Veröffentlichung BayMBl. 2023 Nr. 430 vom 30.08.2023

Veröffentlichendes Ressort

Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz

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Verwaltungsvorschrift

7911-U
  • Wirtschaftsrecht
  • Forstwesen, Naturschutz und Landschaftspflege, Jagdwesen, Fischerei
  • Naturschutz und Landschaftspflege (Siehe auch 2129 = Umweltschutz)
  • Rechtsvorschriften des Bundes und der EG

7911-U

Hinweise zur Genehmigung von Windenergieanlagen für den Bereich Naturschutz

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz

vom 14. August 2023, Az. 62-R-U8685.2-2020/4-482

1.Geltungsbereich

1Die nachfolgenden Ausführungen gelten nur für Windenergieanlagen (WEA) im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). 2Dies gilt auch für die Anwendung der Regelungen zum Ersatzgeld unter Nr. 3. 3Baurechtlich verfahrensfreie Klein-WEA mit unter 10 m Gesamthöhe werfen regelmäßig keine naturschutzrechtlichen Probleme auf. 4Bei baurechtlich genehmigungspflichtigen Anlagen mit 10 m bis 50 m Gesamthöhe ist eine Einzelfallprüfung der naturschutzrechtlichen Belange erforderlich, auf die die nachfolgenden Ausführungen nicht ohne Weiteres übertragbar sind.

2.Standorteignung

1Bei der Standorteignung sind verbindliche rechtliche Vorgaben zu beachten, die nur im Ausnahmefall überwunden werden können. 2Solche bestehen für die Errichtung und den Betrieb von WEA insbesondere in:

a)
Nationalparken,
b)
Nationalen Naturmonumenten,
c)
Naturschutzgebieten,
d)
Kernzonen von Biosphärenreservaten,
e)
flächenhaften Naturdenkmälern und geschützten Landschaftsbestandteilen,
f)
Natura 2000-Gebieten, soweit sie in ihren Erhaltungszielen erheblich beeinträchtigt werden,
g)
gesetzlich geschützten Biotopen nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und Art. 23 Bayerisches Naturschutzgesetz (BayNatSchG) und
h)
Flächen der Zone C im Alpenplan.

3Für Landschaftsschutzgebiete (LSG) ist die Sonderregelung des § 26 Abs. 3 BNatSchG zu beachten. 4§ 26 Abs. 3 Satz 1BNatSchG legt fest, dass in einem LSG die Errichtung und der Betrieb von WEA sowie der zugehörigen Nebenanlagen nicht verboten sind, wenn sich der Standort der WEA in einem Windenergiegebiet nach § 2 Nr. 1 Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) befindet. 5Dies gilt auch, wenn in der Schutzgebietsverordnung entgegenstehende Bestimmungen vorgesehen sind; es bedarf insoweit keiner Ausnahme oder Befreiung. 6Bis gemäß § 5 WindBG festgestellt wurde, dass das jeweilige Land den Flächenbeitragswert nach der Anlage Spalte 2 des WindBG oder der jeweilige regionale oder kommunale Planungsträger ein daraus abgeleitetes Teilflächenziel erreicht hat, gelten die § 26 Abs. 3 Satz 1 bis 3 BNatSchG auch außerhalb von Windenergiegebieten im gesamten LSG entsprechend. 7Wenn sich der Standort in einem Natura 2000-Gebiet oder einer Stätte zum Schutz des Weltkultur- oder Naturerbes befindet, gelten die Regelungen des § 26 Abs. 3 Satz 1 bis 4 BNatSchG nicht; hier bleibt es also bei der Geltung der Verbote der Schutzgebietsverordnungen. 8Für Einzelheiten wird auf das UMS vom 31. Januar 2023 (Az. 62a-U8685.2-2020/4-323) mit Klarstellung im UMS vom 3. April 2023 (Az. 62-R-U8685.2-2020/4-381) Punkt 3 verwiesen, das im Infoportal Naturschutz und auf der digitalen Themenplattform Windenergie eingestellt ist.

3.Eingriffsregelung

3.1Anwendungsbereich

1Soweit Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, ist nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs (BauGB) oder des BNatSchG über die erforderliche Kompensation zu entscheiden. 2Die Kompensation erfolgt nach den Vorschriften des BauGB, wenn aufgrund von Bauleitplanung (Bebauungsplan oder Flächennutzungsplan) Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind (§ 18 Abs. 1 BNatSchG in Verbindung mit § 1a Abs. 3 BauGB). 3§§ 14 bis 17 BNatSchG finden in diesem Fall im anschließenden Genehmigungsverfahren für die einzelne WEA keine Anwendung (§ 18 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG). 4Die Eingriffsregelung nach BNatSchG findet daher bei WEA im Regelfall nur Anwendung, wenn außerhalb bauleitplanerischer Vorgaben Eingriffe im Außenbereich zu erwarten sind (§ 18 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG in Verbindung mit §§ 14 ff. BNatSchG). 5Die Anforderungen der Eingriffsregelung nach BauGB sind nicht Gegenstand dieser Hinweise. 6Die nachfolgenden Ausführungen gelten nur für die Eingriffsregelung nach BNatSchG.

3.2Baubedingte Beeinträchtigungen

1Baubedingte Beeinträchtigungen wirken sich regelmäßig vorübergehend aus. 2Sie sind durch angemessene Auflagen zur Vermeidung so gering wie möglich zu halten (§ 15 Abs. 1 BNatSchG). 3Im Regelfall sollen baubedingte Beeinträchtigungen dadurch unter der Erheblichkeitsschwelle des § 14 Abs. 1 BNatSchG gehalten werden. 4Sind erhebliche Beeinträchtigungen nicht vollständig vermeidbar, hat die Kompensation einschließlich der Wiederherstellung des Ausgangszustands der baubedingt in Anspruch genommenen Flächen nach fachlichen Standards zu erfolgen.

3.3Naturhaushalt

1Soweit durch die zu errichtende Anlage keine ökologisch wertvollen Flächen erheblich beeinträchtigt werden, stellt die Flächeninanspruchnahme durch die Überbauung mit dem Mastfuß der WEA regelmäßig keine erhebliche Beeinträchtigung des Naturhaushalts im Sinne des § 14 Abs. 1 BNatSchG dar. 2Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach § 15 BNatSchG entfallen dann insoweit. 3Die Kompensation für alle anderen in Anspruch genommenen Flächen (außer des Mastfußes) einschließlich der Erschließungsmaßnahmen wie Netzanbindung oder Wegebau bleibt unberührt und richtet sich nach den Bestimmungen der Bayerischen Kompensationsverordnung. 4Zu den ökologisch wertvollen Flächen zählen insbesondere:

a)
Flächen mit Biotoptypen im Sinne der Kartieranleitung der Biotopkartierung Bayern,
b)
Standorte und Habitate der nach der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) und der Bundesartenschutzverordnung geschützten Arten,
c)
Lebensraumtypen gemäß FFH-Richtlinie.

3.4Landschaftsbild

1Wird ein Eingriff zugelassen, obwohl die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht zu kompensieren sind, hat der Verursacher Ersatz in Geld zu leisten (§ 15 Abs. 6 Satz 1 BNatSchG). 2Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes können aufgrund der Höhe der Anlagen regelmäßig nicht durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen kompensiert werden. 3Mangels feststellbarer Kosten für Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen bestimmt sich die Ersatzzahlung insbesondere nach Dauer und Schwere des Eingriffs (§ 15 Abs. 6 Satz 3 BNatSchG). 4Die Ersatzzahlungen sind im Bereich der räumlich betroffenen unteren Naturschutzbehörde nach deren näherer Bestimmung für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu verwenden (Art. 7 Satz 2 BayNatSchG). 5Die Zahlung ist vor Durchführung des Eingriffs zu leisten (§ 15 Abs. 6 Satz 5 BNatSchG). 6Es kann jedoch ein anderer Zeitpunkt für die Zahlung festgelegt werden; in diesem Fall soll eine Sicherheitsleistung verlangt werden (§ 15 Abs. 6 Satz 6 BNatSchG). 7Die Höhe der Ersatzzahlung für WEA wird in Abhängigkeit von der Bedeutung des Landschaftsbildes nach Wertstufen und der Gesamthöhe der Anlage festgesetzt, definiert als Nabenhöhe zuzüglich Radius des Rotors. 8Die Ermittlung der Wertstufen erfolgt in einem Umkreis des Fünfzehnfachen der Anlagenhöhe um die Anlage. 9Sind mehrere Wertstufen betroffen, ist eine anteilige Berechnung durchzuführen. 10Die für die Berechnung der Ersatzzahlung maßgebende Matrix befindet sich in Anlage 1. 11Ersatzgelder, die auf der Grundlage der Eingriffsregelung festgelegt werden, verbleiben (im Gegensatz zur artenschutzrechtlichen Abgabe nach § 6 WindBG beziehungsweise § 45d BNatSchG) bei den Ländern.

3.5Berechnung des Ersatzgeldes

1Bei der Errichtung von Windfarmen werden bei der Berechnung des Ersatzgeldes gemäß Anlage 1 bereits bestehende Anlagen nicht berücksichtigt. 2Beim Repowering sind folgende Grundsätze maßgebend:

a)
Technisches Repowering und eine Erhöhung der bisherigen Anlage um maximal 10 % der bisherigen Anlagenhöhe, die definiert ist als Nabenhöhe zuzüglich Rotorradius, lösen keine zusätzliche Landschaftsbildbeeinträchtigung und damit auch keine Kompensationspflicht aus.
b)
Beträgt die Höhenabweichung im Vergleich zur Altanlage mehr als 10 %, liegt in der Regel eine zusätzliche Landschaftsbildbeeinträchtigung vor, für die eine Ersatzzahlung nach der in Anlage 1 enthaltenen Matrix festzulegen ist.

3Wird die WEA im Zuge eines Repowering modernisiert, ist eine für die zu ersetzende Bestandsanlage bereits geleistete Kompensation von der für die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes festzusetzenden Kompensation abzuziehen (§ 16b Abs. 4 Satz 3 BImSchG). 4Wird die WEA (Repowering- und Nicht-Repowering-Anlagen) in einem im Regionalplan ausgewiesenen Vorrang- oder Vorbehaltsgebiet für WEA errichtet, reduziert sich die abschließend errechnete Ersatzzahlung um 75 %.

4.Spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP) bei WEA

1Im Rahmen der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) ist zu klären, ob und in welchem Umfang die Zugriffsverbote nach § 44 Abs. 1 BNatSchG erfüllt sind, wobei bei zulässigen Eingriffen die Sonderregelungen des § 44 Abs. 5 BNatSchG zu beachten sind. 2Durch die Einführung von § 6 WindBG und § 45b BNatSchG sind bundesrechtliche Neuregelungen erlassen worden, die die saP für WEA an Land modifizieren. 3Für die saP ist daher zu differenzieren, ob sich die zu genehmigende WEA innerhalb oder außerhalb des Anwendungsbereichs des § 6 WindBG befindet sowie danach, ob die Vorgaben des § 45b BNatSchG Anwendung finden. 4Die sich daraus ergebenden Fallkonstellationen werden im Folgenden differenziert dargestellt. 5Eine graphische Darstellung befindet sich in Anlage 2. 6Die Übergangsregelung des § 74 Abs. 4 und 5 BNatSchG sieht vor, dass auf Vorhaben, die vor dem 1. Februar 2024 bei der zuständigen Behörde beantragt wurden oder bei denen vor dem 1. Februar 2024 die Unterrichtung über die voraussichtlich beizubringenden Unterlagen nach § 2a der 9. BImSchV erfolgt ist, die Neuregelung des § 45b Abs. 1 bis 6 BNatSchG keine Anwendung findet, sofern der Träger des Vorhabens nicht die Anwendung der neuen Vorschriften verlangt. 7Vorübergehend bleiben deshalb auch Teile des Windenergie-Erlasses (BayWEE) vom 19. Juli 2016 weiterhin anwendbar. 8Hierauf wird an entsprechender Stelle verwiesen.

4.1Vorhaben im Geltungsbereich von § 6 WindBG

Die Vollzugsempfehlung zu § 6 Windenergieflächenbedarfsgesetz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und des Bundesministeriums für Umwelt, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz vom 19. Juli 2023 (Vollzugsempfehlung zu § 6 WindBG) ist ergänzend zu nachfolgenden Ausführungen heranzuziehen.

4.1.1Voraussetzungen
a)
Die Anwendung des § 6 WindBG setzt voraus, dass die Genehmigung der Errichtung und des Betriebs oder die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer WEA in einem zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung ausgewiesenen Windenergiegebiet nach § 2 Nr. 1 WindBG beantragt wurde.
b)
Windenergiegebiete sind gemäß § 2 Nr. 1 WindBG folgende Ausweisungen von Flächen für die Windenergie an Land in Raumordnungs- oder Bauleitplänen:
  • Vorranggebiete und mit diesen vergleichbare Gebiete in Raumordnungsplänen sowie Sonderbauflächen, Sondergebiete und mit diesen vergleichbare Ausweisungen in Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen;
  • für die Flächenbeitragswerte nach der Anlage Spalte 1 zusätzlich Eignungs- und Vorbehaltsgebiete in Raumordnungsplänen, wenn der Raumordnungsplan spätestens am 1. Februar 2024 wirksam geworden ist.
c)
§ 6 WindBG findet nur Anwendung,
  • wenn bei der Ausweisung des Windenergiegebiets eine Umweltprüfung nach § 8 Raumordnungsgesetz beziehungsweise dem Bayerischen Landesplanungsgesetz oder § 2 Abs. 4 BauGB durchgeführt wurde (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WindBG) und
  • soweit das Windenergiegebiet nicht in einem Natura 2000-Gebiet, einem Naturschutzgebiet oder einem Nationalpark liegt (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WindBG).
d)
1§ 6 WindBG gilt für Genehmigungsverfahren, bei denen der Antragsteller den Antrag bis zum Ablauf des 30. Juni 2024 stellt (§ 6 Abs. 2 WindBG). 2Die Regelung knüpft ausweislich der Gesetzesbegründung an die Antragstellung, nicht an die Vollständigkeit der Antragsunterlagen an (BT-Drs. 20/5830, S. 49). 3Der Antragsteller hat bei der Antragstellung nachzuweisen, dass er das Grundstück, auf dem die WEA errichtet werden soll, für die Errichtung und den Betrieb vertraglich gesichert hat. 4§ 6 WindBG ist auch auf bereits laufende Genehmigungsverfahren anzuwenden, in denen der Antrag vor dem 29. März 2023 (Inkrafttreten des § 6 WindBG) gestellt wurde und bei denen noch keine endgültige Entscheidung ergangen ist. 5Voraussetzung ist, dass der Antragsteller dies gegenüber der zuständigen Behörde verlangt. 6Eine Verstetigung der zugrundeliegenden EU-Regelung auf EU-Ebene ist geplant. 7Über Einzelheiten wird zu gegebener Zeit informiert.
4.1.2Rechtsfolge: Modifizierte Artenschutzprüfung

1§ 6 Abs. 1 WindBG legt fest, dass eine artenschutzrechtliche Prüfung nicht durchzuführen ist, sofern die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind. 2Die Freistellung von der Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbote ist nicht auf die europäischen Vogelarten beschränkt, sondern bezieht sich auf alle wildlebenden Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten (zum Beispiel auch Fledermausarten, andere Säugetiere oder Reptilien). 3Allerdings sind die Sonderregelungen des § 6 Abs. 1 Satz 3 bis 6 WindBG zu beachten. 4Hiernach ist das Artenschutzrecht in einer modifizierten Art zu berücksichtigen, die im Ergebnis dazu führt, dass das besondere Artenschutzrecht der Genehmigung von WEA im Anwendungsbereich des § 6 WindBG nicht mehr entgegenstehen kann. 5Auch wenn ein Vorhaben den Tatbestand artenschutzrechtlicher Verbote im Sinne des § 44 Abs. 1 BNatSchG erfüllt, ist die Genehmigung zu erteilen. 6Wenn die vorliegenden Daten eine ausreichende räumliche Genauigkeit aufweisen und zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag nicht älter als fünf Jahre sind, sind geeignete und verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen anzuordnen. 7Die Genehmigung ist auch zu erteilen, wenn mangels Daten überhaupt nicht geprüft werden kann, ob artenschutzrechtliche Verbote erfüllt sind. 8Soweit geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen nicht verfügbar oder Daten nicht vorhanden sind, ist eine Zahlung in Geld zu leisten. 9Eine artenschutzrechtliche Ausnahme ist nicht erforderlich (§ 6 Abs. 1 Satz 12 WindBG).

4.1.2.1Umgang mit planungsrelevanten Arten – Abschichtung und Untersuchungsumfang

Die Abschichtung erfolgt in folgenden Schritten:

4.1.2.1.1Relevanzprüfung

1Abweichend von den Vorschriften des § 44 Abs. 1 BNatSchG ist eine artenschutzrechtliche Prüfung nicht durchzuführen. 2Artenschutzbelange sind ausschließlich über die Vorgaben des § 6 WindBG zu berücksichtigen.

4.1.2.1.2Bestandserfassung am Eingriffsort

1Der Antragsteller ist nicht verpflichtet, eine Kartierung oder ein Fachgutachten vorzulegen. 2Vielmehr hat die zuständige Behörde auf Grundlage vorhandener Daten geeignete und verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen in den Windenergiegebieten anzuordnen, um die Einhaltung der Vorschriften des § 44 Abs. 1 BNatSchG zu gewährleisten. 3Für Fledermäuse wird auf Nr. 4.1.2.1.5 verwiesen. 4Daten zu Artvorkommen im Vorhabengebiet sind vorhanden, wenn sie unter fachlichen Gesichtspunkten erhoben worden sind, der Behörde bekannt sind und sie darauf tatsächlich und rechtlich Zugriff hat. 5Darunter fallen insbesondere Daten aus behördlichen Datenbanken und behördlichen Katastern, aus anderen Genehmigungs- und Planungsverfahren aber auch solche, die der Antragsteller im laufenden Genehmigungsverfahren bereits vorgelegt hat oder freiwillig vorlegt. 6Auch Daten Dritter gehören dazu, wenn sie nach einem vergleichbaren fachlichen Standard erhoben wurden. 7Die Daten müssen eine zur Beurteilung einer möglichen Betroffenheit ausreichende räumliche Genauigkeit aufweisen. 8Die Daten dürfen ferner zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag nicht älter als fünf Jahre sein (§ 6 Abs. 1 Satz 3 WindBG). 9Sind keine Daten vorhanden, die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, ist nach § 6 Abs. 1 Satz 5 WindBG eine Zahlung in Geld festzulegen. 10Kartierungen sind weder seitens des Vorhabenträgers noch der Behörde erforderlich. 11Die Zahlung ist von der zuständigen Behörde zusammen mit der Genehmigung für die Dauer des Betriebes dem Grunde nach als jährlich zu leistender Betrag festzusetzen.

4.1.2.1.3Prüfung der Verbotstatbestände

1Sind Daten vorhanden, hat die Behörde auf dieser Grundlage zu prüfen, ob durch das Vorhaben Zugriffsverbote nach § 44 Abs. 1 BNatSchG verwirklicht werden. 2Dies gilt sowohl für die Errichtung als auch den Betrieb der WEA und ohne Einschränkung auf bestimmte Artengruppen der besonders geschützten Arten. 3Bei Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbote hinsichtlich störungsempfindlicher Arten ist Nr. 4.2.1.2.1.3 Buchstabe b dieser Hinweise entsprechend heranzuziehen. 4Hinsichtlich des Tötungs- und Verletzungsrisikos kollisionsgefährdeter Brutvogelarten durch den Betrieb ist bei der Prüfung, ob die artenschutzrechtlichen Verbote verwirklicht werden, § 45b Abs. 2 bis 5 in Verbindung mit Anlage 1 BNatSchG sinngemäß anzuwenden. 5Voraussetzung ist, dass Daten zur Lage eines Brutplatzes vorhanden sind, die den gesetzlichen Anforderungen des § 6 Abs. 1 Satz 3 WindBG entsprechen.

a)
1Liegt ein Brutplatz im Nahbereich der Anlage, liegt immer eine signifikante Risikoerhöhung vor, die nicht widerlegt werden kann. 2Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung zu § 45b Abs. 2 BNatSchG festgelegt, dass dieses Risiko bei Brutplätzen im Nahbereich auch durch fachlich anerkannte Schutzmaßnahmen in der Regel nicht unter die Signifikanzschwelle gesenkt werden kann (BT-Drs. 20/2354 S. 25). 3Allerdings kann das Risiko durch die Schutzmaßnahmen nach Anlage 1 Abschnitt 2 BNatSchG zumindest im Sinne der Vorschrift gemindert werden (siehe Vollzugsempfehlung zu § 6 WindBG, Nr. 3.2.2.2). 4Sind keine geeigneten und verhältnismäßigen Schutzmaßnahmen vorhanden, ist eine Zahlung in Geld anzuordnen.
b)
1Liegt ein Brutplatz in einem Abstand zur WEA, der größer ist als der Nahbereich und geringer als der zentrale Prüfbereich (§ 45b Abs. 3 BNatSchG), so sind Schutzmaßnahmen zu prüfen. 2Sind keine geeigneten und verhältnismäßigen Schutzmaßnahmen vorhanden, ist eine Zahlung in Geld anzuordnen. 3Ist eine Habitatpotentialanalyse (HPA) oder Raumnutzungsanalyse (RNA) vorhanden, so kann sie die Vermutung des signifikant erhöhten Tötungsrisikos widerlegen; HPA und RNA können aber nicht vom Antragsteller verlangt werden.
c)
1Liegt ein Brutplatz in einem Abstand zur WEA, der größer ist als der zentrale Prüfbereich, aber höchstens so groß wie der erweiterte Prüfbereich, so sind Schutzmaßnahmen zu prüfen, sofern aufgrund der vorhandenen Daten davon auszugehen ist, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der betroffenen Exemplare aufgrund artspezifischer Habitatnutzung oder funktionaler Beziehungen deutlich erhöht ist. 2Sind keine geeigneten und verhältnismäßigen Schutzmaßnahmen vorhanden, ist eine Zahlung in Geld anzuordnen.
d)
1Liegt der Brutplatz in einem Abstand zur WEA, der größer ist als der erweiterte Prüfbereich, so sind keine Schutzmaßnahmen anzuordnen. 2Auch eine Zahlung ist nicht festzusetzen, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass eine Verwirklichung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände hier nicht zu erwarten ist.
4.1.2.1.4Mögliche Minderungsmaßnahmen

1Ist ein Verstoß gegen die Zugriffsverbote zu erwarten, hat die Behörde geeignete und verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen anzuordnen (gebundene Entscheidung).

a)
1Geeignet sind Maßnahmen, wenn sie fachlich wirksam und verfügbar sind. 2Sind geeignete Maßnahmen nicht verfügbar, hat die Behörde eine Zahlung in Geld anzuordnen. 3Für kollisionsgefährdete Brutvogelarten sind insbesondere die fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen aus der Anlage 1 Abschnitt 2 zu § 45b Abs. 1 bis 5 BNatSchG als geeignet anzusehen.
b)
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind stets Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahmen zu prüfen.

2Von der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen in Bezug auf kollisionsgefährdete Brutvogelarten hinsichtlich des Betriebs einer WEA ist auszugehen, wenn die Zumutbarkeitsschwelle des § 45b Abs. 6 Satz 2 BNatSchG nicht überschritten wird. 3Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen der anderen Zugriffsverbote ebenfalls zu gewährleisten und errichtungsbedingte artenschutzrechtliche Beeinträchtigungen effektiv zu mindern sind. 4Für diese kann ein Aufschlag erfolgen, der in der Regel in der Größenordnung von 600 Euro/Megawatt/Jahr liegen sollte (BT-Drs. 20/5830, S. 49).

4.1.2.1.5Umgang mit Fledermäusen

1Die Freistellung von der Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbote ist innerhalb des Anwendungsbereichs des § 6 WindBG nicht auf die europäischen Vogelarten beschränkt, sondern bezieht sich auf alle wildlebenden Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten (zum Beispiel Fledermausarten).2Geeignete Minderungsmaßnahmen zum Schutz von Fledermäusen hat die Behörde insbesondere in Form einer Abregelung der WEA anzuordnen, die auf Grundlage einer zweijährigen akustischen Erfassung der Fledermausaktivität im Gondelbereich anzupassen ist (siehe Anlage 5). 3Diese Minderungsmaßnahmen für Fledermäuse hat die Genehmigungsbehörde auch dann anzuordnen, wenn keine Daten über Fledermausvorkommen vorhanden sind (§ 6 Abs. 1 Satz 4 WindBG).

4.1.2.1.6Ausnahmeprüfung

1Eine Ausnahmeprüfung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG ist im Anwendungsbereich des § 6 WindBG nicht erforderlich (§ 6 Abs. 1 Satz 12 WindBG). 2Das bedeutet, dass im Genehmigungsverfahren keine auf den Artenschutz bezogene Alternativenprüfung und keine Prüfung des Erhaltungszustandes im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG erforderlich ist. 3Eine Versagung der Genehmigung ist aus Gründen des besonderen Artenschutzrechts nicht möglich.

4.2Vorhaben außerhalb des Geltungsbereichs von § 6 WindBG

4.2.1Vorhaben im Geltungsbereich von § 45b BNatSchG
4.2.1.1Voraussetzungen

1§ 45b BNatSchG regelt das Tötungs- und Verletzungsrisiko von kollisionsgefährdeten Brutvogelarten durch den Betrieb einer Windenergieanlage an Land. 2§ 45b BNatSchG regelt nicht

a)
1den Umgang mit der betriebsbedingten Kollisionsgefährdung von Ansammlungen beziehungsweise während der Zeiten des Vogelzuges. 2Unter Ansammlungen sind insbesondere Kolonien, bedeutende Brut- und Rastgebiete sowie Schlafplatzansammlungen zu verstehen. 3Dichtezentren sind keine Ansammlungen in diesem Sinn.
b)
1Verstöße gegen das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr.  1 BNatSchG im Vorfeld und bei der Errichtung von WEA. 2Hier gilt weiterhin § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr.  2 und 3 BNatSchG.
c)
Verstöße gegen das Störungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) und das Verbot der Beeinträchtigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG).
d)
den Umgang mit der betriebsbedingten Kollisionsgefährdung von anderen Artengruppen (zum Beispiel Fledermäusen).

3Insoweit findet die Vorschrift des § 44 BNatSchG Anwendung. 4Der Geltungsbereich des § 45b BNatSchG ist auch dann nicht eröffnet, wenn wegen der Übergangsregelung in § 74 Abs. 4 BNatSchG der § 45b Abs. 1 bis 6 BNatSchG nicht anwendbar ist. 5Gemäß § 74 Abs. 4 BNatSchG ist § 45b Abs. 1 bis 6 BNatSchG (Maßgaben zur Beurteilung der Signifikanz und den Schutzmaßnahmen) nicht anzuwenden auf:

a)
bereits genehmigte Vorhaben zur Errichtung und zum Betrieb von WEA an Land sowie auf
b)
solche Vorhaben, die vor dem 1. Februar 2024 bei der zuständigen Behörde beantragt wurden oder
c)
bei denen vor dem 1. Februar 2024 die Unterrichtung über die voraussichtlich beizubringenden Unterlagen nach § 2a der Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV) erfolgt ist.

6Nach § 74 Abs. 5 BNatSchG ist § 45b Abs. 1 bis 6 BNatSchG abweichend von Abs. 4 bereits vor dem 1. Februar 2024 anzuwenden, wenn der Träger eines Vorhabens dies verlangt.

4.2.1.2Rechtsfolgen

1§ 45b Abs. 2 bis 5 BNatSchG enthält Maßgaben für die Prüfung des Signifikanzkriteriums nach § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG durch den Betrieb von WEA in Bezug auf das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare kollisionsgefährdeter Brutvogelarten im Umfeld ihrer Brutplätze. 2Die Vorschrift nimmt Bezug auf Anlage 1 Abschnitt 1 BNatSchG, in der die zu prüfenden kollisionsgefährdeten Brutvogelarten sowie die artspezifischen Prüfbereiche abschließend aufgelistet sind. 3Brutvogelarten, die dort nicht genannt sind (zum Beispiel der Schwarzstorch), sind in Bezug auf das kollisionsbedingte Tötungs- und Verletzungsrisiko nicht mehr zu prüfen. 4Kollisionsbedingte Tötungen oder Verletzungen von Brutvogelarten der Anlage 1 Abschnitt 1 bei Flugbewegungen innerhalb der festgelegten artspezifischen Prüfbereiche (zum Beispiel zwischen Nahrungshabitaten) sind nach § 45b Abs. 5 BNatSchG nicht mehr relevant, sofern kein Brutplatz innerhalb des für diese Art festgelegten erweiterten Prüfbereichs vorhanden ist. 5Geprüft wird das Tötungs- und Verletzungsrisiko dieser Arten ausschließlich im Umfeld ihrer Brutplätze, wobei die Abstände differenziert für die einzelnen Brutvogelarten festgelegt werden.

4.2.1.2.1Umgang mit Vogelarten – Abschichtung und Untersuchungsumfang

Die Abschichtung der saP-relevanten Vogelarten erfolgt in folgenden Schritten:

4.2.1.2.1.1Relevanzprüfung

1Die kollisionsgefährdeten Brutvogelarten, die hinsichtlich des Tötungs- und Verletzungsrisikos beim Betrieb einer WEA zu beachten sind, sind abschließend in Anlage 1 Abschnitt 1 BNatSchG aufgeführt. 2In Anlage 3 zu diesem Schreiben sind besonders störungsempfindliche Arten genannt. 3Die „Hinweise zur Erfassung von Brutplätzen kollisionsgefährdeter Brutvogelarten in immissionsschutzrechtlichen Verfahren“ (Az. 63h-U8685.2-2023/4-12) in ihrer Fassung vom 1. August 2023 samt Anlagen sind zu beachten.

4.2.1.2.1.2Bestandserfassung am Eingriffsort

1Ausgangspunkt sind die allgemeinen Anforderungen an die saP (abrufbar mit Arbeitshilfen unter https://www.lfu.bayern.de/natur/sap/index.htm). 2Der Untersuchungsumfang bei Brutvogelarten richtet sich danach, ob Verbotstatbestände, insbesondere das Tötungs- und Verletzungsverbot, erfüllt werden. 3Es ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob planungsrelevante kollisionsgefährdete Brutvogelarten nach Anlage 1 Abschnitt 1 BNatSchG im Gebiet aktuell vorkommen. 4Grundlage sind die vorhandenen Verbreitungsdaten (Online-Abfrage Arteninformationen zu saP-relevanten Arten (https://www.lfu.bayern.de/natur/sap/index.htm), Kenntnisse der Naturschutzbehörden). 5Untersuchungen „ins Blaue hinein“ sind nicht veranlasst (vergleiche BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008, Az. 9 A 14.07, Rn. 54). 6Ergänzende Hinweise auf Vorkommen windkraftsensibler Arten im Verfahren, zum Beispiel durch fachkundige Dritte, sind nur beachtlich, wenn sie hinreichend substantiiert sind. 7Nur wenn begründete Anhaltspunkte für das Vorkommen kollisionsgefährdeter Brutvogelarten vorliegen, können weitergehende Kartierungen erforderlich werden.

4.2.1.2.1.3Prüfung der Verbotstatbestände
a)
Kollisionsgefährdete Brutvogelarten nach Anlage 1 Abschnitt 1 BNatSchG

1Die Prüfung der Verbotstatbestände erfolgt mit Bezug zu einer geplanten WEA (Mastfußmittelpunkt), im Falle von Windparks also jeweils für jede geplante WEA. 2§ 45b Abs. 2 bis 5 BNatSchG differenziert artspezifisch nach Nahbereich, zentralem Prüfbereich, erweitertem Prüfbereich und den jenseits davon liegenden Flächen.

aa) Nahbereich (§ 45b Abs. 2 BNatSchG)

1Liegt ein Brutplatz einer kollisionsgefährdeten Brutvogelart im nach § 45b Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 1 Abschnitt 1 BNatSchG festgelegten artspezifischen Nahbereich um die Windenergieanlage, so ist das Tötungs- und Verletzungsrisiko der den Brutplatz nutzenden Exemplare ohne weitere Voraussetzungen und unwiderleglich signifikant erhöht (unwiderlegbare Vermutung). 2Dieses Risiko kann bei Brutplätzen im Nahbereich nicht durch fachlich anerkannte Schutzmaßnahmen unter die Signifikanzschwelle gesenkt werden.

bb) Zentraler Prüfbereich (§ 45b Abs. 3 BNatSchG)

Liegt ein Brutplatz einer kollisionsgefährdeten Brutvogelart innerhalb des zentralen Prüfbereichs um die WEA, so bestehen nach § 45b Abs. 3 BNatSchG in der Regel Anhaltspunkte dafür, dass das Tötungs- und Verletzungsrisiko der den Brutplatz nutzenden Exemplare signifikant erhöht ist, soweit

  1. 1. eine signifikante Risikoerhöhung nicht auf der Grundlage einer Habitatpotentialanalyse oder einer auf Verlangen des Trägers des Vorhabens durchgeführten Raumnutzungsanalyse widerlegt werden kann oder
  2. 2. die signifikante Risikoerhöhung nicht durch fachlich anerkannte Schutzmaßnahmen hinreichend gemindert werden kann; werden entweder Antikollisionssysteme genutzt, Abschaltungen bei landwirtschaftlichen Ereignissen angeordnet, attraktive Ausweichnahrungshabitate angelegt oder phänologiebedingte Abschaltungen angeordnet, so ist für die betreffende Art in der Regel davon auszugehen, dass die Risikoerhöhung hinreichend gemindert wird.

cc) Erweiterter Prüfbereich (§ 45b Abs. 4 BNatSchG)

1Liegt zwischen dem Brutplatz einer Brutvogelart und der WEA ein Abstand, der größer als der zentrale Prüfbereich ist und höchstens so groß ist wie der erweiterte Prüfbereich, so ist das Tötungs- und Verletzungsrisiko der den Brutplatz nutzenden Exemplare nach § 45b Abs. 4 BNatSchG nicht signifikant erhöht, es sei denn,

  1. 1. die Aufenthaltswahrscheinlichkeit dieser Exemplare in dem vom Rotor überstrichenen Bereich der WEA ist aufgrund artspezifischer Habitatnutzung oder funktionaler Beziehungen deutlich erhöht und
  2. 2. die signifikante Risikoerhöhung, die aus der erhöhten Aufenthaltswahrscheinlichkeit folgt, kann nicht durch fachlich anerkannte Schutzmaßnahmen hinreichend verringert werden.

2Eine erhöhte Aufenthaltswahrscheinlichkeit kann zum Beispiel vorliegen, wenn WEA innerhalb von Flächen liegen, die eine hohe Attraktivität als Nahrungshabitat aufweisen oder im Flugkorridor zwischen Brutplatz und Nahrungshabitaten liegen. 3Zur Feststellung des Vorliegens eines Brutplatzes einer kollisionsgefährdeten Brutvogelart im erweiterten Prüfbereich sind behördliche Kataster und behördliche Datenbanken heranzuziehen; Kartierungen durch den Vorhabenträger sind nach § 45b Abs. 4 Satz 2 BNatSchG in diesem Bereich nicht erforderlich. 4Diese Vorschrift gilt nur für § 45b Abs. 4 BNatSchG, nicht für die Feststellung eines Brutplatzes im Nahbereich und im zentralen Prüfbereich nach Abs. 2 und 3 dieser Vorschrift. 5Nach der Systematik der Regelung ist es Aufgabe der zuständigen Behörde, das Vorliegen eines die Regelvermutung entkräftenden Sachverhaltes nachzuweisen. 6Im Nahbereich und im zentralen Prüfbereich hingegen ist vom Vorhabenträger eine Brutplatzkartierung durchzuführen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV).

dd) Außerhalb des erweiterten Prüfbereichs (§ 45b Abs. 5 BNatSchG)

Liegt der Brutplatz außerhalb des artspezifisch festgelegten erweiterten Prüfbereichs, so ist das Tötungs- und Verletzungsrisiko der den Brutplatz nutzenden Exemplare nicht signifikant erhöht (unwiderlegliche Vermutung).

b)
Besonders störungsempfindliche Arten

1Bei den in Spalte 1 der Anlage 3 zu diesen Hinweisen abschließend genannten störungsempfindlichen Vogelarten können WEA zu einer Scheuchwirkung führen, so dass das Störungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) und gegebenenfalls das Verbot der Beschädigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) zum Tragen kommen kann. 2Im Hinblick auf die in Anlage 1 Abschnitt 1 BNatSchG genannten kollisionsgefährdeten Brutvogelarten kann außerhalb der Nahbereiche in der Regel davon ausgegangen werden, dass der Betrieb von WEA nicht zu einer erheblichen Störung der Arten führt, die den Erhaltungszustand der lokalen Population der Art verschlechtert (siehe BT-Drs. 20/2354, S. 25).

4.2.1.2.2Umgang mit Fledermausarten – Abschichtung und Untersuchungsumfang

Die Abschichtung der Fledermausarten erfolgt in folgenden Schritten:

a)
Relevanzprüfung

1In Anbetracht der Größe moderner Anlagen im Binnenland können zehn Fledermausarten von Kollisionen so betroffen sein, dass sie in einer saP vertieft behandelt werden müssen. 2Dies sind die in Anlage 4 aufgeführten Arten. 3Alle anderen Arten fliegen kaum in solchen Höhen, dass sie in den Gefahrenbereich der Rotoren geraten.

b)
Bestandserfassung am Eingriffsort

1Es ist zu prüfen, ob die Arten im Gebiet aktuell vorkommen. 2Anhand der saP-Arbeitshilfe des Landesamts für Umwelt (LfU) ist eine geografische Datenbankabfrage möglich, die durch eine lebensraumbezogene Analyse weiter eingegrenzt werden kann. 3Ergänzende Hinweise auf Vorkommen dieser Arten im Verfahren, zum Beispiel durch fachkundige Dritte, sind nur beachtlich, wenn sie hinreichend substantiiert sind. 4Erhöhte Fledermausaktivitäten in Rotorhöhe im Jahresverlauf lassen sich nur mit Hilfe des Gondelmonitorings erfassen (Anlage 5). 5Untersuchungen mit Hilfe akustischer Erfassungsmethoden wie Fledermausdetektor oder Batcorder am Boden allein genügen nicht. 6Sie sind zum Beispiel dann aussagekräftig, wenn die Aktivität einer Fledermauskolonie im Nahbereich zur Anlage festgestellt werden soll. 7Sie können darüber hinaus wertvolle Hinweise über das zu erwartende Artenspektrum geben.

c)
Prüfung der Verbotstatbestände

1In allen Naturräumen und topographischen Kartenblättern ist mit Vorkommen mindestens einer der relevanten Fledermausarten (siehe Anlage 4) zu rechnen. 2Daher ist der Vorhabenträger grundsätzlich gehalten, dazu gezielte Daten zu erheben, auf deren Grundlage die Behörde beurteilen kann, ob durch die geplante WEA ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko verwirklicht wird. 3Diese Untersuchungen sind auf Gondelhöhe als Gondelmonitoring der Fledermausaktivitäten durchzuführen. 4Mithilfe eines Abschaltalgorithmus, der als Auflage im Zulassungsbescheid festgesetzt ist, kann die Erheblichkeitsschwelle unterschritten werden. 5Innerhalb eines Umkreises von einem km um bekannte Wochenstuben oder Männchenkolonien sowie von bekannten Zwischen-, Winter- und Schwärmquartieren mit bedeutenden Vorkommen der in Anlage 4 genannten Arten sind vertiefte Untersuchungen erforderlich, die zuverlässige Einschätzungen über die Raumnutzung am Standort ermöglichen (siehe hierzu die Ausführungen in der Arbeitshilfe Fledermausschutz und Windkraft, Teil 1 des LfU). 6In diesem Umkreis wird es aufgrund der räumlichen Nähe zwischen Anlage und Quartier in der Regel zu höheren Aufenthaltswahrscheinlichkeiten im Bereich der Rotoren kommen. 7Die Verwirklichung des Verbotstatbestands nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG kann durch einen Abschaltalgorithmus mittels Auflage im Zulassungsbescheid vermieden werden.

4.2.1.2.3Mögliche Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen

1§ 45b Abs. 6 BNatSchG legt unter Verweis auf Anlage 1 Abschnitt 2 BNatSchG nicht abschließend fachlich anerkannte Schutzmaßnahmen für die in Anlage 1 Abschnitt 1 BNatSchG genannten Brutvogelarten fest. 2Die Anordnung von Schutzmaßnahmen, die die Abschaltung von WEA betreffen, sind nach § 45b Abs. 6 Satz 2 BNatSchG auch für andere besonders geschützte Arten (zum Beispiel Fledermäuse) unzumutbar, wenn sie den Jahresenergieertrag verringern

a)
um mehr als 8 % bei Standorten mit einem Gütefaktor im Sinne des § 36h Abs. 1 Satz 5 EEG 2023 von 90 % oder mehr oder
b)
im Übrigen um mehr als 6 %.

3Die Berechnung erfolgt nach Anlage 2 (zu § 45b Abs. 6 und 9, zu § 45d Abs. 2) BNatSchG. 4Dabei werden Investitionskosten für Schutzmaßnahmen ab 17 000 Euro je Megawatt angerechnet. 5Ist die entsprechende Schwelle der Zumutbarkeit überschritten, so ist die Erteilung einer Ausnahme zu prüfen. 6Auf Verlangen des Vorhabenträgers können nach § 45b Abs. 6 Satz 5 BNatSchG auch unzumutbare geeignete Schutzmaßnahmen angeordnet werden; das Vorhaben kann dann ohne Ausnahmeerteilung genehmigt werden.

4.2.1.2.4Ausnahmeprüfung

1Sofern der Eintritt eines Verbotstatbestandes durch geeignete, fachlich anerkannte Schutzmaßnahmen nicht verhindert werden kann, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine artenschutzrechtliche Ausnahme vorliegen. 2§ 45b Abs. 8 und 9 BNatSchG konkretisieren die gesetzlichen Vorgaben des § 45 Abs. 7 Satz 1 bis 3 BNatSchG hinsichtlich des Betriebs (nicht der Errichtung) von WEA. 3Beide Absätze gelten für alle besonders geschützten wildlebenden Arten. 4Hinsichtlich der Errichtung gelten die regulären Vorschriften des besonderen Artenschutzrechts (§§ 44 ff. BNatSchG).

a)
Ausnahmegrund (§ 45b Abs. 8 Nr. 1 BNatSchG)

1Für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG muss einer der in § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 bis 5 BNatSchG gelisteten Ausnahmegründe vorliegen. 2In Betracht kommen vor allem Nr. 4 (öffentliche Sicherheit) und Nr. 5 (zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses). 3§ 45b Abs. 8 Nr. 1 BNatSchG legt fest, dass der Betrieb von WEA im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. 4Bei der Prüfung, ob der Ausnahmegrund des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG vorliegt, ist daher das überragende öffentliche Interesse bei der Abwägung mit anderen Rechtsgütern zu berücksichtigen. 5Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 45 Abs. 8 Nr. 1 BNatSchG (zum Beispiel bei der Errichtung von WEA) ist § 2 EEG 2023 zu berücksichtigen. 6Einzelheiten zu § 2 EEG 2023 können dem UMS vom 24. Februar 2023 (Az. K28c-U8700-2022/38-8) betreffend Berücksichtigung der erneuerbaren Energien und des Klimaschutzes bei Verwaltungsentscheidungen entnommen werden.

b)
Keine zumutbaren Alternativen (§ 45b Abs. 8 Nr. 2 und 3 BNatSchG)

1Gemäß § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG darf eine Ausnahme nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind. 2§ 45b Abs. 8 Nr. 2 BNatSchG sieht Erleichterungen bei der Prüfung von Standortalternativen vor. 3Hiernach ist vorgesehen, dass Standortalternativen im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG im Falle von für die Windenergie ausgewiesenen Gebieten außerhalb dieser Gebiete in der Regel nicht zumutbar sind. 4Dies gilt solange bis festgestellt wurde, dass das jeweilige Land den Flächenbeitragswert nach der Anlage Spalte 2 des WindBG oder der jeweilige regionale oder kommunale Planungsträger ein daraus abgeleitetes Teilflächenziel erreicht hat. 5§ 45b Abs. 8 Nr. 3 BNatSchG legt fest, dass Standortalternativen außerhalb der für Windenergie ausgewiesenen Gebiete unzumutbar sind, wenn sie einen Radius von 20 km überschreiten. 6Dies gilt nicht, sofern der vorgesehene Standort in einem Natura 2000-Gebiet mit kollisionsgefährdeten oder störungsempfindlichen Vogel- oder Fledermausarten liegt.

c)
Keine Verschlechterung des günstigen Erhaltungszustands oder Verhinderung der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands (§ 45b Abs. 8 Nr. 4 und 5 BNatSchG)

1Gemäß § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG darf eine Ausnahme nur zugelassen werden, wenn sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert. 2§ 45b Abs. 8 Nr. 4 BNatSchG stellt klar, dass der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nach § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG gewahrt bleibt, wenn sich der Zustand der durch das Vorhaben jeweils betroffenen lokalen Population nicht verschlechtert. 3Dabei sind Maßnahmen zu deren Sicherung zu berücksichtigen. 4§ 45b Abs. 8 Nr. 5 BNatSchG legt fest, dass der Erhaltungszustand der Populationen einer Art auch bei Verschlechterung der lokalen Population gewahrt bleibt, wenn auf Grundlage einer Beobachtung nach § 6 Abs. 2 BNatSchG zu erwarten ist, dass sich der Zustand der Populationen der betreffenden Art im betroffenen Bundesland oder auf Bundesebene nicht verschlechtert. 5Maßnahmen zu dessen Sicherung sind dabei zu berücksichtigen. 6Für eine Übergangszeit von drei Jahren seit Inkrafttreten des Gesetzes (bis 29. Juli 2025) wird hierbei auf vorhandene Erkenntnisse abgestellt. 7In dieser Zeit reicht es für den Nachweis der bundesweiten und landesweiten Nicht-Verschlechterung des Erhaltungszustands aus, wenn die kollisionsgefährdete Art nicht auf einer Gefährdungsliste geführt wird. 8Gefährdungslisten sind insbesondere die Roten Listen des Bundes und der Länder (BT-Drs. 20/2354, S. 27). 9Eine Verschlechterung liegt vor, wenn die betreffende Art entweder auf der Bundesliste oder auf der Landesliste geführt ist. 10Die Gesetzesbegründung enthält eine bundesweite Gefährdungsliste, die zu berücksichtigen ist. 11Wird eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG nach Maßgabe des § 45b Abs. 8 Nr. 5 BNatSchG zugelassen, ohne dass Maßnahmen zur Sicherung des Erhaltungszustands der betreffenden Art durchgeführt werden, hat der Träger des Vorhabens eine Zahlung in Geld zu leisten. 12Die Zahlung ist von der zuständigen Behörde zusammen mit der Ausnahmeentscheidung für die Dauer des Betriebs als jährlich zu leistender Betrag im Zulassungsbescheid festzusetzen (§ 45d Abs. 2 Satz 2 BNatSchG). 13Die Höhe der Zahlung richtet sich nach Nr. 4 der Anlage 2 (zu § 45b Abs. 6 und 9, zu § 45d Abs. 2) BNatSchG. Die Berechnung umfasst unter anderem den realen Energieertrag, der jährlich variiert. 14Im Rahmen der Genehmigung ist deshalb lediglich die Zahlungspflicht dem Grunde nach, nicht aber zahlenmäßig festzusetzen.

d)
Gebundene Entscheidung (§ 45b Abs. 8 Nr. 6 BNatSchG)

1§ 45b Abs. 8 Nr. 6 BNatSchG legt fest, dass es sich bei der Erteilung einer artenschutzrechtlichen Ausnahme für den Betrieb von WEA um keine Ermessensentscheidung, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt. 2Die Ausnahme von den Verboten des § 44 Abs. 1 BNatSchG ist somit zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 Satz 1 bis 3 BNatSchG vorliegen. 3Der Behörde steht kein Versagungsermessen zu.

e)
Schutzmaßnahmen bei Erteilung einer Ausnahme (§ 45b Abs. 9 BNatSchG)

1Gemäß § 45b Abs. 9 BNatSchG dürfen auch bei Erteilung einer Ausnahme die Abschaltung betreffende Schutzmaßnahmen für die in Anlage 1 Abschnitt 1 BNatSchG gelisteten Brutvogelarten angeordnet werden. 2Hier sind allerdings reduzierte Zumutbarkeitsschwellen zu beachten. 3Dabei sind weitere, auch für andere besonders geschützte Arten angeordnete Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen. 4Die Berechnung erfolgt nach Anlage 2 (zu § 45b Abs. 6 und 9, zu § 45d Abs. 2) BNatSchG.

4.3Vorhaben außerhalb des Geltungsbereichs von § 45b BNatSchG

1Der Windenergie-Erlass (BayWEE) vom 19. Juli 2016 ist in seinem Kapitel 8 – mit Ausnahme der Nr. 8.4.4 – inklusive der dort in Bezug genommenen Arbeitshilfen des LfU auf Verfahren, die vor dem 1. Februar 2024 bei der zuständigen Behörde beantragt werden oder bei denen vor dem 1. Februar 2024 die Unterrichtung über die voraussichtlich beizubringenden Unterlagen nach § 2a der 9. BImSchV erfolgt ist, weiterhin anzuwenden. 2Dies gilt nur, sofern der Vorhabenträger nicht die Anwendung des § 45b Abs. 1 bis 6 BNatSchG verlangt.

5.Repowering

1§ 6 WindBG gilt auch beim Repowering; die modifizierte artenschutzrechtliche Prüfung nach § 6 Abs. 1 Satz 3 WindBG richtet sich hier nach §§ 45b, 45c BNatSchG. 2Beim Repowering außerhalb des Anwendungsbereichs des § 6 WindBG ist § 45c BNatSchG zu beachten. 3Art. 5 Abs. 3 EU-Notfallverordnung ist zu beachten.

6.Inkrafttreten/Außerkrafttreten

Diese Hinweise treten am 1. September 2023 in Kraft und mit Ablauf des 31. August 2028 außer Kraft.

Dr. Christian Barth

Ministerialdirektor



Anlagen