Veröffentlichung BayMBl. 2023 Nr. 486 vom 04.10.2023

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Staatsministerium der Finanzen und für Heimat

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Verwaltungsvorschrift

2034.6-F
  • Verwaltung
  • Recht der im Dienst des Staates, der Gemeinden und anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen (siehe auch 2022 = Kommunale Wahlbeamte, 2238 = Lehrerbildung und Lehrerfortbildung)
  • Arbeitnehmer und Auszubildende
  • Arbeitgeberregelungen

2034.6-F

Vollzug des Verpflichtungsgesetzes
(VollzVerpflG)

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat

vom 22. September 2023, Az. 25-P 2500-1/293

1.Allgemeines

1§ 11 Abs. 1 Nr. 2 und 4 des Strafgesetzbuches (StGB) unterscheidet zwischen Amtsträgern und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten. 2Die Fallgestaltungen, in den die „für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten“ in Straftatbestände einbezogen sein sollen, sind in dem jeweiligen Tatbestand besonders erwähnt. 3Es handelt sich um die § 97b Abs. 2 in Verbindung mit §§ 94 bis 97 (Verrat in irriger Annahme eines Staatsgeheimnisses), § 120 (Gefangenenbefreiung), § 133 Abs. 3 (Verwahrungsbruch), § 201 Abs. 3 (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes), § 203 Abs. 2, 4, 5 (Verletzung von Privatgeheimnissen), § 204 (Verwertung fremder Geheimnisse), § 331 (Vorteilsannahme), § 332 (Bestechlichkeit), § 353b (Verletzung des Dienstgeheimnisses), § 355 (Verletzung des Steuergeheimnisses) und § 358 StGB (Nebenfolgen). 4Die §§ 97b, 120 und 355 StGB kommen nach der Art der Obliegenheiten der zu verpflichtenden Personen nur bei einem bestimmten Personenkreis in Betracht. 5Nach § 11 Nr. 4 StGB hängt die Qualifikation als „besonders Verpflichteter“ und damit die strafrechtliche Verantwortlichkeit einer Person, die nicht Amtsträger ist, von einer förmlichen Verpflichtung aufgrund eines Gesetzes ab. 6Rechtsgrundlage für diese Verpflichtung ist das Verpflichtungsgesetz (VerpflG). 7Nur wer – sofern er nicht Amtsträger ist – nach dem Verpflichtungsgesetz förmlich verpflichtet ist, ist damit im Rahmen der in den Sätzen 3 bis 4 genannten Vorschriften strafrechtlich verantwortlich.

2.Abgrenzung des „Amtsträgers“ zum „besonders Verpflichteten“

1Die Definition des Amtsträgers in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB umfasst zwei unterschiedliche Personengruppen:

a)
1Es sind einmal diejenigen Personen, die in einem Amtsverhältnis stehen, sei es als Beamtin oder Beamter, als Richterin oder Richter oder in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis (zum Beispiel als Ministerin oder Minister). 2Sie sind Amtsträger allein aufgrund des Amtsverhältnisses und unabhängig von ihrer Funktion.
b)
1Die zweite Gruppe wird hingegen durch funktionale Kriterien bestimmt. 2Hierzu gehören diejenigen Personen, die nicht in einem Amtsverhältnis stehen (zum Beispiel Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer), die aber sonst dazu bestellt sind, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. 3Auch hinsichtlich des Personenkreises nach Satz 2 deckt sich der Begriff „Amtsträger“ im Wesentlichen mit dem der Beamtin beziehungsweise des Beamten im strafrechtlichen Sinn, wie er von der Rechtsprechung in Auslegung des § 359 StGB entwickelt worden ist.

2„Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ sind nicht nur solche der staatlichen Anordnungs- und Zwangsgewalt, sondern alle aus der Staatsgewalt abgeleiteten und staatlichen Zwecken dienenden Aufgaben. 3Hierunter fallen insbesondere auch die Aufgaben der Daseinsvorsorge, und zwar unabhängig davon, in welcher Form (hoheitlich oder privatrechtlich) sie erfüllt werden. 4Abzustellen ist also auf den Inhalt der Aufgabe, nicht auf die Art und Weise ihrer Erfüllung. 5So kann schließlich auch die erwerbswirtschaftlich-fiskalische Betätigung des Staates und anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung sein.

6Die zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Rahmen der einschlägigen Straftatbestände besonders zu Verpflichtenden sind nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StGB zunächst die Personen, die, ohne Amtsträger zu sein, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle die Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnimmt, beschäftigt oder für sie tätig sind. 7Da die in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehenden Amtsträger in der Regel unschwer zu erkennen sind, konzentriert sich das Problem der Abgrenzung der besonders zu Verpflichtenden zu den Amtsträgern auf den Personenkreis, der nicht in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht. 8In diesem Zusammenhang sind die in Satz 1 Buchst. b genannten funktionalen Kriterien von entscheidender Bedeutung. 9Für eine besondere Verpflichtung kommen also solche Personen in Betracht, die bei einer Behörde oder sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, zwar beschäftigt oder für sie tätig sind, die jedoch selbst keine öffentlichen Aufgaben wahrnehmen. 10Hierzu gehören Schreibkräfte, Bürokräfte, Boten, Reinigungskräfte und ähnliche Personengruppen, die, ohne öffentliche Aufgaben wahrzunehmen, in einem Arbeitsverhältnis zu der Behörde oder Stelle stehen, also „bei“ ihr tätig sind, oder die aufgrund eines Sonderauftrages „für“ eine Behörde oder Stelle vorübergehend herangezogen werden, etwa als Gutachter oder Mitglied eines beratenden Ausschusses.

11Die Abgrenzung ist jedoch nicht immer zweifelsfrei möglich. 12Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte daher in Zweifelsfällen von der Möglichkeit der Verpflichtung Gebrauch gemacht werden, sofern dies auch sachlich geboten ist.

13Das Gesetz nennt neben der „Behörde“ auch die „Stelle“, um deutlich zu machen, dass hier nicht nur Behörden im organisatorischen Sinn in Betracht kommen, sondern auch Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie Stellen, die Teil einer Behörde im organisatorischen Sinn sind, und ferner auch sonstige Stellen, die zu öffentlichen Aufgaben berufen sind, so etwa Vereinigungen, Beiräte oder Ausschüsse, die bei der Ausführung von Gesetzen mitwirken.

14Schließlich müssen nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b StGB zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit diejenigen besonders verpflichtet werden, die bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluss, Betrieb oder Unternehmen, die „für“ eine Behörde oder sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen, beschäftigt oder für sie tätig sind. 15Unter „Verband“ sind Zusammenschlüsse von natürlichen oder juristischen Personen oder Vereinigungen zur Förderung gemeinsamer Interessen, insbesondere wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und politischer Art zu verstehen, von dem Begriff „sonstige Zusammenschlüsse“ werden zum Beispiel Beiräte und Ausschüsse erfasst. 16Voraussetzung ist, dass die in Satz 14 genannten Organisationsformen für eine Behörde oder sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen, also gleichsam als deren verlängerter Arm tätig werden. 17Ausgenommen sind dagegen die Fälle, in denen zum Beispiel ein Verband mit Tätigkeiten beauftragt wird, die nur der Vorbereitung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung dienen, so zum Beispiel der Beschaffung von Sachmitteln.

3.Durchführung des Verpflichtungsgesetzes

1Das Verpflichtungsgesetz schreibt die Verpflichtung für den Regelfall verbindlich vor („… soll verpflichtet werden …“). 2Das bedeutet, dass die Verpflichtung immer dann durchzuführen ist, wenn dies von der Sache her geboten ist, das heißt wenn aufgrund der im Einzelfall übertragenen Aufgaben objektiv die Möglichkeit des Geheimnisbruchs, der Bestechung oder der Verwirklichung der unter Nr. 1 sonst genannten Vorschriften denkbar ist. 3Nur in den Fällen, in denen die übertragenen Aufgaben so geartet sind, dass schon die in Satz 2 genannte Möglichkeit ausscheidet, darf von der Verpflichtung abgesehen werden.

3.1Personenkreis (§ 1 Abs. 1 VerpflG)

1Der von dem Verpflichtungsgesetz erfasste Personenkreis deckt sich – abgesehen von dem in § 1 Abs. 1 Nr. 3 VerpflG genannten öffentlich bestellten Sachverständigen – mit dem in § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB definierten Personenkreis der „für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten“. 2Hierzu wird auf die Ausführungen unter Nr. 2 verwiesen.

3.2Form und Inhalt der Verpflichtung (§ 1 Abs. 2 und 3 VerpflG)

1§ 1 Abs. 2 und 3 VerpflG bestimmt die Form und den wesentlichen Inhalt der Verpflichtung. 2Es genügt eine mündliche Verpflichtung. 3Über die Verpflichtung ist jedoch eine Niederschrift aufzunehmen, die der Verpflichtete mit unterzeichnet und von der er eine Abschrift erhält. 4Die Niederschrift und deren Aushändigung sind zwar keine Wirksamkeitsvoraussetzungen der Verpflichtung. 5Aus Gründen der Beweisführung sind diese Formalien zu erfüllen.

6Inhaltlich erstreckt sich die Verpflichtung auf die gewissenhafte Erfüllung der Obliegenheiten. 7Das folgt bereits aus § 1 Abs. 1 VerpflG. 8Darüber hinaus muss die Verpflichtung einen Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung enthalten. 9Hierfür genügt nicht ein allgemein gehaltener Hinweis. 10Vielmehr ist es im Interesse der Rechtssicherheit und gegebenenfalls im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers erforderlich, die verpflichtete Person über die einschlägigen Strafvorschriften zu belehren.

11Aus Gründen der Rechtssicherheit und einer einheitlichen Verwaltungspraxis wird daher gebeten, für die Niederschrift das als Anlage beigefügte Formblatt zu verwenden und der verpflichteten Person eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. 12Die der in der Niederschrift aufgeführten Strafvorschriften sind der verpflichteten Person elektronisch zur Verfügung zu stellen. 13Die am Schluss aufgeführten §§ 97b, 120 und 355 StGB sind in Gedankenstriche gesetzt und können bei der Verpflichtung solcher Personen gestrichen werden, bei denen die Vorschriften nach Art der Obliegenheiten der zu verpflichtenden Person keine praktische Relevanz haben.

3.3Zuständigkeit

1Die Verpflichtung ist von der Behörde vorzunehmen, bei der die betreffende Person beschäftigt oder für die sie tätig ist.

2Sachverständige werden von der Behörde oder Stelle verpflichtet, von der sie bestellt worden sind.

3.4Verhältnis der Verpflichtung nach dem Verpflichtungsgesetz zur Vereidigung auf die Bayerische Verfassung:

1Die Verpflichtung nach dem Verpflichtungsgesetz verfolgt einen anderen Zweck als die Vereidigung auf die Bayerische Verfassung, die nach Art. 187 der Verfassung für alle Beamtinnen und Beamten sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst vorgeschrieben ist. 2Neben der Verpflichtung nach dem Verpflichtungsgesetz ist daher nach wie vor jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer auf die Bayerische Verfassung zu vereidigen.

4.Inkrafttreten

Diese Bekanntmachung tritt am 1. November 2023 in Kraft.

5.Außerkrafttreten

Mit Ablauf des 31. Oktober 2023 tritt die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 19. Februar 1975 (FMBl. S. 110, StAnz. Nr. 9), die durch Bekanntmachung vom 29. Dezember 1980 (FMBl. 1981 S. 56, StAnz. 1981 Nr. 1/2) geändert worden ist, außer Kraft.

Dr. Alexander Voitl

Ministerialdirektor