 532 a wird nicht unterschrieben. 5Von jedwedem zusätzlichen Schreibaufwand ist abzusehen.

(4) Soweit in Bußgeldsachen ausnahmsweise ein Übersendungsbericht in Betracht kommt (vgl. Nr. 293 Abs. 1 Satz 2 RiStBV), kann der Vordruck mit den gebotenen Änderungen verwendet werden.

2.12
Beschleunigte Einleitung der Strafvollstreckung gegen Verurteilte, die sich in gleicher Sache in Untersuchungshaft befinden, bei Einlegung der Revision

– Vgl. Nrn. 167, 169 RiStBV –

(1) 1Vor Übersendung an das Revisionsgericht leitet der Staatsanwalt die Akten mit dem Vermerk „Eilt! Revision!“ dem Rechtspfleger als Vollstreckungsbehörde zu. 2Dieser hält die für die spätere Strafvollstreckung erheblichen Tatsachen, insbesondere die Daten für die Strafzeitberechnung, fest. 3Er behält gemäß § 13 Abs. 5 Satz 1 StVollstrO eine beglaubigte Abschrift des erkennenden Teils der für die Strafvollstreckung erforderlichen Urteile zurück, fertigt, falls erforderlich, die Abschriften des vollständigen Urteils, die später nach § 16 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 1 Nr. 1 StVollstrO benötigt werden, und bewahrt diese Unterlagen mit einem vorbereiteten Aufnahmeersuchen in einem in entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 2 StVollstrO angelegten vorläufigen Vollstreckungsheft auf. 4Der Rechtspfleger als Vollstreckungsbehörde leitet die Akten unverzüglich an den Staatsanwalt zurück.

(2) 1Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht übersendet eine beglaubigte Abschrift des erkennenden Teils des Revisionsurteils, das die Rechtskraft des angefochtenen Urteils herbeigeführt hat oder selbst vollstreckungsfähig ist (§ 13 Abs. 5 Satz 2, 3 StVollstrO), unmittelbar an die Vollstreckungsbehörde. 2Der Rechtspfleger führt die Erteilung des Rechtskraftvermerks durch den Urkundsbeamten des Gerichts des ersten Rechtszugs herbei, soweit er nicht schon durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Revisionsgerichts erteilt wurde. 3Er erstellt aus den Unterlagen des vorläufigen Vollstreckungshefts ein vorläufiges Aufnahmeersuchen mit vorläufiger Strafzeitberechnung und übersendet es mit einer mit dem Rechtskraftvermerk versehenen beglaubigten Abschrift des erkennenden Urteils an die Justizvollzugsanstalt; dabei ist zu bemerken, dass die endgültigen Vollstreckungsunterlagen nach Eingang der Akten alsbald nachfolgen werden.

(3) 1Ist die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO durch Beschluss verworfen worden, so wird das Revisionsgericht in der Regel die Akten sofort zurückgeben. 2Geschieht dies nicht, ist wie bei der Verwerfung durch Urteil zu verfahren.

(4) 1Die Vollstreckungsbehörde verständigt, sobald sie Kenntnis von der Rechtskraft des Urteils erhalten hat, den Vorsitzenden des Gerichts, das die Haftkontrolle führt. 2Es ist besonders darauf zu achten, dass diese Mitteilung unverzüglich geschieht, damit die Untersuchungshaft betreffende Entscheidungen unterbleiben.

(5) 1Die vom Revisionsgericht an den Staatsanwalt zurückgelangten Akten werden nach Zustellung der Revisionsentscheidung zuerst dem Rechtspfleger als Vollstreckungsbehörde zur endgültigen Einleitung der Strafvollstreckung übergeben. 2Dem Gericht sind die Akten zum Zwecke noch erforderlicher Schlussbehandlung oder etwaiger Kenntnisnahme erst nach Einleitung der Strafvollstreckung sowie der Vornahme der erforderlichen Mitteilungen, insbesondere nach Nr. 13 MiStra, zuzuleiten.

2.13
Unterrichtung des Gerichts und der Staatsanwaltschaft über den Ausgang des Revisionsverfahrens

– Vgl. Nr. 169 RiStBV –

(1) Das Revisionsgericht übermittelt zeitgleich mit der Mitteilung an den Angeklagten einen Abdruck oder eine Ablichtung der Revisionsentscheidung unmittelbar an das vorinstanzliche Gericht.

(2) 1Wird ein Strafurteil durch das Revisionsgericht aufgehoben und die Sache an ein anderes Gericht zurückverwiesen, so ist auch die bisher zuständige Staatsanwaltschaft über den Ausgang des Revisionsverfahrens zu unterrichten. 2Zu diesem Zweck leitet, soweit das Bayerische Oberste Landesgericht Revisionsgericht ist, die Generalstaatsanwaltschaft München die Akten über die bisher zuständige Staatsanwaltschaft der nunmehr zuständigen Staatsanwaltschaft zu.

2.14
Zustellung von Belehrungen bei Strafbefehlen

– Vgl. Nr. 179 RiStBV –

Wird gegen den Angeklagten mit Strafbefehl eine Freiheitsstrafe verhängt, ein Fahrverbot angeordnet oder wird er mit Strafvorbehalt verwarnt, so ist beim Zustellungsvermerk oder in der Zustellungsurkunde aktenkundig zu machen, dass die Belehrung (§ 409 Abs. 1 Satz 2 StPO) mit dem Strafbefehl zugestellt wurde.

2.15
Einspruch gegen den Strafbefehl zu Protokoll der Geschäftsstelle

– Vgl. Nr. 175 RiStBV –

1Legt der Angeklagte zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch gegen den Strafbefehl ein, so fragt ihn der Urkundsbeamte, ob er den Einspruch begründen oder auf bestimmte Beschwerdepunkte oder die Rechtsfolgen bzw. die Tagessatzhöhe beschränken und Beweismittel bezeichnen will. 2Bei einer Beschränkung auf die Tagessatzhöhe fragt der Urkundsbeamte auch danach, ob der Angeklagte einer Entscheidung im Beschlussweg zustimmt. 3Die Erklärungen des Angeklagten nimmt der Urkundsbeamte in das Protokoll auf.

2.16
Belehrung des Beschuldigten gemäß § 9 StrEG bei der Abgabe von Straßenverkehrssachen an die Verwaltungsbehörde nach § 43 OWiG

– Vgl. Nrn. 201, 243, 276 RiStBV –

1Wird ein Ermittlungsverfahren, in welchem dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen oder sein Führerschein vorläufig sichergestellt oder beschlagnahmt war, eingestellt, weil sich der Verdacht einer strafbaren Handlung nicht bestätigte, und wird die Sache zugleich gemäß § 43 OWiG an die Verwaltungsbehörde abgegeben, weil Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 24, 24a StVG bestehen, sieht die Staatsanwaltschaft bei der Mitteilung der Einstellung des Ermittlungsverfahrens an den Beschuldigten zunächst von einer Belehrung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 5 StrEG ab. 2Zugleich bittet sie die Verwaltungsbehörde bei der Abgabe des Verfahrens, die Staatsanwaltschaft nach dem Abschluss des Bußgeldverfahrens durch Übersendung der Akten über das Verfahrensergebnis zu unterrichten, falls im Bußgeldverfahren kein Fahrverbot oder ein solches mit geringerer Dauer als der Zeitraum der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis beziehungsweise Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins verhängt wurde. 3Nach einer solchen Unterrichtung durch die Verwaltungsbehörde stellt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Mitteilung über den endgültigen Abschluss des Verfahrens mit einer Belehrung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 5 StrEG zu, um die Frist des § 9 Abs. 1 Satz 4 StrEG in Gang zu setzen.

2.17
Mitteilungen an das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz

– Vgl. Nr. 205 RiStBV –

1Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVSG verpflichtet u. a. Gerichte (hinsichtlich ihrer Register) sowie staatliche Behörden wie beispielsweise Staatsanwaltschaften (umfassend), ihnen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben bekannt gewordene Informationen auch ohne vorheriges Ersuchen an das Landesamt für Verfassungsschutz zu übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Informationen für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamts für Verfassungsschutz erforderlich sein könnten. 2Die „Gemeinsame Handreichung zur Zusammenarbeit und Informationsübermittlung zwischen Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutz“ (Az. E7 - 4021 - II - 6227/2018) ist zu beachten.

2.18
Behandlung von Quellenmaterial des Landesamts für Verfassungsschutz bei den Strafverfolgungsbehörden

– Vgl. Nr. 205 Abs. 1, Nr. 213 Abs. 1 RiStBV –

1Das Landesamt für Verfassungsschutz versieht Vorgänge, deren Inhalt im Interesse des Quellenschutzes eine Weiterleitung zu den Gerichtsakten nicht zulässt, mit dem Vermerk „Nicht für die Gerichtsakten bestimmt“. 2Derartig gekennzeichnete Schriftstücke dienen ausschließlich der Information des Staatsanwalts und sind – entsprechend der Regelung in Nr. 1.5.6 der Gemeinsamen Bekanntmachung über die Inanspruchnahme von Informanten, Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) und Einsatz Verdeckter Ermittler vom 27. März 1986 (JMBl. S. 33, zuletzt geändert durch Gemeinsame Bekanntmachung vom 24. Juni 2016, JMBl. S. 34; inhaltlich entsprechend Nr. 1.5.6 der Anlage D zur RiStBV) – im Rahmen der Strafverfolgung zu den Generalakten 4110 zu nehmen. 3Sie dürfen in keinem Fall zu den Gerichtsakten gebracht werden, es sei denn, dass im Einzelfall nachträglich die Genehmigung der herausgebenden Stelle herbeigeführt wird.

2.19
Unzulässige Preisabsprachen zwischen Baufirmen

– Vgl. Nr. 242 RiStBV –

1Maßnahmen der Staatsanwaltschaften können es den hierfür zuständigen Stellen erleichtern, unzulässige Preisabsprachen zwischen Baufirmen zu verhindern. 2Insoweit hat es sich insbesondere bewährt, dass die Staatsanwaltschaft bei begründetem Verdacht von Straftaten im Zusammenhang mit unzulässigen Baupreisabsprachen den staatlichen und kommunalen Auftraggebern, die nach ihrer Kenntnis betroffen sind, die Einleitung des Verfahrens mitteilt, soweit hierdurch die Ermittlungen nicht beeinträchtigt werden, die berechtigten Belange dieser Stellen eine Mitteilung gebieten und die Mitteilung zulässig ist. 3Zulässig kann die Mitteilung insbesondere sein im Zusammenhang mit der Unterrichtung des Verletzten nach Nrn. 173, 174a RiStBV oder mit strafprozessualen Maßnahmen wie Zeugenvernehmung oder Auskunftsersuchen an die Stellen. 4Es hat sich weiter bewährt, dass den betroffenen staatlichen und kommunalen Auftraggebern durch die Staatsanwaltschaften Einsicht in Ermittlungsakten wegen Straftaten im Zusammenhang mit unzulässigen Baupreisabsprachen ermöglicht wird (vgl. insbesondere §§ 406e, 474 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StPO).

2.20
Kennzeichnung der Pressestrafsachen

– Vgl. Nr. 249 RiStBV –

(1) Bereits bei Bildung der Akten ist auf jedem Band ein hellgrüner Klebezettel mit der Aufschrift „Pressestrafsache – kurze Verjährungsfrist!“ anzubringen.

(2) Außerdem sind mit dem Aufdruck „Pressestrafsache“ zu kennzeichnen:

a)
Anträge der Staatsanwaltschaft auf eine gerichtliche Handlung, die die Unterbrechung der Verjährung zur Folge hat,
b)
Übersendungsberichte, mit denen die Staatsanwaltschaft die Akten dem Rechtsmittelgericht vorlegt.
2.21
Zusammenarbeit mit der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt

– Vgl. Nrn. 272, 275, 276 RiStBV –

(1) In den Fällen der § 41 Abs. 2 und § 43 OWiG sind die Vorgänge nicht unmittelbar, sondern über die zuständige Polizeidienststelle an das Bayerische Polizeiverwaltungsamt abzugeben.

(2) In den Fällen des § 63 Abs. 2 OWiG sind die Anklageschrift und der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls nicht dem Bayerischen Polizeiverwaltungsamt, sondern der zuständigen Polizeidienststelle mitzuteilen.

(3) In den Fällen des § 63 Abs. 3 OWiG ist in aller Regel auf eine Anhörung der Verwaltungsbehörde zu verzichten.

(4) In den Fällen des § 76 Abs. 1 und 2 OWiG (auch in Verbindung mit § 82 Abs. 2, § 83 Abs. 1 OWiG) ist bei den Gerichten in aller Regel darauf hinzuwirken, dass von einer Beteiligung der Verwaltungsbehörde abgesehen wird.

(5) In den Verfahren über den Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes gelten die nachstehenden Grundsätze:

a)
1Nach § 76 Abs. 4 OWiG ist das Bayerische Polizeiverwaltungsamt stets über den Ausgang eines Bußgeldverfahrens zu unterrichten. 2Hierzu ist in allen Fällen der Vordruck ZBS 213 zu verwenden, der jedem Einspruchsvorgang beiliegt. 3Nur in den Fällen, in denen es bei einer gerichtlichen Entscheidung nach Auffassung des Gerichts notwendig oder nützlich erscheint, dem Bayerischen Polizeiverwaltungsamt auch die Entscheidungsgründe mitzuteilen, sollte zusätzlich eine Ausfertigung der Entscheidung zugeleitet werden. 4Dies kann beispielsweise in den Fällen der Fall sein, in denen das Gericht eine vom Bußgeldbescheid abweichende Sachentscheidung getroffen hat.
b)
Für die Rückleitung des ausgefüllten Formblatts ZBS 213 gilt Folgendes:
aa)
In den Fällen, in denen das Verfahren durch eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft abgeschlossen worden ist, ist das Formblatt unmittelbar dem Bayerischen Polizeiverwaltungsamt zuzuleiten.
bb)
In den Fällen, in denen das Gericht eine eigene Sachentscheidung getroffen hat, ist das Formblatt unmittelbar dem Bayerischen Polizeiverwaltungsamt zuzuleiten.
cc)
1Sind wegen Verwerfung oder wirksamer Rücknahme des Einspruchs die Akten der Verwaltungsbehörde zur Vollstreckung des Bußgeldbescheids zurückzugeben, so sind die bei Gericht angefallenen Schriftstücke, insbesondere die gerichtliche Entscheidung, zurückzubehalten. 2Den Akten der Verwaltungsbehörde ist eine Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung oder eine beglaubigte Abschrift der Rücknahmeerklärung beizufügen, soweit nicht die Verwaltungsbehörde durch ein von ihr gestelltes Formblatt über den Grund der Rückgabe unterrichtet wird (z. B. bei den Verfahren der Zentralen Bußgeldstelle). 3Die Akten sind von der Geschäftsstelle des Gerichts oder, wenn dies ausnahmsweise nicht geschehen ist, von der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft unverzüglich an die Verwaltungsbehörde zurückzugeben; der Zentralen Bußgeldstelle sind die Akten nicht unmittelbar, sondern über die anzeigende Polizeidienststelle zurückzugeben. 4Befinden sich in den zurückzuleitenden Akten Ermittlungsvorgänge (z. B. Anzeigen, Vernehmungen, Skizzen, Lichtbilder), die für ein anderes noch laufendes Verfahren gegen weitere Beteiligte benötigt werden, jedoch nur in einfacher Fertigung vorgelegt worden sind, so sind diese Vorgänge jeweils zu dem noch nicht abgeschlossenen gerichtlichen Verfahren zu nehmen. 5In der erledigten Sache werden lediglich Bußgeldbescheid, Verteidigervollmacht, Einspruchsschreiben, Übersendungsschreiben der Verwaltungsbehörde und die in Satz 2 bezeichneten Schriftstücke zurückgesandt. 6In den zurückzugebenden Akten ist unter Angabe des Aktenzeichens des noch anhängigen gerichtlichen Verfahrens der Verbleib der Ermittlungsvorgänge zu vermerken.
2.22
Behandlung einer Sicherheitsleistung bei Abgabe des Verfahrens an die Verwaltungsbehörde bzw. eine andere Staatsanwaltschaft

– Vgl. Nr. 276 RiStBV –

(1) Ist nach § 132 StPO Sicherheit geleistet worden und stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nur wegen der Straftat ein, gibt es aber wegen einer inmitten liegenden Ordnungswidrigkeit gemäß § 43 Abs. 1 OWiG an die Verwaltungsbehörde ab, so ist zugleich mit der Einstellungsverfügung die Überweisung der Sicherheitsleistung an die Zentrale Bußgeldstelle (Sparkasse Regen-Viechtach, IBAN DE25 7415 1450 0240 0004 14) über das GSV-Überweisung/RZ-Programm zu veranlassen.

(2) Bei Verkehrsordnungswidrigkeiten gilt ergänzend Folgendes:

a)
Die Polizeidienststelle fügt bei Übersendung der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft dem Vorgang das Formblatt „Sicherheitsleistung“ bei und gibt gleichzeitig ein dreizehnstelliges Aktenzeichen an (gemeinsames Aktenzeichen von Polizei und Zentraler Bußgeldstelle).
b)
Der nach Buchstabe a) der Staatsanwaltschaft übersandte Vordruck „Sicherheitsleistung“ ist mit den Akten an die Polizei zurückzugeben.

(3) Wurde eine Sicherheitsleistung erbracht und ist das Verfahren an eine Staatsanwaltschaft außerhalb des Freistaates Bayern abzugeben, ist mit der Abgabeverfügung die Sicherheitsleistung an die zuständige Kasse über das GSV-Überweisung/RZ-Programm weiterzuleiten.

2.23
Anlagen zur Vorlage an das Rechtsbeschwerdegericht

– Vgl. Nr. 293 RiStBV –

Bei Vorlagen an das Rechtsbeschwerdegericht ist Nr. 165 Abs. 3 RiStBV nicht anzuwenden.

3.
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
3.1
Diese Bekanntmachung tritt am 1. September 2023 in Kraft.
3.2
Gleichzeitig tritt die Bekanntmachung über die Einführung und Ergänzung der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (EBekRiStBV) vom 2. Dezember 1976 (JMBl. S. 358), die zuletzt durch Bekanntmachung vom 26. Januar 2022 (BayMBl. Nr. 111) geändert worden ist, außer Kraft.

Prof. Dr. Frank Arloth

Ministerialdirektor