Veröffentlichung BayMBl. 2023 Nr. 485 vom 04.10.2023

Veröffentlichendes Ressort

Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention

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Verwaltungsvorschrift

2175.4-G
  • Verwaltung
  • Sozialhilfe und Wohlfahrtswesen
  • Altenhilfe, Ambulante sozialpflegerische Dienste
  • Offene Altenhilfe

2175.4-G

Richtlinie zur Stärkung der Pflege im sozialen Nahraum
(Förderrichtlinie Gute Pflege in Bayern – GutePflegeFöR)

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege

vom 22. September 2023, Az. 45-G8300-2022/6857

1Der Freistaat Bayern gewährt nach Maßgabe dieser Richtlinie und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Vorschriften, insbesondere der Art. 23 und 44 der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO) und der hierzu erlassenen Verwaltungsvorschriften, Zuwendungen zur Stärkung einer bedarfsgerechten und bedürfnisorientierten auf den sozialen Nahraum ausgerichteten Pflege sowie für die Schaffung, den Ausbau und den Betrieb von Koordinierungsstellen. 2Die Leistung ist eine freiwillige Leistung und wird als Zuwendung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel gewährt.

Teil 1:
Stärkung der häuslichen Pflege

1.Zweck der Zuwendung

1Es ist der Wunsch des größten Teils der Menschen, auch bei Pflegebedürftigkeit oder drohender Pflegebedürftigkeit so lange wie möglich im vertrauten Umfeld zu Hause zu leben. 2Die Kommunen sollen die Entwicklung ihrer Sozialräume in einer Weise vorantreiben, die genau dies ermöglicht. 3Zweck der Zuwendung ist es daher, in den Kommunen für den Einzelnen eine pflegerische Versorgung im vertrauten Umfeld dauerhaft zu gewährleisten, Eigenständigkeit zu bewahren und Teilhabe zu ermöglichen. 4Hierzu müssen Pflegebedürftige und von Pflegebedürftigkeit bedrohte Menschen sowie deren An- und Zugehörige auf bedarfsgerechte Hilfs- und Entlastungsangebote zurückgreifen können. 5Gleichermaßen soll mit Gewährung der Zuwendung der Blick auf die Vermeidung oder Verzögerung des Eintritts von Pflegebedürftigkeit gelegt und entsprechende Präventionsmaßnahmen gefördert werden. 6Dabei müssen die individuell gewählten und fachlich passenden Interventionen und Hilfen zum Betroffenen kommen, nicht umgekehrt. 7Um diese Bedarfe zu decken, müssen auch im ländlichen Raum pflegerische und unterstützende Leistungen verfügbar sein. 8Durch die Zuwendung sollen die Kommunen bei der Bewältigung der Auswirkungen des demographischen Wandels und der damit einhergehenden steigenden Anzahl der Pflegebedürftigen und von Pflegebedürftigkeit bedrohten Menschen unterstützt werden. 9Bei der Aufgabenerfüllung der Kommunen gelten grundsätzlich die in Art. 68 ff. des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze festgelegten Verantwortungsebenen.

2.Gegenstand der Zuwendung

1Gegenstand der Zuwendung sind Projekte, die der Gestaltung und Umsetzung von Maßnahmen im sozialen Nahraum dienen und Pflegebedürftigen im Sinne des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI), von Pflegebedürftigkeit bedrohten Menschen sowie deren An- und Zugehörigen zur Stärkung der häuslichen Pflege zu Gute kommen. 2Ebenfalls gefördert werden können Projekte zur Vernetzung von pflegerischen Angeboten. 3Eine Zuwendung kommt insbesondere in Betracht für Projekte mit folgendem Gegenstand:

  • Umsetzung und Koordinierung der Vernetzung von Akteuren und Anbietern pflegerischer und unterstützender Leistungen im jeweiligen sozialen Nahraum sowie Vernetzung und Nutzung von Synergien zwischen professionellen Anbietern und bürgerschaftlichem Engagement;
  • Stärkung der häuslichen Pflege durch die Etablierung eines kommunalen Netzwerks für Pflegedienste;
  • Kostenlose, neutrale und individuelle Beratung in Pflegekontexten, auf Wunsch aufsuchend zu Hause;
  • Klärung individueller Hilfe- und Unterstützungsbedarfe;
  • Organisation oder Durchführung von Maßnahmen zur Stabilisierung des Pflegebedürftigen oder des von Pflegebedürftigkeit bedrohten Menschen zum Erhalt der Lebensqualität in der Häuslichkeit;
  • Sicherstellung sozialer Teilhabe pflegebedürftiger Menschen und häuslich pflegender An- und Zugehöriger;
  • Bedarfsermittlung sowie die Erschließung und Organisation erforderlicher Hilfs- und Unterstützungsangebote im sozialen Nahraum, einschließlich interkommunaler Zusammenarbeit;
  • Schaffung von vielfältigen niedrigschwelligen, zum Beispiel von nachbarschaftlichen Angeboten;
  • Vernetzung mit der für den jeweiligen Aufgabenbereich verantwortlichen Kommune, wenn strukturelle Versorgungslücken festgestellt werden;
  • Unterstützung beim Schließen von Versorgungslücken;
  • Entwicklung und Mitwirkung bei der Entwicklung innovativer Konzepte zur Umsetzung des personenzentrierten Ansatzes im sozialen Nahraum sowie zur Stärkung der häuslichen Pflege.

4Maßnahmen, die diesem Anspruch nachkommen, sind insbesondere

  • Aufbau und Begleitung von Genossenschaften in Pflegekontexten;
  • Etablierung von GutePflege-Lotsen in den Kommunen und deren Unterstützung;
  • Schaffung von Pflegekrisendiensten;
  • Schaffung von pflegepräventiven Angeboten;
  • Konzeptionelle Stärkung und Weiterentwicklung der Angebote von Verhinderungspflege, der Tages- und Nachtpflege sowie der Kurzzeitpflege;
  • Vernetzung pflegerischer Angebote verschiedener Leistungserbringer;
  • Modellprojekte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in der ambulanten Pflege.

3.Zuwendungsempfänger

1Zuwendungsempfänger sind Kommunen. 2Fördermittel können an einen ausführenden Letztempfänger nach Maßgabe der VV Nr. 13 zu Art. 44 BayHO weitergeleitet werden.

4.Zuwendungsvoraussetzungen

Voraussetzungen für die Förderung sind:

a)
ein detaillierter Kosten- und Finanzierungsplan;
b)
eine Projektbeschreibung mit fachlicher Konzeption aus der hervorgeht
  • auf welchen sozialen Nahraum sich das Projekt geografisch bezieht und wie viele Menschen dieser umfasst,
  • wie sich die Bedarfssituation darstellt,
  • wie ein Austausch auf (über-)regionaler Ebene stattfindet,
  • wie die aktive Beteiligung von Pflegebedürftigen und von Pflegebedürftigkeit bedrohten Menschen im sozialen Nahraum bei der Gestaltung und Planung der Angebote erreicht wird,
  • wie die Abstimmung mit anderen Akteuren im sozialen Nahraum und die Nachhaltigkeit der geplanten Angebote sichergestellt wird,
  • wie die Vernetzung zur Kommune hergestellt wird, mit dem Ziel gegebenenfalls erforderliche strukturelle Veränderungen herbeizuführen,
  • wie bestehende Pflegestrukturen, wo notwendig, so flankiert werden, dass eine Fokussierung auf die pflegerische Tätigkeit möglich wird,
  • wie bestehende Strukturen so eingebunden werden, dass keine Doppelstrukturen entstehen und
  • wie der Erfolg der durchgeführten Maßnahmen evaluiert und deren Nachhaltigkeit sichergestellt wird;
c)
die förderfähigen Ausgaben der Maßnahmen müssen mindestens 5 000 Euro betragen (Bagatellgrenze).

5.Art und Umfang der Zuwendung

5.1
Die Zuwendung wird als nicht rückzahlbare Zweckzuweisung zur Projektförderung im Wege einer Anteilfinanzierung der zuwendungsfähigen Ausgaben gewährt.
5.2
1Zuwendungsfähig sind maßnahmenbezogene notwendige Personal- und nichtinvestive Sachausgaben. 2Dabei sind Personalausgaben höchstens bis zur Besoldungsgruppe A11, oder bei Beschäftigten einer dieser vergleichbaren Entgeltgruppe, zuwendungsfähig. 3Im Falle einer Weiterleitung an einen nichtkommunalen Letztempfänger ist die Höhe der zuwendungsfähigen Personalausgaben auf die Personalausgabenhöchstsätze, die von dem für Finanzen zuständigen Staatsministerium jährlich herausgegeben werden, begrenzt.
5.3
1Die Höhe der Zuwendung beläuft sich
  • für finanzschwache Kommunen, in denen 50 oder mehr Leistungsempfänger, die Ansprüche aus der Pflegeversicherung haben, je 1 000 Einwohner leben auf bis zu 90 % der zuwendungsfähigen Ausgaben,
  • für Kommunen, in denen 50 oder mehr Leistungsempfänger, die Ansprüche aus der Pflegeversicherung haben, je 1 000 Einwohner leben auf bis zu 80 % der zuwendungsfähigen Ausgaben und
  • für Kommunen, in denen weniger als 50 Leistungsempfänger, die Ansprüche aus der Pflegeversicherung haben, je 1 000 Einwohner leben auf bis zu 70 % der zuwendungsfähigen Ausgaben.

2Bei nicht finanzschwachen Kommunen reduziert sich die Förderquote ab dem vierten Jahr nach Erteilung der Bewilligung um 10 %. 3Als finanzschwach gelten Kommunen, deren Finanzkraft im Vorjahr der Antragstellung weniger als 85 % des Gemeindegrößenklassendurchschnitts betrug.

5.4
1Gesetzliche Leistungen sind vorrangig in Anspruch zu nehmen. 2Eine Förderung nach dieser Richtlinie entfällt für Maßnahmen, für die anderweitige Mittel des Freistaates für denselben Förderzeitraum mit demselben Förderzweck in Anspruch genommen werden. 3Eine Förderung aus Mitteln der Kommunen, des Bundes oder der Europäischen Union neben der Förderung nach dieser Richtlinie ist möglich. 4Auch in diesen Fällen ist vom Zuwendungsempfänger ein angemessener Eigenanteil in Höhe von mindestens 10 % der zuwendungsfähigen Gesamtausgaben zu erbringen.

Teil 2:
Verfahren

6.Antrags- und Bewilligungsverfahren

6.1
Bewilligungsbehörde ist das Landesamt für Pflege.
6.2
Der Antrag ist unter Verwendung der im Internetauftritt der Bewilligungsbehörde erhältlichen Vordrucke mit den dort genannten Unterlagen einzureichen.
6.3
1Über die jeweils bis zum 1. März und 1. September eingegangenen Anträge wird jeweils nach diesen Stichtagen entschieden. 2Reichen die Haushaltsmittel zum jeweiligen Stichtag nicht aus, alle Anträge, die die Fördervoraussetzungen erfüllen, zu bewilligen, wird eine Priorisierung vorgenommen. 3Bei der Auswahl der Projekte ist
  • die Fachlichkeit der geplanten Konzepte,
  • die Schlüssigkeit des Gesamtkonzepts sowie dessen Umsetzung,
  • die Höhe des Anteils der Pflegebedürftigen gemessen an der Einwohnerzahl der beantragenden Kommune maßgeblich und
  • erst danach die Dringlichkeit des Projekts als Auswahlkriterium zulässig.
6.4
Die Förderdauer für ein Projekt beträgt bis zu drei Jahre.
6.5
1Anträge zur Fortführung von Konzepten, die bereits durch diese Richtlinie gefördert wurden (Folgeanträge), sind möglich. 2Diese sind bei der Bewilligungsbehörde entsprechend Nr. 6.3 dieser Richtlinie zum 1. März oder 1. September zu stellen, mindestens jedoch sechs Monate vor Ende des fortzuführenden Projekts. 3Bei Folgeanträgen reicht es aus, wenn bei der Antragstellung die Änderungen gegenüber dem vorherigen Antrag angegeben werden.
6.6
1Die Bewilligungsbehörde hat in jedem einzelnen Förderfall zu prüfen, ob eine Beihilfe vorliegt und ob diese bejahendenfalls unter den nachfolgend genannten Regelungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehen und somit von der Notifizierungspflicht befreit ist. 2Die Bewilligungsbehörde prüft in diesem Fall, ob die Voraussetzungen der Verordnung (EU) Nr. 360/2012 (DAWI-De-minimis-Verordnung), des Beschlusses 2012/21/EU (DAWI-Freistellungsbeschluss) oder der Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 (De-minimis-Verordnung) vorliegen. 3Sofern eine DAWI-De-minimis-Beihilfe oder De-minimis-Beihilfe in Betracht kommt, hat der Antragsteller eine De-minimis-Erklärung gegenüber der Bewilligungsbehörde abzugeben. 4Dem Antragssteller wird bei Vorliegen der Voraussetzungen der DAWI-De-minimis-Verordnung oder der De-minimis-Verordnung eine De-minimis-Bescheinigung ausgehändigt. 5Diese ist vom Antragsteller zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anforderung der Europäischen Kommission, der Bundesregierung, der Landesverwaltung oder der bewilligenden Stelle innerhalb von einer Woche oder einer in der Anforderung festgesetzten längeren Frist vorzulegen. 6Der Antragssteller wird bei Vorliegen der Voraussetzungen der DAWI-De-minimis-Verordnung oder des DAWI-Freistellungsbeschlusses mit der jeweiligen Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut. 7Wird die Bescheinigung innerhalb der Frist nicht vorgelegt, entfällt rückwirkend die Bewilligungsvoraussetzung und die Beihilfen zuzüglich Zinsen werden zurückgefordert.

7.Evaluation und Erfolgskontrolle

1Die Bewilligungsbehörde hat eine Evaluation sowie eine Erfolgskontrolle durchzuführen. 2Die Zuwendungsempfänger haben an dieser mitzuwirken und sind der Bewilligungsbehörde auf Verlangen zur Auskunft über die Ergebnisse der Förderung verpflichtet. 3Mit dem Antrag auf Förderung ist eine entsprechende datenschutzrechtliche Erklärung abzugeben.

8.Verwendungsnachweis

1Der Verwendungsnachweis wird von der Bewilligungsbehörde geprüft. 2Die Zuwendungsempfänger haben dabei mitzuwirken und sind der Bewilligungsbehörde auf Verlangen verpflichtet, notwendige Unterlagen vorzulegen.

9.Sonstiges

Die Bewilligungsbehörde kann im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege in besonders gelagerten Einzelfällen Ausnahmen von den in dieser Richtlinie getroffenen Festlegungen zulassen.

10.Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Bekanntmachung tritt am 5. Oktober 2023 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2026 außer Kraft.

Dr. Winfried Brechmann

Ministerialdirektor