Vollzug des Bayerischen Krankenhausgesetzes (BayKrG)
Allgemeinverfügung zum Widerruf der Allgemeinverfügung zur Sicherstellung
ergänzender strahlentherapeutischer Leistungen in der stationären Versorgung
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention
vom 29. April 2025, Az. 24-K9000-2022/29-509
Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention erlässt im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst auf der Grundlage von Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alternative 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG), Art. 5 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 des Bayerischen Krankenhausgesetzes (BayKrG) folgende
Allgemeinverfügung
- 1. Widerruf der Allgemeinverfügung zur Sicherstellung ergänzender strahlentherapeutischer Leistungen in der stationären Versorgung
Die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention zur Sicherstellung ergänzender strahlentherapeutischer Leistungen in der stationären Versorgung (AV Strahlentherapie) vom 15. Mai 2024 (BayMBl. Nr. 251), Az. 24a-K9000-2022/29-415, wird widerrufen.
- 2. Inkrafttreten
Diese Allgemeinverfügung tritt am 29. Mai 2025 in Kraft.
Begründung
Zu Nr. 1
I.
Mit der AV Strahlentherapie vom 15. Mai 2024 wurde die Feststellung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayKrG getroffen, dass der stationäre Versorgungsauftrag der nach den §§ 108, 109 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhäuser bei Vorliegen der in der Allgemeinverfügung genannten Voraussetzungen auch ergänzende strahlentherapeutische Leistungen, insbesondere bei Patienten mit onkologischen Erkrankungen, umfasst.
Hintergrund hierfür waren zwei Entscheidungen des Bundesozialgerichts (BSG) vom 26. April 2022 (Az.: B 1 KR 15/21 R) und vom 29. August 2023 (Az.: B 1 KR 18/22 R). Bis zu diesen Entscheidungen war es bislang landesweit gelebte Praxis, dass Krankenhäuser die zusätzlich zur eigentlichen stationären Behandlung notwendige, ergänzende strahlentherapeutische Behandlung insbesondere von Tumoren während des Krankenhausaufenthaltes eines Patienten in nahegelegenen niedergelassenen Praxen durchführen ließen und in diesen Fällen gegenüber den Krankenkassen die Fallpauschalen geltend machten, die einschlägig gewesen wären, wenn die Krankenhäuser die Bestrahlungen selbst vorgenommen hätten.
Die genannten Entscheidungen des BSG hatten diese Handhabung jedoch für eine Vielzahl praktischer Fälle in Frage gestellt, denn das BSG hat diejenigen Fallpauschalen für einschlägig erachtet, die unter Außerachtlassung der Bestrahlungen maßgeblich gewesen wären. Gleichzeitig bestand – anders als zum Beispiel bei der Hämodialyse – wegen des rechtlichen Verbots der stationären und ambulanten Parallelbehandlung keine Möglichkeit der Abrechnung unmittelbar durch den niedergelassenen Arzt. In der Konsequenz liefen die Krankenhäuser aufgrund der Entscheidungen Gefahr, die von ihnen an die niedergelassenen Strahlentherapeuten zu zahlenden Vergütungen nicht refinanzieren zu können, wenn die Krankenkassen in der Folge der Urteile nur noch die Fallpauschale ohne Codierung der Bestrahlungsleistungen gewähren würden. Folge wäre eine massive flächendeckende Unterversorgung gewesen, da nur noch die wenigen Krankenhäuser mit ausdrücklich zugewiesenem Versorgungsauftrag in der Strahlentherapie, die die Behandlung selbst durchführen, diese Tumorpatienten hätten behandeln können. Dies hätte sogar für solche Behandlungen gegolten, bei denen nicht das onkologische Leiden Anlass für den Krankenhausaufenthalt war. Zudem hätten infolge der dargestellten Rechtsprechung Patienten in Kauf nehmen müssen, eine (ambulant) begonnene Strahlentherapie aufgrund des stationären Aufenthalts an einem anderen Gerät durchführen oder eine während des Krankenhausaufenthalts begonnene Strahlentherapie nach dem stationären Aufenthalt mit einem anderen Gerät in Wohnortnähe fortsetzen zu müssen. Beides wäre – abgesehen von dem sich ergebenden Versorgungsengpass – nach medizinischer Expertise von erheblichem Nachteil für den Patienten gewesen.
Um die beschriebenen Folgen (flächendeckende Unterversorgung; medizinischer Nachteil für Patienten) zu verhindern, wurde durch die AV Strahlentherapie ausdrücklich klargestellt, dass der Versorgungsauftrag zugelassener Krankenhäuser auch ohne ausdrückliche Zuweisung der Fachrichtung Strahlentherapie die ergänzende strahlentherapeutische Behandlung von Patienten umfasst, wenn die in der Allgemeinverfügung genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Ziel war es insoweit, dass die Bestrahlung trotz der BSG-Rechtsprechung als „vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter“ im Sinn von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) angesehen und vergütet werden konnte, sodass es nicht zu oben beschriebenem Versorgungsengpass und zu medizinischen Nachteilen kommt.
Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – KHVVG) vom 5. Dezember 2024 wurde § 2 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG um eine weitere Nummer ergänzt. Nach § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 KHEntgG n. F. gehört nun auch eine Strahlentherapie nicht zu den Krankenhausleistungen nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG, wenn ihre Durchführung durch Dritte medizinisch notwendig ist. Damit hat der Bundesgesetzgeber mit Wirkung zum 12. Dezember 2024 (Tag des Inkrafttretens des KHVVG) eine weitere Ausnahme vom Grundsatz der Gesamtbehandlungsverantwortung des Krankenhauses geschaffen, sodass es in diesem ausdrücklich geregelten neuen Ausnahmefall zulässig ist, dass neben der stationären Krankenhausbehandlung eine parallel abzurechnende vertragsärztliche Behandlung erfolgt. Sind die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 KHEntgG erfüllt, wird eine Strahlentherapie nunmehr als ambulante Leistung direkt durch den niedergelassenen Arzt gegenüber dem Patienten oder dessen Kostenträger abgerechnet.
In der Folge ist die Gefahr eines flächendeckenden Versorgungsengpasses nicht mehr gegeben. Der Bedarf für den durch die AV Strahlentherapie festgestellten und erteilten Versorgungsauftrag bezüglich bestimmter ergänzender strahlentherapeutischer Leistungen ist durch die Neuregelung auf Bundesebene entfallen. Der durch AV Strahlentherapie erteilte Versorgungsauftrag ist zur Deckung des in Bayern vorhandenen Bedarfs nicht mehr notwendig, mithin nicht mehr bedarfsgerecht.
II.
Rechtsgrundlage des Widerrufs ist Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alternative 1 BayVwVfG. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Vorliegend war der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen, vgl. Art. 5 Abs. 2 Satz 3 BayKrG.
Die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 Satz 3 BayKrG liegen vor. Die Voraussetzungen für die mit der AV Strahlentherapie getroffenen krankenhausplanerischen Festlegungen liegen nicht nur vorübergehend nicht mehr vor. Wie unter I. dargestellt, ist der der AV Strahlentherapie zugrundeliegende Bedarf durch die Neuregelung auf Bundesebene nicht nur vorübergehend entfallen.
Die Frist des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG ist gewahrt. Erst mit Inkrafttreten der Neuregelung am 12. Dezember 2024 lag positive Kenntnis von der den Widerruf rechtfertigenden Tatsachen vor.
Der Widerruf ist jedoch kein Automatismus, sondern setzt eine Ermessensentscheidung der widerrufenden Behörde voraus. Die Entscheidung über den Widerruf bedarf einer Ermessensausübung, die am Zweck des Widerrufsvorbehalts und den dem jeweiligen Gesetz zugrunde liegenden öffentlichen Interessen auszurichten ist.
Die AV Strahlentherapie mit den dortigen Festlegungen wurde erlassen, um den vorhandenen Bedarf an bestimmten ergänzenden strahlentherapeutischen Leistungen zu decken, denn es war ernsthaft zu befürchten, dass die Versorgung in diesem Bereich mangels Refinanzierbarkeit für die Krankenhäuser ohne Erteilung eines entsprechenden Versorgungsauftrags erheblich eingeschränkt worden wäre. Derartige Entwicklungen zu verhindern, stand bis zur Neuregelung auf Bundesebene im öffentlichen, krankenhausplanerischen Interesse, um die bedarfsgerechte stationäre Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen (vgl. Art. 1 Satz 1 BayKrG). Durch die Neuregelung auf Bundesebene droht eine solche Versorgungslücke in Zukunft nicht mehr. Demgegenüber stehen wirtschaftliche Interessen der betroffenen Krankenhäuser, denn die Erteilung eines Versorgungsauftrages ist regelmäßig mit wirtschaftlichen Vorteilen für die Krankenhäuser verbunden, da sie Basis für die Zulassung der Krankenhäuser zum System der gesetzlichen Krankenversicherung und für die Schaffung eines Anspruchs auf Investitionskostenförderung ist. Vorliegend sind durch den Widerruf jedoch keine erheblichen finanziellen Nachteile für die Krankenhäuser zu erwarten. Der Widerruf der Allgemeinverfügung hat nur den Wegfall eines begrenzten Bereichs – des Versorgungsauftrags für die in der Allgemeinverfügung dargestellten ergänzenden strahlentherapeutischen Leistungen – zur Folge. Die Abrechnung derartiger Leistungen kann, wenn ihre Durchführung durch Dritte medizinisch notwendig ist, zukünftig direkt durch den ambulanten Leistungserbringer mit den Krankenkassen erfolgen. Zahlungen im Verhältnis Krankenhaus und ambulanter Leistungserbringern sind in diesen Fällen nicht mehr notwendig, sodass insofern auch kein Risiko mehr für eine fehlende Refinanzierbarkeit für die Krankenhäuser besteht. Insgesamt überwiegt damit das krankenhausplanerische Interesse an einer am vorhandenen Bedarf ausgerichteten Versorgung. Ein milderes Mittel als der Widerruf der Allgemeinverfügung ist nicht ersichtlich. Ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes ist nicht entstanden, da der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen ist und die betroffenen Krankenhäuser unter den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 Satz 3 BayKrG somit mit einer Aufhebung der Allgemeinverfügung rechnen mussten.
Zu Nr. 2
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten der Allgemeinverfügung.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach ihrer Bekanntgabe Klage bei dem örtlich zuständigen Bayerischen Verwaltungsgericht erhoben werden.
Örtlich zuständig ist das Bayerische Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk der Kläger seinen Sitz oder Wohnsitz hat:
- Regierungsbezirk Oberbayern:
Verwaltungsgericht München in 80335 München, Bayerstraße 30, - Regierungsbezirke Niederbayern und Oberpfalz:
Verwaltungsgericht Regensburg in 93047 Regensburg, Haidplatz 1, - Regierungsbezirk Oberfranken:
Verwaltungsgericht Bayreuth in 95444 Bayreuth, Friedrichstraße 16, - Regierungsbezirk Unterfranken:
Verwaltungsgericht Würzburg in 97082 Würzburg, Burkarderstraße 26, - Regierungsbezirk Mittelfranken:
Verwaltungsgericht Ansbach in 91522 Ansbach, Promenade 24–28, - Regierungsbezirk Schwaben:
Verwaltungsgericht Augsburg in 86152 Augsburg, Kornhausgasse 4.
Hinweise zur Rechtsbehelfsbelehrung
Für Kläger ohne Sitz oder Wohnsitz im Freistaat Bayern ist das Verwaltungsgericht München in 80335 München, Bayerstraße 30, örtlich zuständig.
Die Einlegung des Rechtsbehelfs ist schriftlich, zur Niederschrift oder elektronisch in einer für den Schriftformersatz zugelassenen Form möglich. Die Einlegung eines Rechtsbehelfs per einfacher E-Mail ist nicht zugelassen und entfaltet keine rechtlichen Wirkungen!
Ab 01.01.2022 muss der in § 55d VwGO genannte Personenkreis Klagen grundsätzlich elektronisch einreichen.
Kraft Bundesrechts wird in Prozessverfahren vor den Verwaltungsgerichten infolge der Klageerhebung eine Verfahrensgebühr fällig.
Dr. Rainer Hutka
Ministerialdirektor