Veröffentlichung KWMBl. 2017/02 S. 6 vom 15.12.2016

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Az. V.8-BS4402.41-6a.141 202
2230.1.1.1.1.3-K
2230.1.1.1.1.3-K
Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung
in den bayerischen Schulen
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums
für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst
vom 15. Dezember 2016, Az. V.8-BS4402.41-6a.141 202
1.
Grundsätze der Familien- und Sexualerziehung
1.1
Rechtliche Grundlagen
1.2
Aufgaben und Ziele
1.3
Vermittlung
1.3.1
Prinzipien
1.3.2
Aktionstag für das Leben
1.3.3
Unterrichtsmedien
2.
Themenbereiche der Familien- und Sexualerziehung
2.1
Fächerübergreifende Umsetzung
2.2
Humanbiologische Sachverhalte
2.3
Geschlechterrolle und Geschlechtsidentität
2.4
Selbstkonzept und Gesellschaft
2.5
Stärkung der sozialen und personalen Kompetenzen
3.
Organisation der Familien- und Sexualerziehung an der Schule
3.1
Aufgaben der Schulleitung
3.2
Aufgaben der/des Beauftragten für Familien- und Sexualerziehung
3.3
Aufgaben der Lehrkräfte
3.4
Elterninformation
3.5
Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung
4.
Prävention von sexueller Gewalt
4.1
Sexuelle Gewalt
4.2
Präventionsstrategien
4.2.1
Persönlichkeitsstärkende Erziehungshaltung
4.2.2
Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule
4.2.3
Bedeutung der Medienumwelt
4.2.4
Sprechen über sexuelle Gewalt
4.3
Die Rolle von Schule und Lehrkräften in der Präventionsarbeit
5.
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
1.
Grundsätze der Familien- und Sexualerziehung
1.1
Rechtliche Grundlagen
1Familien- und Sexualerziehung ist Teil der gemeinsamen Erziehungsaufgabe von Erziehungsberechtigten und Schule. 2Dabei orientiert sich die Familien- und Sexualerziehung an den allgemeinen Bildungszielen, wie sie in Art. 131 der Bayerischen Verfassung (BV) sowie in Art. 1 und 2 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) ausgewiesen sind, ferner an den im Grundgesetz (GG) und in der BV festgelegten Wertentscheidungen, insbesondere der Achtung der persönlichen Würde des Menschen und der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit, der besonderen Förderung von Ehe und Familie sowie des Rechts auf Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 100, 101, 107, 124, 125, 126 BV und Art. 1, 2, 4, 6 GG). 3Basis dieser grundlegenden Rechtsnormen ist ein Menschenbild, das maßgeblich durch das Christentum und die Aufklärung geprägt ist. 4Für die Grund-, Mittel- und Förderschulen ist deshalb darüber hinaus Art. 135 Satz 2 der BV maßgebend, wonach die Schülerinnen und Schüler nach den Grundsätzen der christlichen Bekenntnisse zu unterrichten und zu erziehen sind (vgl. auch Art. 7 Abs. 3 und 4, Art. 7a Abs. 6 und Art. 19 Abs. 4 BayEUG).
5Ideologisierung und Indoktrinierung sind den Lehrkräften untersagt. 6Sie sind an die Wertentscheidungen und Bildungsziele gebunden, wie sie in der BV festgelegt sind. 7Die religiösen Empfindungen (Art. 136 Abs. 1 BV) sowie das Persönlichkeitsrecht des Individuums, insbesondere der schutzwürdige Intimbereich der einzelnen Schülerinnen und Schüler, der Erziehungsberechtigten und der Lehrkräfte sind zu achten.
Art. 48 Abs. 1 bis 3 des BayEUG bestimmt dazu Folgendes:
„(1) Unbeschadet des natürlichen Erziehungsrechts der Eltern gehört Familien- und Sexualerziehung zu den Aufgaben der Schulen gemäß Art. 1 und 2. Sie ist als altersgemäße Erziehung zu verantwortlichem geschlechtlichen Verhalten Teil der Gesamterziehung mit dem vorrangigen Ziel der Förderung von Ehe und Familie. Familien- und Sexualerziehung wird im Rahmen mehrerer Fächer durchgeführt.
(2) Familien- und Sexualerziehung richtet sich nach den in der Verfassung, insbesondere in Art. 118 Abs. 2, Art. 124, Art. 131 sowie Art. 135 Satz 2 festgelegten Wertentscheidungen und Bildungszielen unter Wahrung der Toleranz für unterschiedliche Wertvorstellungen.
(3) Ziel, Inhalt und Form der Familien- und Sexualerziehung sind den Erziehungsberechtigten rechtzeitig mitzuteilen und mit ihnen zu besprechen."
8Aus dem Ineinandergreifen des natürlichen Erziehungsrechts der Eltern, des Erziehungsrechts des Staates und dem Persönlichkeitsrecht der Schülerinnen und Schüler ergibt sich die Notwendigkeit einer engen und vertrauensvollen Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Elternhaus und Schule. 9Das verpflichtet die Schule zu rechtzeitiger und ausreichender Information der Eltern und zur Aussprache mit ihnen über Ziele, Inhalte und Form der Durchführung der Familien- und Sexualerziehung in der Schule.
1.2
Aufgaben und Ziele
1Sexualität ist Teil der menschlichen Existenz. Familien- und Sexualerziehung in der Schule begleitet den körperlichen, geistigen und seelischen Reifungsprozess der Kinder und Jugendlichen. 2Damit dies gelingen kann, ist eine wertschätzende Atmosphäre Voraussetzung.
3Sie vermittelt wissenschaftlich gesicherte altersangemessene und ausgewogene Informationen über den eigenen Körper und über menschliche Sexualität.
4Die Familien- und Sexualerziehung unterstützt die Schülerinnen und Schüler dabei, kognitive, soziale und kommunikative Kompetenzen für ihren Umgang mit Sexualität sowie für Partnerschaften und Familienleben zu entwickeln. 5Dabei werden folgende Schwerpunkte gesetzt (jeweils kursiv gedruckt):
Schülerinnen und Schüler erwerben auf altersangemessene Weise ein sachlich begründetes Wissen zu Fragen der menschlichen Sexualität und lernen, angeleitet durch ihr Wertempfinden und ihr Verständnis für andere, sich dazu angemessen und wertschätzend sprachlich auszudrücken.
6Familien- und Sexualerziehung trägt dazu bei, dass Schülerinnen und Schüler ihre eigene körperliche und geistig-seelische Entwicklung nicht unvorbereitet erleben, ihre Geschlechtlichkeit, die damit verbundenen Gefühle, die gegebene geschlechtliche Identität sowie sexuelle Orientierung wahrnehmen. 7Schülerinnen und Schüler erkennen, dass Sexualität unterschiedliche Aspekte umfasst wie Lebensfreude, Körperlichkeit, Fortpflanzung sowie die Fähigkeit Beziehungen zu gestalten und Verantwortung zu übernehmen. 8Schule begleitet Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg zu Eigenverantwortung und Selbstbestimmung sowie Gemeinschafts- und Dialogfähigkeit. 9Sie leistet einen Beitrag dazu, dass Kinder und Jugendliche sexuelle Identität als Teil der Persönlichkeit eines Menschen auffassen.
Schülerinnen und Schüler verstehen, dass Menschen ihre Geschlechtlichkeit unterschiedlich empfinden können und im Rahmen ihrer moralisch-ethischen Vorstellungen selbstverantwortet ihr Leben gestalten.
10Familien- und Sexualerziehung fördert Einstellungen, die zur Entwicklung eines empathischen und verantwortungsbewussten Umgangs miteinander erforderlich sind. 11Sie stellt die besondere Bedeutung von Ehe und Familie für den Fortbestand von persönlicher und staatlicher Gemeinschaft heraus und bezieht hier auch feste Lebenspartnerschaften mit ein.
Schülerinnen und Schüler erfahren, dass Liebe und Partnerschaft zum Empfinden von Glück und Sinnerfüllung beitragen können und erkennen die mögliche Bedeutung von andauernder Partnerschaft, Ehe und Familie für die Entfaltung der Persönlichkeit.
12Die gemeinsame Erziehung von Mädchen und Jungen in der Klassengemeinschaft und im Schulleben fördert gegenseitiges Verständnis, partnerschaftliches Verhalten und Einstellungen, die zur Entwicklung einer gleichberechtigten, verantwortbaren Partnerschaft erforderlich sind. 13Fragwürdige Rollenbilder bzw. -vorbilder sowie Identifikationsfiguren, auch durch Medien vermittelte, werden deutlich gemacht und hinterfragt.
Schülerinnen und Schüler erleben Sensibilität, Achtung und einen wertschätzenden Umgang als Gewinn für das soziale Miteinander in einer Gesellschaft. Sie wissen um die Schutzbedürftigkeit und die Menschenwürde ungeborenen Lebens. Sie verstehen, dass das sexuelle Selbstbestimmungsrecht Teil der Menschenrechte ist und der Würde des Menschen Rechnung trägt.
14Die Folgen und Risiken sexuellen Handelns werden ins Bewusstsein gerückt. Schülerinnen und Schüler an den weiterführenden Schulen erwerben biologisch-medizinisches Wissen über sexuell übertragbare Krankheiten (STD), Übertragungswege und Verläufe, den HI-Virus und die Immunschwächeerkrankung AIDS1).
Schülerinnen und Schüler achten auf Körperhygiene. Sie wissen um die Folgen und Risiken sexuellen Handelns. Kenntnisse über sexuell übertragbare Krankheiten leiten die Schülerinnen und Schüler zu einem reflektierten Verhalten an. Sie verstehen die Notwendigkeit eines achtsamen Umgangs mit Infektionsrisiken für sich und andere und kennen wirksame Schutzmöglichkeiten. Sie wissen um die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung im Falle einer Infektion.
15Die Prävention von sexueller Gewalt ist ein wichtiger Bestandteil der Familien- und Sexualerziehung. 16Grundlage aller Prävention ist die Ausbildung und Förderung eines gesunden Körper- und Selbstbewusstseins bei Schülerinnen und Schülern.
Schülerinnen und Schüler sollen um die Gefahr sexueller Übergriffe wissen. Sie kennen und erkennen Gefahrenquellen für sexuelle Übergriffe und Gewalt.
Schülerinnen und Schüler üben sich in Selbstbehauptung und erlernen präventive Verhaltensweisen und Handlungsstrategien, um in Situationen sexueller Belästigung und Aggression angemessen reagieren zu können.
17Ein weiterer Präventionsbaustein ist eine zeitgemäße Medienkompetenz.
Schülerinnen und Schüler lernen frühzeitig auf nicht altersgemäße bzw. jugendgefährdende Bilder oder Texte, auch akustisch vermittelte, angemessen im Sinne des Selbstschutzes zu reagieren. Das schließt das Wissen über Datensicherheit, Persönlichkeitsrechte und den kritischen Umgang mit aktuellen Informations- und Kommunikationstechniken ebenso ein, wie die Anleitung zu reflektiertem Verhalten.
1.3
Vermittlung
Die Vermittlung der Familien- und Sexualerziehung trägt in ihren Prinzipien und den eingesetzten Medien den Gedanken der BV Rechnung, die sowohl im GG, als auch im BayEUG ihre Verankerung gefunden haben.
1.3.1
Prinzipien
1Die Inhalte der Familien- und Sexualerziehung werden objektiv, entwicklungs- und altersgemäß dargestellt und in einer angemessenen, sachlich korrekten Ausdrucksweise, die niemanden herabsetzt, vermittelt. 2Dies geschieht sensibel und situationsgerecht.
3Der Unterricht ist getragen vom Verständnis für die Situation des jungen Menschen und von der Achtung vor seiner Person. 4Dem offenen Gespräch mit Schülerinnen und Schülern kommt dabei besondere Bedeutung zu. 5Es dominiert ein lebensbejahender, sexualfreundlicher Grundtenor. 6Beachtet werden das Informationsbedürfnis der Schülerinnen und Schüler sowie die besonderen Gegebenheiten in der Klasse und der jeweiligen Lebenswelt. 7Mögliche emotionale Auswirkungen rational vermittelter Sachinformationen werden mit bedacht. 8Stimulation wie auch Verängstigung durch Schilderungen oder Bilddemonstrationen und emotionalisierende Methoden (u.a. durch handlungsorientierte interaktive Einbeziehung der Körper) sind unzulässig.
9Inklusive Situationen erfordern dabei in besonderem Maße einen klaren Blick auf die vielfältigen Bedürfnisse sowie einen sensiblen und rücksichtsvollen Umgang aller Beteiligten miteinander unter Achtung sowohl der individuellen Situation der Schülerinnen und Schüler als auch der der gesamten Gruppe.
1.3.2
Aktionstag für das Leben
1Das GG verpflichtet den Staat, menschliches Leben zu schützen. 2Bereits dem ungeborenen menschlichen Leben kommt Menschenwürde zu. 3Diese Schutzpflicht gründet in Art. 1 Abs. 1 GG und wird durch Art. 2 Abs. 2 GG näher bestimmt. 4Für die Schulen ergibt sich daraus die Aufgabe, die Würde auch des ungeborenen Lebens herauszustellen, Verantwortung gegenüber dem ungeborenen Kind zu wecken und den Willen zum Schutz des ungeborenen Lebens bei den Schülerinnen und Schülern zu stärken. 5In Ergänzung zur unterrichtlichen Wissensvermittlung über den ungeborenen Menschen und sein Lebensrecht soll daher an den weiterführenden Schulen nach Möglichkeit jährlich ein „Aktionstag für das Leben“ unter Einbezug der Schülermitverantwortung und der Eltern durchgeführt werden. 6Vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Fragen soll die Einsicht in die Notwendigkeit von Werten den Willen der Schülerinnen und Schüler festigen, im Sinne dieser Werte verantwortliche Entscheidungen zu treffen. 7Eine fächerübergreifende Zusammenarbeit hinsichtlich der vielfältigen rechtlichen, ethischen, sozialen, kulturellen und politischen Bezüge scheint ebenso wie eine Zusammenarbeit mit anderen Schulen und staatlich anerkannten oder kirchlichen Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen sinnvoll. 8Schülerzentrierte Elemente, z. B. Diskussionsrunden mit Fachleuten oder theaterpädagogische Angebote, sollten im Vordergrund der Planung stehen. 9Dabei sind die in 3.2 aufgeführten Rahmenbedingungen zu beachten.
1.3.3
Unterrichtsmedien
1Unterrichtshilfen zur Veranschaulichung der biologischen Sachverhalte der Familien- und Sexualerziehung dürfen nur während der unterrichtlichen Behandlung in der jeweiligen Klasse Verwendung finden. 2Aus Unterrichtsräumen, besonders solchen, die von verschiedenen Klassen benutzt werden, werden Lehrmittel zur Sexualerziehung nach Beendigung der jeweiligen Unterrichtsstunde wieder entfernt. 3Bei der Auswahl audiovisueller Medien werden das Interesse und die Aufnahmefähigkeit der jeweiligen Altersstufe berücksichtigt. 4Kein Medium darf ohne vorherige vollständige Sichtung durch die Lehrkraft und ohne Abgleich mit den Intentionen der Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung im Unterricht eingesetzt werden. 5Die Inhalte der Medien stimmen mit den in Art. 48 BayEUG geforderten Werten und Normen – wie sie auch in der BV niedergelegt sind – überein. 6Audiovisuelle Unterrichtshilfen, die für die Jahrgangsstufen 1 bis 6 in Betracht kommen, werden vor ihrem Einsatz im Unterricht in Klassenelternversammlungen vorgestellt (vgl. auch 3.4).
2.
Themenbereiche der Familien- und Sexualerziehung
2.1
Fächerübergreifende Umsetzung
1Die Ziele der Familien- und Sexualerziehung werden nicht in einem eigenen Unterrichtsfach, sondern im Rahmen mehrerer Fächer verwirklicht. 2Nicht alle Fächer tragen dabei in gleichem Maße zur Familien- und Sexualerziehung bei, aber alle Fächer können Inhalte der Familien- und Sexualerziehung aufgreifen. 3Die Vermittlung geschieht im Fachunterricht oder fachübergreifend – z. B. mittels Absprache oder Teamteaching.
4Je nach Schulart und entsprechenden Jahrgangsstufen dient der Klärung „humanbiologischer Sachverhalte“ in erster Linie der Unterricht in den Fächern: Heimat- und Sachunterricht (HSU), Natur und Technik, Biologie, Physik/Chemie/Biologie (PCB). 5Die Themen „Geschlechterrolle und Geschlechtsidentität“ sowie „Selbstkonzept und Gesellschaft“ erschließen vor allem die gesellschaftswissenschaftlichen sowie musischen Fächer in enger Zusammenarbeit mit den Fächern Religionslehre, Ethik und Deutsch. 6Die Entwicklung von sozialen und personalen Fähigkeiten geschieht im Miteinander des Schullebens und ist Aufgabe aller Fächer.
7Der zeitliche Umfang der Familien- und Sexualerziehung richtet sich im Fachunterricht der einzelnen Jahrgangsstufen nach den Unterrichtszielen und der jeweiligen Situation in der Klasse. 8Alle Schülerinnen und Schüler sollen die Gelegenheit erhalten, die für die Jahrgangsstufen vorgesehenen Kompetenzen zu erwerben. 9Situationsgerecht und altersgemäß kann auf Schülerfragen oder aktuelle Anlässe jederzeit unabhängig von der nachfolgenden Themenzuordnung zu einzelnen Jahrgangsstufen eingegangen werden.
2.2
Humanbiologische Sachverhalte
1Vermittelt werden die für das Verständnis der menschlichen Sexualität notwendigen sachlichen und begrifflichen Grundlagen. 2Den Schülerinnen und Schülern soll dabei bewusst werden, dass biologische Gegebenheiten beim geschlechtlichen Verhalten eine wichtige Rolle spielen, körperliches Lustempfinden zu sexuellem Handeln motiviert und die Entstehung neuen menschlichen Lebens begünstigt. 3Sexualverhalten und Fortpflanzung des Menschen sowie das Empfinden der eigenen Geschlechtlichkeit werden als biologische Abläufe dargestellt, die durch Verantwortung des Menschen für sich selbst und seinen Nächsten zu gestalten sind. 4Gesundheitsvorsorge, das Wissen um Hygiene und Fachärzte gehören ebenso zu diesem Themenbereich wie das Wissen über sexuell übertragbare Krankheiten, Übertragungswege, Krankheitsverläufe, Therapiemöglichkeiten und die Vermeidung einer Ansteckung. 5Die Vermittlung übernehmen je nach Schulart und Alter der Schülerinnen und Schüler die Fächer Heimat- und Sachunterricht (HSU), Natur und Technik, Biologie und Physik/Chemie/Biologie (PCB) sowie Mensch und Umwelt (MU).
Jahr-
gangs-
stufen
Schülerinnen und Schüler …
1, 2
benennen sichtbare körperliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Geschlechter (ohne detaillierte anatomisch-physiologische Einzelheiten)
wenden selbstständig Maßnahmen der Körperhygiene an; erläutern die Grundregeln beim Waschen (Gesundheitsförderung)
3, 4
benennen Geschlechtsmerkmale bei Jungen und Mädchen
beschreiben Anzeichen von Pubertät, Reifungserscheinungen
wenden erweiterte Regeln der Körperhygiene selbstständig an
haben eine klare Vorstellung von der Entwicklung menschlichen Lebens, von der Zeugung bis zur Geburt
5, 6, 7
wissen um die entwicklungsbedingten strukturellen Gemeinsamkeiten der weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane und um deren geschlechtsspezifische Funktionen (u.a. Menstruation, Ejakulation)
strukturieren ihr Wissen zu Geschlechtsakt, Befruchtung, Schwangerschaft und Geburt
beachten Regeln zur Hygiene der Geschlechtsorgane und wissen um deren Bedeutung zur Vermeidung von Krankheiten
8
vertiefen ihr Wissen über die biologische Bedeutung der Sexualität (u.a. Fortpflanzung, Partnerbindung)
wissen um die Bedeutung der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität
erkennen die Bedeutung der Hormone für die Sexualität des Menschen
verstehen Empfängnisregulation als Möglichkeit ungewollte Schwangerschaft zu vermeiden und erkennen die Bedeutung von Kondomen auch als Infektionsschutz
leiten aus dem Wissen über die Wirkungsweise und Wirksamkeit verschiedener empfängnisverhütender Methoden und Mittel Folgerungen für verantwortungsbewusste Empfängnisregulation und Gesundheitsvorsorge ab
strukturieren ihr Wissen über sexuell übertragbare Krankheiten: Übertragungswege, Symptome, Präventionsmöglichkeiten, Impfungen, Therapiemöglichkeiten (u.a. HI-Virus, Chlamydien)
achten den Schutz des ungeborenen Lebens (Aktionstag für das Leben) und berücksichtigen dabei ihr Wissen zur Entstehung menschlichen Lebens, Schwangerschaft und Mutterschutz sowie Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch
sind offen und aufgeschlossen für eine regelmäßige Gesundheitsvorsorge und ggf. Beratung durch den Facharzt
erfassen die Auswirkungen und Gefahren von Alkohol- und Drogenkonsum im Zusammenhang mit Sexualität
9, 10
setzen sich mit den Themen Vererbung und genetisch bedingte Erkrankungsrisiken auseinander
befürworten Gesundheitsvorsorge und eine gesunde Lebensführung (u.a. Verzicht auf Alkohol-, Tabak- und Drogenkonsum) in der Schwangerschaft
verstehen den Fruchtbarkeitsverlauf und die Fertilitätsphase beim Menschen
vergegenwärtigen sich die Gefahren von sexueller Gewalt (auch in den Medien) und sind motiviert, sich und andere davor zu schützen (siehe 4.2.3)
erkennen die Bedeutung der frühkindlichen Mutter-Kind-Beziehung/Eltern-Kind-Beziehung
nehmen Stellung zu ethischen Konfliktfeldern in den modernen Lebenswissenschaften
11, 12, 13
erkennen die Bedeutung der elterlichen Fürsorge für ein Kind
reflektieren unter Einbeziehung ethischer Implikationen Fertilität und Kinderwunsch im Spannungsfeld von Krankheiten, Erkrankungsrisiken, genetischer Familienberatung sowie Pränatal- und Perinatalmedizin, ggf. Reproduktionsmedizin
2.3
Geschlechterrolle und Geschlechtsidentität
1Thematisiert werden die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschlechtszugehörigkeit, die Begegnung mit dem anderen und eigenen Geschlecht sowie das Verhältnis der Geschlechter zu- und miteinander.
2Kinder und Jugendliche sollen ein positives Selbstverständnis vom eigenen Körper und der eigenen Sexualität entwickeln können. 3Auf der Suche nach der eigenen Geschlechterrolle und -identität werden medial inszenierte sexualisierte Bilder, Rollenbilder und Körpervorstellungen hinterfragt. 4Schülerinnen und Schüler entlarven unterschwellige sexuelle Botschaften in Bildern, Texten oder Musik und entwickeln selbstbewusst eigene Vorstellungen von Körperlichkeit, Sexualität und Identität. 5Sie begreifen, dass freie Entfaltung und sexuelle Selbstbestimmung ihre natürliche Grenze im Recht anderer und in der verfassungsmäßigen Ordnung finden. 6Sie sprechen angemessen und wertschätzend über Gefühle und Sexualität; einen rohen, sexualisierten und diskriminierenden Sprachgebrauch lehnen sie ab.
7Schülerinnen und Schüler verstehen, dass ein wertschätzender, verantwortungsbewusster und selbstbestimmter Umgang mit Sexualität dazu beiträgt, lebenslang erfüllende Sexualität erfahren zu können. 8In höheren Jahrgangsstufen werden vor dem Hintergrund der verfassungsmäßigen Bedeutung von Ehe und Familie unterschiedliche Lebensformen und sexuelle Orientierungen (Hetero-, Homo-, Bisexualität) vorurteilsfrei von der Lehrkraft angesprochen.
9Die Vermittlung der Inhalte zum Themenfeld „Geschlechterrolle und Geschlechtsidentität“ können je nach Schulart und Alter der Schülerinnen und Schüler die Fächer Deutsch, Kunst, Musik, Religionslehre und Ethik u.a. übernehmen.
Jahr-
gangs-
stufen
Schülerinnen und Schüler …
1, 2
bestimmen Erwartungen an die eigene Person und sehen bei Rollenerwartungen und Rollenklischees einen Zusammenhang mit ihrem Geschlecht als Junge oder Mädchen
achten Aussehen und Empfindungen als Zeichen der Einzigartigkeit jedes Einzelnen
schätzen das eigene Verhalten und die Wirkung auf andere ab
3, 4
entwerfen und reflektieren ein erstes Selbstbild und Zukunftsvarianten
fragen nach Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung der eigenen Person
5, 6
identifizieren sich mit dem eigenen Körper, fragen nach Selbstbild und Fremdwahrnehmung
ordnen unterschiedliche Qualitäten von Nähe ein
konkretisieren Werte für die eigene Person
unterscheiden die Qualität von Beziehungen: Bekanntschaft, Freundschaft, von Liebe getragene Beziehungen zu Eltern, Geschwistern und Partnern, virtuelle Beziehungen
7, 8
untersuchen anhand der Begriffe Verantwortung und Selbstverwirklichung unterschiedliche Beziehungsformen
achten das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, akzeptieren unterschiedliche Empfindungen
wägen Formen der Körpermodifikation gegeneinander ab und bedenken die Verantwortung für den eigenen Körper
fragen nach Erwartungen, Bedürfnissen und Sehnsüchten, die ihre Selbstidentität prägen
reflektieren die eigenen Kriterien bei der Partnersuche und -wahl
schlüsseln die Vielfalt der unter dem Geschlechtsbegriff subsumierten Aspekte auf: biologisches Geschlecht, selbst empfundene Geschlechtsidentität und Rollenverständnis
erschließen und erläutern Aussagen zu Liebe und Sexualität aus Sicht der Religionen
9, 10
diskutieren das Zusammenwirken von biologischem Geschlecht, Rollenzuschreibung und individuellem Rollen- und Geschlechtsverständnis
lehnen klischeehafte Rollenzuweisungen für sich und andere ab
achten die eigene sexuelle Orientierung und die sexuelle Orientierung anderer (Hetero-, Homo-, Bisexualität); achten und wissen um Trans- und Intersexualität
sondieren die Einflüsse von Kultur, Medien und Peergroup auf Lebensgestaltung und -planung
nehmen den eigenen Körper an und hinterfragen Körperideale
prüfen ihre Ansprüche an zwischenmenschliche Beziehungen und an eine Partnerschaft
überdenken kritisch Selbstverleugnung und Selbstbehauptung in einer Partnerschaft
erkennen Sexualität als mögliche Quelle von Lebensfreude
diskutieren Partnerschaft und Familiengründung während der Berufsausbildung
11, 12,
13
diskutieren Partnerschaft und Familiengründung während der Berufsausbildung
sehen Sexualität als Teil der Identität, auch in veränderten Lebenskontexten: z. B. bei Verlust des Partners, bei Krankheit oder im Alter
zeigen Selbstverantwortung und Verantwortungsgefühl für den Partner
vergleichen und bewerten Selbstbild, Selbstpräsentation und Fremdbild
2.4
Selbstkonzept und Gesellschaft
1Das Verständnis der eigenen Geschlechtlichkeit und die Bedeutung einer seelisch-körperlichen Partnerschaft zeigen den Jugendlichen die Notwendigkeit sittlicher Entscheidungen und verantwortungsbewussten Handelns auf. 2Die Bedeutung der menschlichen Sexualität im sozialen und staatlichen Bereich sowie die sozialen, sozialethischen, weltanschaulich religiösen und rechtlichen Aspekte der Geschlechtlichkeit des einzelnen Menschen und des Familienlebens werden dargestellt.
3Weitere Themen sind die Familie als Gemeinschaft von (biologischen oder sozialen) Eltern und Kindern, die Ehe als verfassungsrechtlich geschützte Grundlage der Familie, sowie die in den Normen des Ehe- und Familienrechts weiter aufgeführten Formen der Lebensgemeinschaft. 4Der Familie als Schutzraum zur Persönlichkeitsentfaltung und wichtige Voraussetzung für die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes kommt dabei besondere Bedeutung zu.
5Die Vermittlung der Inhalte zum Themenfeld „Selbstkonzept und Gesellschaft“ können je nach Schulart und Alter der Schülerinnen und Schüler die Fächer Religionslehre oder Ethik, Heimat- und Sachunterricht (HSU), Sozialkunde, Sozialwesen, Soziallehre, Geschichte/Sozialkunde/Erdkunde (GSE), Wirtschaft und Recht sowie das Fach Arbeit-Wirtschaft-Technik (AWT) übernehmen.
Jahr-
gangs-
stufen
Schülerinnen und Schüler …
1, 2
fragen nach der Bedeutung von Aufgabenübernahme und gegenseitiger Unterstützung für das Familienleben
tauschen sich mit Achtung und Verständnis gegenüber verschiedenen Formen des Zusammenlebens in unterschiedlichen Familienformen aus
ermitteln Werte für ein harmonisches Miteinander in der Familiengemeinschaft
3, 4
diskutieren Erwerbstätigkeiten in Familien und mögliche Aufgabenverteilung
erkunden Gleichberechtigung der Geschlechter im Berufsleben
fragen nach Veränderungen in einer Familie durch das Leben mit einem Neugeborenen
unterscheiden Zeichen der Zuneigung zwischen Familienmitgliedern und zwischen Freunden
verhalten sich achtsam gegenüber jüngeren Kindern oder Geschwistern
5, 6
achten das menschliche Leben: nehmen Rücksicht auf Schwächere und übernehmen Verantwortung für Jüngere
unterscheiden zwischen Schönheitsideal und Selbstwahrnehmung
prüfen kritisch die Auswirkungen der Ausdrucksweise (z. B. Vulgärsprache) in Musik- und Filmwerken auf das eigene Verhalten und das Verhalten anderer Jungen und Mädchen ihres Alters
bringen das eigene Verhalten in Verbindung mit der Wertekultur der Gesellschaft
7, 8
kennen Hilfsangebote der Gesellschaft in persönlichen Krisensituationen
reflektieren sexuelle Orientierung im Spannungsfeld gesellschaftlicher Normen, sozialer Umwelt und persönlicher Freiheit
achten die rechtlichen Grundlagen zu sexueller Selbstbestimmung, Sexualkontakten, sexueller Gewalt
kennen und vergleichen Initiationsrituale unterschiedlicher Kulturen mit Rechtslage und gesellschaftlicher Praxis in Deutschland
diskutieren Anforderungen und Verpflichtungen bei früher Elternschaft und Berufsausbildung
9, 10
vergleichen die Vorstellungen von Partnerschaft und Sexualität im Spannungsfeld verschiedener Umwelten
setzen sich mit der Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern und Jugendlichen auseinander
diskutieren die Planbarkeit eines Kinderwunsches und frühe Elternschaft
analysieren Darstellungen von Liebe und Sexualität in der Literatur
reflektieren den Einfluss der Medien auf die eigene Sexualität und auf die Wertorientierung
setzen sich kritisch mit Pornographie und der medialen Verbreitung sexualisierter Inhalte (Musik, Video) auseinander
analysieren die Kommerzialisierung von Sexualität im Kontext von Pornographie, Prostitution und Menschenhandel
achten soziale und rechtliche Bestimmungen zu Sexualität, Ehe, eingetragene Lebenspartnerschaft, Lebensgemeinschaft, Schwangerschaft und Adoption
analysieren Wege der Partnersuche, mögliche Chancen und Gefahren
reflektieren eigene Wünsche und Erwartungen an eine Partnerschaft
analysieren die Darstellung von Liebe und Sexualität in bildender Kunst, Musik und Tanz
11, 12,
13
reflektieren über verantwortungsbewusste Familienplanung
würdigen die Bedeutung der Sexualität im Lauf des Lebens und anerkennen Beziehungspflege als Lebensaufgabe
untersuchen mögliche Einflüsse von sozialer Umwelt und Ökonomie auf eine Partnerschaft
diskutieren Rechtslage und Ethik in der Frage der biologischen Manipulation am Menschen
diskutieren die Bedeutung von biologischer Verwandtschaft (Genealogie), Gentechnik und Selbstbestimmung auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse
hinterfragen die Vermarktung von Sexualität
2.5
Stärkung der sozialen und personalen Kompetenzen
1Die Schule unterstützt die Erziehungsberechtigten - basierend auf den in der BV vorgegebenen Werten - beim Aufbau und der Stärkung von sozialen und personalen Fähigkeiten ihrer Kinder. 2Sie hilft Schülerinnen und Schülern systematisch ihre Sprach- und Kommunikationskompetenz, ihre Fähigkeiten zum Umgang mit Stress und Konflikten sowie ihre Kenntnis von Verhaltensgrundregeln und Vorsichtsmaßnahmen in alltäglichen Situationen auszubauen. 3Dazu hilfreiche Angebote und Projekte sollten Lehrkräfte und Eltern gemeinsam abstimmen und mittragen. 4An weiterführenden Schulen ist das Schulforum in die Planungen einzubeziehen.
5Soziale und personale Kompetenzen stärken Kinder und Jugendliche darin, eigene Standpunkte zu vertreten, eine eigene Identität aufzubauen und gegenüber anderen zu behaupten. 6Belastungssituationen und Gefährdungen durch sexuelle Gewalt begegnen Schülerinnen und Schüler so gefestigter.
7Die Entwicklung der sozialen und personalen Fähigkeiten geschieht im Miteinander des Schullebens und ist Aufgabe aller Fächer.
Jahr-
gangs-
stufen
Schülerinnen und Schüler …
1, 2
benennen eigene Gefühle
grenzen Grundelemente der Körpersprache voneinander ab
achten aufeinander und spüren die Bedeutung von Gemeinschaft und deren Grenze
akzeptieren den Widerstand eines anderen
unterscheiden zwischen angemessenen und unangemessenen Berührungen
lehnen unangemessene Berührungen ab
verstehen, dass es Situationen gibt, in denen man sich vorsichtig verhalten oder auch laut und deutlich „NEIN“ sagen/schreien muss
3, 4
sind fähig eigene Gefühle verbal und nonverbal mitzuteilen
meistern ihre eigene Körpersprache und Stimme
kommunizieren respektvoll und verstehen sprachlich Grenzen zu setzen
halten andere Meinungen aus, bauen Frustrationstoleranz und Selbstkontrolle auf
nehmen Ungleichbehandlung von Einzelnen und von Gruppen wahr und wissen angemessen darauf zu reagieren
sind wachsam in unangenehmen Situationen und erkennen Situationen unangemessener Nähe
beherrschen einfache körperliche Abwehrtechniken, die weder Selbstgefährdung noch erhebliche Verletzungen zur Folge haben
5, 6
nehmen ihren Körper wahr und wertschätzen sich selbst
schätzen die Wirkung ihrer eigenen Mimik und Gestik richtig ein und reagieren angemessen auf Mimik und Gestik anderer
pflegen Freundschaften, respektieren Unterschiede und erkennen Möglichkeiten und Grenzen der Beeinflussung durch Einzelne oder eine Gruppe
trainieren emotionale Perspektivübernahme und sind im Stande empathisch zu kommunizieren
bauen ihre Selbstkontrolle aus, sind fähig Konfliktsituationen zu erkennen und zu analysieren
setzen sprachlich Grenzen und fordern diese ein
erproben und üben Strategien zum Umgang mit und zur Abwehr von verbalen sexuellen Belästigungen und aggressivem oder einschüchterndem Verhalten
7, 8
nehmen den Wandel des eigenen Körpers positiv an
spüren eigenen Gefühlen nach, teilen diese differenziert sowohl verbal, als auch nonverbal mit
setzen ein breites Spektrum nonverbaler Ausdrucksmittel ein und verstehen sie bei anderen
hinterfragen die Wechselwirkung zwischen positivem sowie negativem Körpergefühl und Verhalten
vertreten eigene Anschauungen und Wünsche klar gegenüber Einzelnen und einer Gruppe, respektieren Unterschiede
achten sich selbst und begegnen anderen mit Achtung
wenden Entlastungsstrategien in Belastungssituationen an
probieren Elemente der Selbstbehauptung aus
grenzen sich bewusst vom Gebrauch einer sexualisierten oder abwertenden Sprache ab und fordern eine angemessene Ausdrucksweise ein
unterscheiden zwischen einer manipulierenden und sachlichen Kommunikation
nehmen frühzeitig Grenzverletzungen wahr und benennen sie als solche
nutzen Strategien zur Abwehr von verbalen sexuellen Belästigungen und aggressivem oder einschüchterndem Verhalten
9, 10
kommunizieren in einer Partnerschaft Bedürfnisse und Grenzen
zeigen Toleranz und Respekt gegenüber Menschen, ungeachtet ihrer sexuellen Identität
definieren einen wertschätzenden Sprachgebrauch und verhalten sich rücksichtsvoll
treten Grenzverletzungen konsequent entgegen
setzen nonverbale, verbale und deeskalierende Selbstbehauptungstechniken ein
bedenken in Situationen mit Alkohol- und Drogenkonsum das besondere Gefahrenpotential hinsichtlich sexueller Gewalt und ungewollter Schwangerschaft
11, 12, 13
üben ihre Fähigkeit, verantwortungsbewusst und werteorientiert zu urteilen
verbessern ihre Empathie- und Kommunikationskompetenz, pflegen Beziehungen
nutzen Sprache zur Klärung und Lösung von Konflikten und wenden Grundregeln der Mediation an
reflektieren angemessene Formen des sich Streitens und sich Trennens
3.
Organisation der Familien- und Sexualerziehung an der Schule
3.1
Aufgaben der Schulleitung
1Die Schulleiterin oder der Schulleiter sorgt für die Einhaltung der Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung an der Schule. 2Befugnis und Aufgaben der staatlichen Schulaufsichtsbehörden, die Erfüllung der Unterrichtsziele und die Gestaltung des Unterrichts zu beaufsichtigen, bleiben unberührt.
3Die Schulleiterin oder der Schulleiter ernennt eine(n) Beauftragte(n) für Familien- und Sexualerziehung an der Schule und unterstützt die Arbeit des/der Beauftragten.
4Die Entscheidung, ob auf Grund einer spezifischen örtlichen Situation bzw. inhaltlichen Schwerpunktsetzung im Unterricht die Schülerinnen und Schüler getrennt, statt im gewohnten Klassenverband unterrichtet werden, trifft die Schulleiterin oder der Schulleiter in Absprache mit dem/der Beauftragten für Familien- und Sexualerziehung und der die Inhalte vermittelnden Lehrkraft. 5Eine solche Entscheidung ist gegenüber dem Elternbeirat und der Elternversammlung auf deren Verlangen zu begründen.
3.2
Aufgaben des/der Beauftragten für Familien- und Sexualerziehung
1Der/Die Beauftragte ist erste(r) Ansprechpartner(in) für Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie externe Expert(inn)en zur Familien- und Sexualerziehung an der Schule. 2Er/Sie pflegt den Kontakt zu außerschulischen Ansprechpartner(inne)n sowie Expert(inn)en und unterstützt die Lehrkräfte bei der Vorbereitung der didaktischen Umsetzung der Familien- und Sexualerziehung. 3Ihm/Ihr obliegt die Planung des nach Möglichkeit jährlich an den weiterführenden Schulen stattfindenden Aktionstages für das Leben (siehe dazu auch 1.3.2).
4Der/Die Beauftragte für Familien- und Sexualerziehung prüft alle Angebote externer Anbieter zur Familien- und Sexualerziehung und stellt sicher, dass jede außerschulische Zusammenarbeit im Einklang mit den Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung geschieht.
5Er/Sie ist immer auch Interventionsbeauftragte(r), speziell für diese Tätigkeit geschult, und kennt im Verdachtsfall von sexueller Gewalt die notwendigen Schritte, die zu informierenden Stellen und alle wichtigen Ansprechpartner. 6Um langfristig Schülerinnen und Schüler gegen sexuelle Gewalt zu stärken, stimmt er/sie mit den Lehrkräften der Schule die unterschiedlichen Angebote zum Auf- und Ausbau personaler sowie sozialer Kompetenzen und der Medienbildung aufeinander ab.
3.3
Aufgaben der Lehrkräfte
1Die in den Klassen unterrichtenden Lehrkräfte vermitteln im jeweiligen Fachunterricht die Themenbereiche der Familien- und Sexualerziehung. 2Die dafür notwendigen Absprachen koordiniert der/die Klassenleiter(in) bzw. Klassenlehrkraft oder bei Bedarf der/die Beauftragte für Familien- und Sexualerziehung. 3Persönlichkeitsbezogene oder emotionsbehaftete Inhalte der Familien- und Sexualerziehung dürfen nicht Teil der Leistungserhebung sein. 4Fragebogenaktionen über das sexuelle Verhalten der Schülerinnen und Schüler sind unzulässig.
5Der/Die Klassenleiter(in) beruft eine Klassenelternversammlung zur Information der Erziehungsberechtigten ein (vgl. auch 3.4). 6Er/Sie kann diese Aufgabe auch an eine andere Lehrkraft der Klasse delegieren oder den/die Beauftragte(n) für Familien- und Sexualerziehung um Unterstützung bitten. 7Alle an der Familien- und Sexualerziehung in einer Klasse beteiligten Lehrkräfte sind zur Zusammenarbeit und zur Teilnahme an den Informationsveranstaltungen verpflichtet. 8Für besondere Fragestellungen und Zielsetzungen der Familien- und Sexualerziehung können unter Einbeziehung des/der Beauftragten für Familien- und Sexualerziehung außerschulische Expert(inn)en den Unterricht an weiterführenden Schulen ergänzen. 9Für Inhalt, Qualität und Durchführung der gemeinsamen Aktivität bleibt dabei die Lehrkraft verantwortlich (vgl. § 5 „Aufsichtspflicht“ der Dienstordnung für Lehrkräfte an staatlichen Schulen in Bayern).
3.4
Elterninformation
1In den Jahrgangsstufen 1 bis 6 erfolgt die Information der Erziehungsberechtigten und die Aussprache mit ihnen im Rahmen der jährlich vorgesehenen Klassenelternversammlungen oder in einem thematischen Elternabend. 2Die Eltern werden zu den Klassenelternversammlungen unter Hinweis auf die Thematik schriftlich eingeladen. 3In diesen werden unter anderem die vorgesehenen audiovisuellen Lehr- und Lernmittel vorgestellt und erläutert, die entsprechend der Intention der Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung ausgewählt wurden. 4Die Eltern werden im Interesse ihrer Kinder gebeten, die Lehrkraft oder den/die Beauftragte(n) für Familien- und Sexualerziehung über Vorkommnisse oder Umstände besonderer Art vor Beginn der Unterrichtseinheiten zur Familien- und Sexualerziehung in Kenntnis zu setzen. 5Damit die Erziehungsberechtigten Zeit finden mit ihren Kindern zuerst über Themen der Familien- und Sexualerziehung zu sprechen, beginnt der Unterricht zur Familien- und Sexualerziehung erst angemessene Zeit nach der Informationsveranstaltung, in der Grundschule und in den Jahrgangsstufen 5 und 6 in der Regel erst nach Ablauf von acht Wochen.
6Besondere Klassenelternversammlungen zur Familien- und Sexualerziehung werden für die Eingangsklassen an der Grundschule, der Mittelschule, der Förderschule, der Realschule, der Wirtschaftsschule und dem Gymnasium einberufen, soweit der Elternbeirat dies wünscht.
7In den Jahrgangsstufen 7 bis 13 kann die Information der Eltern entweder im Rahmen von Klassenelternversammlungen oder durch Elternbrief erfolgen. 8Hierüber entscheidet die Schule im Einvernehmen mit dem Elternbeirat.
3.5
Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung
1Damit die Schule ihren gesetzlichen Auftrag zur Familien- und Sexualerziehung erfüllen kann, sind in die Vorbereitung für die verschiedenen Lehrämter sowie in die Lehrerfortbildung entsprechende fach- und erziehungswissenschaftliche, didaktische und unterrichtsmethodische Themenbereiche aufzunehmen. 2Die Beauftragten für Familien- und Sexualerziehung an den Schulen erhalten ein besonderes Fortbildungsangebot.
4.
Prävention von sexueller Gewalt
4.1
Sexuelle Gewalt
1Sexuelle Grenzverletzungen und Übergriffe sind Formen sexueller Gewalt. 2Unter sexueller Gewalt (sexuellem Missbrauch, sexueller Misshandlung) versteht man jede Handlung eines Mächtigeren – Erwachsenen oder deutlich älteren Jugendlichen – an Schwächeren wie z. B. Kindern, die der sexuellen Erregung bzw. Befriedigung des Mächtigeren dient. 3Der Mächtigere nutzt das Machtgefälle bzw. seine physische und psychische Überlegenheit zur Durchsetzung seiner Bedürfnisse aus. 4Er allein trägt die Verantwortung für die Handlungen. 5Ein Kind kann diesen Handlungen auf Grund seines Entwicklungsstandes nicht frei und wissentlich zustimmen. 6Zusätzlich werden die betroffenen Kinder meist von den Tätern zur Geheimhaltung verpflichtet. 7Da diese Kinder zusätzlich oft von den erwachsenen oder älteren jugendlichen Tätern abhängig sind und meist in einem Vertrauensverhältnis zu ihnen stehen, kann es den Kindern kaum gelingen, sich den Handlungen durch die Erwachsenen oder älteren Jugendlichen zu widersetzen. 8Alle sexuellen Handlungen, die an, vor oder mit einem Kind erzwungen werden oder mit dessen scheinbarem Einverständnis stattfinden, erfüllen einen Straftatbestand.
9Abzugrenzen davon sind sexuelle Grenzverletzungen und Übergriffe zwischen Kindern. 10Von Kindern spricht man bis zu einem Alter von vierzehn Jahren, ab vierzehn Jahren dann von Jugendlichen. 11In diesen Fällen nutzt ein übergriffiges Kind ein Machtgefälle zum betroffenen Kind aus. 12Das übergriffige Kind setzt das betroffene Kind dabei emotional oder durch körperliche Gewalt unter Druck und erzwingt in der Folge sexuelle Handlungen. 13Diese werden unfreiwillig vom betroffenen Kind geduldet.
14Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sexuelle Gewalt einzudämmen. Die Schule weist Kinder und Eltern auf die Gefahr sexueller Übergriffe hin und informiert über mögliche Maßnahmen zur Vermeidung sexueller Grenzverletzungen. 15Schule leistet so einen Beitrag zur Vorbeugung von sexueller Gewalt. 16Durch das Ansprechen des Problems der sexuellen Gewalt in der Schule sollen Kinder Schule als einen Ort erfahren, von dem in einer schwierigen Lebenslage Hilfe zu erwarten ist.
4.2
Präventionsstrategien
1Kommunikationsprobleme und Dominanzansprüche können bei Kindern und Jugendlichen zu Gewalt führen. 2Dabei verwischen und vermischen sich mit zunehmendem Alter oft die Grenzen und Formen von körperlicher, verbaler und sexueller Gewalt. 3Schülerinnen und Schüler sollten deshalb frühzeitig in Elternhaus und Schule erfahren, dass die Ausübung jeder Art von Gewalt keine Duldung erfährt und gesellschaftlicher Ächtung unterliegt. 4Schülerinnen und Schüler können mit sexueller Gewalt an den verschiedenen Orten und in unterschiedlichen Zusammenhängen konfrontiert werden. 5Sexuelle Gewalt tritt neben direkten körperlichen Übergriffen auch in anderen Formen auf - visuell, verbal oder medial vermittelt.
6Kinder und Jugendliche sollen sich Belästigungen und Bedrohungen nicht hilflos ausgeliefert fühlen, sondern um ihre Rechte, Schutz- und Hilfsangebote wissen und in aggressiven und bedrohlichen Situationen Möglichkeiten der Gegenwehr oder der Schutzsuche kennen.
7Altersangemessen gilt es Sinne und Intuition der Schülerinnen und Schüler zu schärfen, damit sie möglichst früh Bedrohungen erkennen, Grenzverletzungen wahrnehmen und benennen können. 8Sie müssen mögliche Gefahrenquellen, die die Wahrscheinlichkeit sexueller Gewalt erhöhen, kennen.
9Alkohol- und Drogenmissbrauch bergen ein hohes Risikopotential hinsichtlich sexueller Gewalt und gesundheitlicher Gefährdung. 10Medial vermittelte sexuelle Botschaften, die durch sexuelle Gewalt in Wort und Tat geprägt sind, können einer unterschwelligen Verrohung Vorschub leisten und im ungünstigen Fall Auswirkungen auf die sexuellen Vorstellungen und Handlungskonzepte Jugendlicher haben. 11Eine weitere Gefahrenquelle kann sich aus dem Missbrauch sozialer Macht in Beziehungen ergeben.
12Schule reagiert, indem sie als Basis schulischer Gewaltprävention die Ich-Stärke bei Schülerinnen und Schülern fördert und die Wertekultur der Verfassung im Schulalltag einfordert. 13Die Vermittlung von Werten, die Ausbildung von Frustrationstoleranz, Empathiefähigkeit und Selbstbewusstsein stärken die sozialen und personalen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler in Konflikt- und Bedrohungssituationen. 14Selbstbewusste und zugleich sozial kompetente Kinder und Jugendliche werden seltener Opfer und sind seltener übergriffig bzw. Täterinnen oder Täter. 15Die Wertschätzung von Mitmenschen in ihrer Eigenart und die Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln sind wichtige Schritte des Reifungsprozesses vom Kind zum sozial kompetenten Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
4.2.1
Persönlichkeitsstärkende Erziehungshaltung
1Die Erziehung der Kinder liegt zuallererst in der Verantwortung der Eltern. 2Eine Erziehungshaltung, die Kinder als vollwertige Personen anerkennt und die Entwicklung ihres Selbstwertgefühls stärkt, trägt wesentlich zur Vermeidung sexueller Übergriffe bei. 3Mädchen und Jungen sollen zu selbstbewussten, selbstbestimmten, kritischen Menschen erzogen werden, die ihren Mitmenschen respektvoll und verantwortungsbewusst gegenüber treten.
4Ermutigen Erziehungsberechtigte ihre Kinder, auf ihr Körperempfinden zu achten, ihre Umgebung bewusst wahrzunehmen und über ihre Erlebnisse und Eindrücke zu sprechen, erleben diese, dass ihre Einschätzungen ernstgenommen werden. 5Kinder sollen Empfindungen – Gefallen bzw. Nichtgefallen – nicht vorgeschrieben bekommen, sie haben ein Recht auf selbst bestimmten Körperkontakt. 6So erfahren sie sich selbstwirksam. 7Sie lernen, dass sie in bestimmten Situationen „NEIN“ sagen dürfen und müssen. 8Von Kindern wird kein unbedingter Gehorsam eingefordert. 9Solch eine Erziehungshaltung kann es Kindern in Gefährdungssituationen erleichtern, sich einem fremden Willen entgegen zu stellen, „NEIN“ zu sagen, Hilfe zu holen oder einzufordern. 10Gefördert wird eine selbstbewusste Persönlichkeitsentwicklung durch
Aufmerksamkeit und Zuwendung durch die Eltern
das Erleben und Lernen von Verständnis
die Möglichkeit für Kinder, ihre eigene Persönlichkeit zu entfalten
das Ernstnehmen von Gefühlen und Intuition der Kinder
die vorgelebte Wertschätzung und Achtung anderer
den Aufbau einer realistischen Frustrationstoleranz bei den Kindern
eine Erziehung zu Achtsamkeit und Vorsicht
das Vermeiden einengender oder klischeehafter Erziehung.
4.2.2
Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule
1Eine persönlichkeitsstärkende Erziehung wird dann größtmögliche Wirkung entfalten, wenn sie von allen Bezugspersonen der Kinder und Jugendlichen – in Elternhaus und Schule – realisiert wird. 2Sie beinhaltet auch die Förderung von sozialer Kompetenz, d. h. von Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein sowie Empathie und wird begleitet von einer reflektierten Medienerziehung. 3Der Sensibilisierung der Erziehungsberechtigten für einen verantwortungsvollen und kritischen Medienkonsum des Kindes und die Beachtung von Sicherheitsregeln bei der Mediennutzung durch das Kind kommt besondere Bedeutung zu.
4Bei Elternabenden können Eltern Inhalte und Möglichkeiten der Präventionsarbeit in der Schule und zu Hause im Bereich der Medienerziehung und bezüglich sozialer sowie personaler Kompetenzen kennenlernen sowie Fragen und Erfahrungen dazu einbringen. 5Zusätzliche Ansprechpartner werden vorgestellt wie bspw. geschulte Fachkräfte, Schulpsycholog(inn)en, Mitarbeiter(innen) der für den Bezirk zuständigen staatlichen Schulberatungsstelle oder auch Fachberater(innen) der Polizei. 6Eltern brauchen im Kontext der Familien- und Sexualerziehung
grundlegende Informationen zu sexueller Gewalt
Kenntnisse zur Prävention sexueller Gewalt
grundlegende Informationen zur Bedeutung sozialer sowie personaler Kompetenzen und zur Medienerziehung
Informationen zu Grundsätzen des gesetzlichen und pädagogischen Kinder-und Jugendschutzes und Möglichkeiten des technischen Jugendschutzes (Jugendschutzfilter für das Internet)
Hilfen, wie Präventionsinhalte an das eigene Kind bzw. die eigenen Kinder vermittelt und eingeübt werden können.
4.2.3
Bedeutung der Medienumwelt
1Kinder und Jugendliche wachsen in einer zunehmend sexualisierten Lebenswelt auf und sind besonders empfänglich für Trends und Wertvorstellungen, die durch Medien verbreitet und verstärkt werden. 2Schülerinnen und Schüler werden über Fernsehen, Internet, Musik, Computerspiele u.a. mit problematischen und verstörenden Inhalten zum Thema Sexualität konfrontiert. 3Dabei wird oftmals der Zusammenhang von Achtung, Zärtlichkeit, Liebe und Sexualität aufgehoben und ein bedenkliches Männer- und Frauenbild vermittelt.
4Im Rahmen der Medienbildung hinterfragen Schülerinnen und Schüler mediale Botschaften kritisch und gehen in der Folge selbstbestimmter mit Medien um. 5Die Kenntnisse zu Jugend- und Datenschutz sowie zum Urheberrecht und das damit verbundene Wissen um die eigenen Rechte und Pflichten im Umgang mit digitalen Medien helfen, sich selbst besser zu schützen und auch anderen dabei achtungsvoll und wertschätzend zu begegnen.
6Bei ungewolltem Kontakt mit problematischen und angstauslösenden Inhalten sollten sich die Kinder und Jugendlichen vertrauensvoll an Erziehungsberechtigte und Lehrkräfte wenden. 7Medienerziehung kann nur als gemeinsames Anliegen von Familie und Schule gelingen. 8Medienbildung ist Teil des pädagogischen Auftrags jeder Lehrkraft. 9Es empfiehlt sich, den Prozess der Medienbildung an der Schule im Sinne einer fortdauernden Wirksamkeit zu systematisieren.2) 10Belange der Medienbildung thematisieren unterschiedliche Fächer: Deutsch, Kunst und Musik, Sozialkunde, Sozialwesen, Soziallehre, Geschichte/Sozialkunde/Erdkunde, Natur und Technik, Informatik, Informationstechnologie (IT), Wirtschaft. 11Nachfolgende Tabelle zeigt die dabei für die Familien- und Sexualerziehung wichtigen Aspekte auf.
Jahr-
gangs-
stufen
Schülerinnen und Schüler …
1, 2
achten auf die Einhaltung grundlegender Sicherheitsregeln und Abwehrstrategien, da sie sich möglicher Gefahren bewusst sind
finden kindgerechte und sichere Medienportale bzw. -angebote
akzeptieren Maßnahmen zum technischen Kinder- und Jugendschutz
3, 4
wählen sichere Möglichkeiten zur Kommunikation aus
stufen Identifikationsfiguren und Identifikationsangebote aus den Medien als Teil einer fiktionalen Welt ein
identifizieren Gefahren des eigenen Mediengebrauchs
5, 6
definieren Chancen und Risiken verschiedener Medienarten und -formate
hinterfragen Medienangebote und mediale Identifikationsfiguren, z. B. im Fernsehen, Internet und in Computerspielen
entwickeln Strategien zum Umgang mit digitalen sexuellen Übergriffen (im Netz, per Handy, in der Musik)
gehen mit persönlichen Daten sowie Daten Dritter angemessen um, da sie um die Manipulationsmöglichkeiten von Daten und Bildern wissen
7, 8
wenden einfache Sicherheitsregeln und Abwehrstrategien zur Sicherheit von Informationen und Daten im Netz, in sozialen Netzwerken sowie im Chat an
reagieren angemessen auf medial vermittelte sexuelle Belästigung und Gewalt
halten grundlegende Aspekte des Urheberrechts, Persönlichkeitsrechts, Jugendmedienschutzes und Datenschutzes bei der Mediennutzung und -gestaltung ein
erkennen den Einfluss der Medien auf gesellschaftliche und eigene Vorstellungen von Sexualität und Schönheit
stellen Rollen- und Körperbilder und die Sexualisierung von Alltagsthemen in den Medien in Frage und prüfen kritisch z. B. Musikvideos oder Computerspiele
9, 10
bauen ihre Strategien zum Umgang mit sexuellen Übergriffen in der digitalen Kommunikation aus
schützen sich vor medialen Gefahren und treffen selbstständig geeignete Präventionsmaßnahmen aus der Kenntnis um Chancen und Risiken des Mediengebrauchs
halten bei der Mediennutzung Vorschriften des Daten- und Jugendmedienschutzes ein
analysieren und bewerten mediale Vor-/Leitbilder sowie Wirklichkeitskonstruktionen in virtuellen Welten, sozialen Netzwerken und in der Musik
hinterfragen kritisch den Einfluss der Medien durch Kommerzialisierung und Sexualisierung auf ihre eigene Meinungsbildung, Wertorientierung und ihr Handeln
überdenken ihre Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken und deren Wirkung auf andere
11, 12,
13
verwenden mediale Kommunikationsformen situationsgerecht, adressatenorientiert sowie verantwortungsbewusst
hinterfragen kritisch die Rolle der Medien bei der Gestaltung des individuellen und gesellschaftlichen Lebens und ihrer Konstruktion von Wirklichkeit
4.2.4
Sprechen über sexuelle Gewalt
1Unaufgeklärte Kinder sind leichte Opfer. 2Ein aufgeklärtes, selbstbewusstes Kind hat eher die Chance, eine schwierige Situation zu meistern. 3Kindern und Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf stehen aufgrund ihrer größeren Abhängig- und Hilfsbedürftigkeit besonderer Schutz und Aufmerksamkeit zu. 4Stets in dem Bewusstsein, dass die Vermittlung dieses Themas besonderes Feingefühl erfordert und jegliche Emotionalisierung oder gar Dramatisierung verbietet, sollte deshalb nach der Vermittlung grundlegender Begriffe zur Sexualität (vgl. 2.2) bereits mit Grundschülerinnen und Grundschülern ein Gespräch über sexuelle Gewalt, im Sinne einer frühzeitigen Prävention von sexuellem Missbrauch, geführt werden. 5Solch ein Gespräch kann unter Einbeziehung geeigneter Medien geschehen oder beispielsweise anlässlich einer aktuellen Berichterstattung. 6Aufgrund der Sensibilität des Themas muss sich die Lehrkraft hierfür in jedem Fall besonders intensiv vorbereiten. 7Das Gespräch soll Kindern helfen, sexuelle Grenzverletzungen und Übergriffe als solche benennen zu können. 8Kinder, die nicht angemessen sexuell aufgeklärt sind, besitzen keine Sprache über sexuelle Vorgänge. 9Dies erschwert es ihnen, sich im Falle von Bedrohungen oder Missbrauch mitzuteilen. 10Dem Kind wird so vermittelt, dass die Bezugsperson (Eltern, Lehrerinnen und Lehrer) um die Realität sexueller Misshandlungen weiß und dass sexueller Missbrauch kein Tabuthema darstellt. 11Dies erleichtert einem Kind im Falle einer Bedrohung oder nach einer Grenzverletzung die Kontaktaufnahme mit Außenstehenden und das Sprechen darüber.
4.3
Die Rolle von Schule und Lehrkräften in der Präventionsarbeit
1Die täglichen und intensiven Kontakte mit den Kindern prädestinieren vor allem die Grundschullehrkräfte als Ansprechpartner und Vertrauenspersonen für betroffene Kinder. 2Sie können einerseits entsprechende Anzeichen wahrnehmen, andererseits bieten sie Kindern, die von innerfamiliärem Missbrauch betroffen sind, vielleicht die einzige Möglichkeit, Außenkontakte zu knüpfen oder sich jemandem mitzuteilen. 3Die Lehrkraft beschränkt sich im Gespräch mit dem Kind oder Jugendlichen darauf zuzuhören, zu unterstützen und auf Wunsch der Schülerin oder des Schülers eine Intervention zu begleiten.
4Die Abklärung eines Verdachts (Interventionsarbeit) aus eigenem Antrieb, die Aufdeckung einer sexuellen Misshandlung oder die Konfrontation der Täterin oder des Täters gehören jedoch nicht zum Aufgabengebiet der Lehrkraft.
5Zusätzlich zu ihrer Aufklärungsarbeit im Unterricht sind Lehrkräfte gehalten, Verhaltensänderungen wahrzunehmen, die Hinweissignale dafür sein können, dass ein Kind Opfer sexueller Gewalt ist. 6Die Signale müssen ernst genommen und der Beauftragte für Familien- und Sexualerziehung in seiner Funktion als Interventionsbeauftragter muss informiert werden. 7Zu dessen Aufgaben zählt es, sich über die notwendigen Schritte bei einer eventuellen Intervention zu informieren, sich dazu fortzubilden und die Ansprechpartner der Hilfsorganisationen und Behörden vor Ort zu kennen, die im Fall eines Verdachts auf sexuellen Missbrauch kontaktiert werden müssen bzw. können. 8Weitere wichtige Ansprechpartner für Eltern und Lehrkräfte sind v.a. die Schulpsychologen, die Mitarbeiter der für den Bezirk zuständigen staatlichen Schulberatungsstelle sowie der Jugendhilfe.
5.
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
1Diese Bekanntmachung tritt mit Wirkung vom 15. Dezember 2016 in Kraft.
2Gleichzeitig tritt die Bekanntmachung über die Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung in den bayerischen Schulen vom 12. August 2002 (KWMBl. I S. 285) außer Kraft.
 
Herbert Püls
Ministerialdirektor
 
 
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1)
Richtlinie zur AIDS Prävention, GemBek vom 15. März 1989 (KWMBl. I S. 72), geändert durch KMBek vom 30. August 1989 (KWMBl. I S. 265)
2)
dazu KMBek Medienbildung K WMBl. Nr. 22/2012 sowie KMBek EDV- und Internet-Nutzung KWMBl. Nr. 21/2012